(ams). Das Respiratorische Synzytial-Virus - kurz RSV -
ist bei Kindern bis zu zwei Jahren der häufigste Auslöser von akuten
Infektionen der unteren Atemwege. Für Säuglinge und Kleinkinder kann das
RS-Virus gefährlich sein. In diesem Jahr werden deutlich mehr Kinder als sonst
im Krankenhaus wegen RSV behandelt. Woran liegt das? Was löst das RS-Virus aus
und was können Eltern tun? All das erklärt Anja Debrodt, Ärztin im
AOK-Bundesverband.
Neben dem Corona-Virus füllt noch ein anderes Virus im Herbst 2021 die
Krankenhäuser, genauer: die Kinderkliniken. Das Respiratorische
Synzytial-Virus. Gerade bei den ganz Kleinen kann die Infektion so schwer
verlaufen, dass sie eventuell sogar stationär aufgenommen werden müssen. "Bereits
seit dem Spätsommer statt normalerweise ab November sehen wir einen Anstieg der
Krankenhausfälle", sagt Medizinerin Debrodt. "Auch die absolute Zahl
der Erkrankten fällt höher aus als in den Vorjahren."
Vergangene Erkältungssaison ist ausgefallen
Der Grund für diese Auffälligkeiten hängt mit der Corona-Pandemie zusammen:
Im vergangenen Winter ist die Grippe- und Erkältungssaison durch
Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen praktisch ausgefallen. Babys, die im
Jahr 2020 geboren wurden, kamen deshalb kaum in Berührung mit RSV, sodass in
diesem Jahr gleich zwei Jahrgänge die Infektion zum ersten Mal durchmachen.
Fast jedes Kind infiziert sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres mit
RS-Viren. Die Infektionswelle beginnt normalerweise im November und erreicht im
Januar und Februar den Höhepunkt, um dann im April wieder abzuebben. Doch
dieses Jahr haben die Fachgesellschaften bereits schon im Sommer auffällig
viele Krankenhausaufnahmen von Kindern mit diesem Erreger beobachtet.
Die Übertragung erfolgt vorwiegend als Tröpfcheninfektion über die
Nasenschleimhäute oder die Bindehaut des Auges. Schmierinfektionen sind
ebenfalls möglich. Ansteckend ist die Krankheit für jeden - Kinder, Jugendliche
und Erwachsene -, auch wenn man eine Infektion schon einmal überstanden hat.
Allerdings fällt sie bei älteren Kindern und Erwachsenen in der Regel
wesentlich milder aus, mit Erkältungssymptomen wie Schnupfen, Husten,
Halsschmerzen oder auch Fieber. Manchmal merken die Betroffenen aber auch gar
nicht, dass sie infiziert sind.
Bronchitis und Lungenentzündung bei Säuglingen
In den ersten Lebensmonaten dagegen kann die Infektion schnell auf die
unteren Atemwege übergreifen und zu einer Lungenentzündung oder einer
Bronchiolitis führen. Als Bronchiolen bezeichnet man die kleinsten
Verästelungen der Bronchien. Sind die Kinder schon etwas älter, kommt es
vorwiegend zu einer obstruktiven Bronchitis. "Bei Säuglingen und Kindern
bis zu zwei Jahren sind die Atemwege sehr viel enger als bei größeren Kindern
oder Erwachsenen", sagt Debrodt. "Die Kinder entwickeln einen
zunehmend keuchenden Husten, es kommt zu Atemnot bei oft nur mäßig erhöhter
Temperatur." Das kann eine stationäre Aufnahme erforderlich machen. Etwa
zwei Prozent der Kinder mit einer RSV-Infektion kommen ins Krankenhaus. Ein
Teil der kleinen Patientinnen und Patienten benötigt eine Inhalationstherapie
oder auch eine Sauerstoffgabe.
Auf Alarmzeichen achten
"Wenn der Husten schlimmer wird, das Baby nicht mehr trinken will, es schneller atmet und Probleme hat, Luft zu bekommen, dann sollten die Eltern möglichst schnell die Kinderarztpraxis aufsuchen oder gegebenenfalls auch eine Notfallambulanz", sagt Ärztin Debrodt. Besonders gefährdet sind unter anderem Frühgeborene sowie Säuglinge mit chronischen Lungenerkrankungen, angeborenen Herzfehlern oder einem geschwächten Immunsystem. Für ausgewählte Risikogruppen empfehlen die pädiatrischen Fachgruppen ein Medikament zur Vorbeugung. Dazu ist eine intramuskuläre Injektion alle vier Wochen während der RSV-Saison erforderlich.
Behandlung und Vorbeugung
Eine Impfung oder eine ursächliche Therapie gegen eine Infektion mit
RS-Viren gibt es nicht. Jedoch überstehen auch die meisten jüngeren Kinder die
Erkrankung gut. "Eltern sollten darauf achten, dass das kranke Kind
ausreichend trinkt, damit das Sekret aus den Atemwegen besser abtransportiert
werden kann. Zudem empfehlen sich Nasenspülungen oder Nasentropfen mit
Kochsalz, um die Nase möglichst frei zu halten", rät AOK-Expertin Debrodt.
Sie weist auch darauf hin, dass Antibiotika erst dann zum Einsatz kommen
sollen, wenn sich eine bakterielle Infektion auf die virale aufsetzt.
Um Ansteckungen mit RSV zu vermeiden, sollten die allgemein bekannten
Hygienemaßnahmen eingehalten werden, wie regelmäßiges Händewaschen und Niesen
in Taschentuch oder Armbeuge. Auch wenn kein allgemeines Besuchsverbot für
Gemeinschaftseinrichtungen besteht, ist es wichtig, dass Kinder, die Zeichen
einer Infektion der Atemwege aufweisen, nicht die Kindertagesstätte oder Grundschule
besuchen. In Arztpraxen und Krankenhäusern sollten infizierte Patienten streng
von anderen Personen isoliert werden, um insbesondere Risikopersonen nicht zu
gefährden.
Text / Foto: AOK Bundesverband