DDG
warnt vor drohender Unterversorgung von chronisch und akut Erkrankten
Durch
die Umstellungen in der klinischen Versorgung zugunsten infektiologischer Maßnahmen
droht in Deutschland eine gefährliche Unterversorgung von chronisch Erkrankten
und Personen mit akuten Beschwerden. Ärztinnen und Ärzte aus der Endokrinologie
und Diabetologie beobachten derzeit einen starken Rückgang der Patientenzahlen
in Praxen, Ambulanzen sowie Notambulanzen.
Mancherorts
wurden Diabetesabteilungen sogar zugunsten der Versorgung von Patienten mit
COVID-19 geschlossen. Als Folge werden dringliche Vorsorge- und
Behandlungstermine häufig nicht nur seitens der Patienten, sondern auch seitens
der Kliniken und Praxen verschoben. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)
warnt davor, dass durch diese Entwicklung Notfallsituationen zu spät
identifiziert und Betroffene hierdurch unnötig gefährdet werden. Schwere
Unterzuckerungen, eine Ketoazidose oder ein unbehandelter diabetischer Fuß
gehen ebenso wie ein dauerhaft schlecht eingestellter Blutzucker mit
dramatischen Folgen für die Gesundheit einher.
„Der
gesundheitspolitische Fokus hat sich in den vergangenen Wochen so sehr auf die
COVID-19-Patienten gerichtet, dass nun chronisch und akut Erkrankte Gefahr
laufen, unter die Räder zu geraten“, mahnt DDG Präsidentin Professor Dr. med.
Monika Kellerer. „Die öffentliche Verunsicherung ist groß. Viele Menschen nehmen
wichtige Arzttermine nicht mehr wahr oder bleiben bei akuten Beschwerden zu
Hause – aus Rücksicht auf das Gesundheitssystem, aufgrund falsch verstandener
Ausgangsbeschränkungen oder aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus“,
betont die Ärztliche Direktorin des Zentrums für Innere Medizin I am
Marienhospital in Stuttgart.
Insbesondere
Menschen mit schlecht eingestelltem Diabetes und Diabetesfolgeerkrankungen wie
Herzkreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Polyneuropathie
und Gefäßerkrankungen hätten bei Infektionskrankheiten einen schwereren
Krankheitsverlauf als solche ohne Diabetes.
Damit
auch Menschen mit Diabetes gut durch die Corona-Pandemie kommen, sei es jetzt
besonders wichtig, dass sie eine leitliniengerechte Therapie hinsichtlich ihrer
Stoffwechseleinstellung und ihrer Folgeerkrankungen erhielten. „Als
Endokrinologin mache ich mir zudem Sorgen um Menschen mit Hypophysen- und
Nebennierenerkrankungen, da diese besonders schnell im Rahmen von
Infektionserkrankungen in lebensbedrohliche Notfallsituationen wie etwa eine
Addison-Krise gelangen können“, führt Kellerer aus.
Morbus
Addison-Patienten erleiden in diesem Fall schwere Kreislaufstörungen, die bis
zum Koma führen können. „Zwar sind insbesondere im internistischen Bereich noch
Ressourcen durch schwere COVID-19-Fälle gebunden. Doch wir halten weiterhin
ausreichend Kapazitäten vor, Patienten mit anderen internistischen Erkrankungen
und Beschwerden effektiv zu versorgen“, ermuntert Kellerer. Sie fordert dazu
auf, Krankheitssymptome ernst zu nehmen. Insbesondere mehrfacherkrankte
Diabetespatienten sollten bei schlechten Blutzuckerwerten oder Veränderungen
des Gesundheitszustandes umgehend ärztliche Hilfe ersuchen.
Denn
ein unzureichend kontrollierter Diabetes kann schwere gesundheitliche Folgen
haben. „Liegt beispielsweise der HbA1c-Wert über einen längeren Zeitraum nur
etwa zwei Prozentpunkte über dem Therapieziel, steigt das Risiko für
Folgeerkrankungen erheblich an“, warnt DDG Mediensprecher Professor Dr. med.
Baptist Gallwitz. Umgekehrt stellen schwere Hypoglykämien für Diabetespatienten
eine unterschätzte akute Gefahr dar. Durch eine so genannte Ketoazidose kann
der Betroffene ins Koma fallen.
Kellerer gibt schließlich zu bedenken, dass es noch ein Jahr und länger dauern könne, bis eine ausreichende Durchseuchung der Bevölkerung erfolgt sei und/oder ein Impfstoff zur Verfügung stehe. Bis dahin könne man die chronischen Erkrankungen nicht un- oder unterversorgt lassen. Gerade bei Diabetes könne eine zunächst harmlos aussehende Infektion am Fuß bei Verschleppung der Behandlung eine spätere Amputation zur Folge haben. Deshalb sei eine umsichtige Rückkehr zu einer gewissen Normalität in der Patientenversorgung geboten.
Die
DDG weist darauf hin, dass Fachärztinnen und -ärzte aus der Endokrinologie und
Diabetologie weiterhin für die Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen
und entsprechende Ressourcen vorhalten.
„Damit
Menschen mit Diabetes möglichst gut durch die Corona -Pandemie kommen, raten
wir dringend zur Einhaltung wichtiger Kontroll- und Behandlungstermine.
Andernfalls droht ein schwerer Verlauf bei Infektionserkrankungen wie COVID-19
und auch ein Anstieg an akuten und chronischen Diabeteskomplikationen“, betont
Kellerer.
Text:
DDG – Deutsche Diabetes Gesellschaft