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Richterhammer, 08 Uhr

Keine Hauptverhandlung gegen Polizeibeamte nach Unfalltod eines 23-jährigen

25. Juli 2018

Landgericht Oldenburg vom 23.07.2018

Landgericht sieht keinen hinreichenden Tatverdacht wegen fahrlässiger Tötung

Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Oldenburg hat durch Beschluss vom 20.07.2018 (Az. 1 KLs 37/18) die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen zwei Polizeibeamte abgelehnt, denen die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vorgeworfen hatte. Sie werden sich daher nicht vor Gericht verantworten müssen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den beiden Beamten zur Last gelegt, für den tragischen Tod eines 23-jährigen gebürtigen Iraners am 19.11.2017 zwischen Wahnbek und Rastede verantwortlich zu sein. In ihrer Anklageschrift führt die Staatsanwaltschaft aus, der junge Mann sei zuvor in einem Oldenburger Lokal mit einem Hausverbot belegt worden. Er habe sich daraufhin zur Polizeidienstelle in der Wallstraße begeben und die dortigen Beamten aufgefordert, ihm zu helfen, erneuten Zutritt zur Gaststätte zu bekommen. Nachdem die Polizeibeamten sein Anliegen zurückgewiesen hätten, habe der junge Mann angefangen, den Dienstbetrieb zu stören, weitere Beamte anzusprechen, per Telefon den Notruf zu wählen und von außen an die Scheiben des Dienstgebäudes zu schlagen. Auch nach einem Platzverweis habe sich der junge Mann nach kurzer Zeit wieder zur Polizeidienstelle begeben und darauf gedrungen, dass man ihm helfe, wieder in das Lokal zu gelangen. Die beiden von der Staatsanwaltschaft angeschuldigten 23- und 24-jährigen Polizeibeamten hätten ihn im Rahmen des sogenannten „Verbringungsgewahrsams" schließlich zu seiner Wohnanschrift bringen sollen. Sie hätten ihn daraufhin etwa 1 km von dort entfernt in Höhe des Gewerbegebiets Stubbenweg abgesetzt und ihm mitgeteilt, dass er stadteinwärts gehen müsse, um nach Hause zu gelangen. Der junge Mann sei daraufhin aber zu Fuß eine Dreiviertelstunde stadtauswärts in Richtung Rastede unterwegs gewesen und sei dabei bisweilen direkt auf der Fahrbahn der Kreisstraße 31 gegangen. Dabei sei er schließlich gegen 7:15 Uhr vom PKW einer Frau erfasst worden und habe dabei so schwere Verletzungen erlitten, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus verstorben sei. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden Polizeibeamten daher wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und ihnen vorgeworfen, dass sie den möglichen tödlichen Verlauf hätten erkennen und vermeiden können.

Die zuständige 1. Große Strafkammer des Landgerichts hat nun entschieden, dass es an dem für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdacht fehlt. In ihrem Beschluss führt die Kammer aus, dass es nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass sich der später Getötete im Zeitpunkt des Aussetzens aus dem Streifenwagen in einer hilflosen Lage befunden habe. So könne insbesondere nicht festgestellt werden, dass er durch den Genuss von Alkohol oder auf Grund anderer Umstände nicht imstande gewesen sei, als Fußgänger die Gefahren des Straßenverkehrs zu erkennen und hierauf angemessen zu reagieren. Er sei mit einer Blutalkoholkonzentration von ca. 1,50 ‰ zwar alkoholisiert gewesen; dies allein lasse allerdings keine hinreichend sicheren Schlüsse auf eine mangelnde Wegefähigkeit zu. Darüber hinaus habe der später Getötete nach den umfangreich ausgewerteten Zeugenaussagen vor dem Unfall keine entsprechenden Ausfallerscheinungen gezeigt. Er habe sich gut verständigen können, nicht gelallt und einen sicheren Stand gehabt. Darüber hinaus sei er ohne Probleme in der Lage gewesen, sein Smartphone zu bedienen, via Smartphone-App seinen Standort an einen Bekannten zu übermitteln, zu telefonieren und Sprachnachrichten zu versenden. Aus diesen Umständen zieht die Kammer auch den Schluss, dass der junge Mann verlässlich in der Lage gewesen wäre, von sich aus die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen, etwa indem er sich ein Taxi hätte rufen können. Insgesamt erscheine es angesichts der konkreten Beweislage nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Angeschuldigten in einer Hauptverhandlung der ihnen zur Last gelegten Tat überführt werden könnten.

Die Strafprozessordnung schreibt vor, dass das Gericht nach Eingang der Anklageschrift in einem Zwischenverfahren zu prüfen hat, ob gegen den oder die Angeschuldigten hinreichender Tatverdacht besteht. Dies ist der Fall, wenn nach sämtlichen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens eine spätere Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Da die Strafkammer diese Feststellung im Fall der angeschuldigten Polizeibeamten aber nicht treffen konnte, war die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht rechtskräftig. Sie kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.