Nicht
alle Zahnfehlstellungen müssen sofort behandelt werden - Wissenschaftler
fordern bessere Aufklärung der Eltern -
Kieferorthopädische Mehrleistung oftmals nicht notwendig
Über
die Studie
Jedes
zweite siebenjährige Kind in Deutschland bekommt bis zu seinem 18. Lebensjahr
eine Zahnspange. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie unter der Leitung
des Sozialwissenschaftlers Dr. Bernard Braun (Universität Bremen) und des
Greifswalder Kieferorthopäden Dr. Alexander Spassov im Auftrag der hkk
Krankenkasse.
Nicht
alle Zahnfehlstellungen müssen sofort behandelt werden
Ob
eine Korrektur in jedem Fall sofort notwendig ist, stellt der Kieferorthopäde
Dr. Spassov in Frage: „Wir wissen bereits aus der Langzeitstudie Dimberg et
al.1, dass beispielsweise ein einseitiger Kreuzbiss2 bei jüngeren Kindern
häufiger festgestellt wird als bei älteren. Dieser Rückgang spricht für eine
Spontankorrektur.“ Die aktuelle hkk-Studie bestätigt diese Hypothese. Im Rahmen
der Untersuchung stellten die Wissenschaftler fest, dass der Anteil der Kinder
mit einseitigem Kreuzbiss von 32 % bei den 7-jährigen auf 10,4 % bei den
11-jährigen, also um 67,5 % zurückgeht.
Wissenschaftler
fordern bessere Aufklärung der Eltern
Der
Sozialwissenschaftler Dr. Braun fordert deshalb, dass Eltern im Fall dieser
Indikation über die Möglichkeit einer Selbstkorrektur ohne kieferorthopädisches
Zutun informiert werden müssen. Es stelle sich vor diesem Hintergrund nun nicht
mehr die Frage, „Behandlung ja oder nein“, sondern: „Sofort Behandeln oder erst
einmal Abwarten und Beobachten bis die Kinder 11 Jahre alt sind“.
Kieferorthopädische
Mehrleistung oft nicht notwendig
Zudem
kritisieren Braun und Spassov kostspielige Mehrleistungen, die direkt mit dem
Kieferorthopäden abgerechnet werden. Dazu gehören beispielsweise optisch
unauffälligere oder bessere Brackets. Diese haben, so Spassov, oftmals keinen
wissenschaftlich nachgewiesenen Nutzen. Es fehle an Orientierungshilfen, um
deren medizinische Notwendigkeit bewerten und eine wirtschaftliche
Verhältnismäßigkeit abschätzen zu können: „Hierbei brauchen wir dringend mehr
Transparenz und eine unabhängige Bewertungsinstanz, die es Eltern ermöglicht,
den medizinischen Nutzen von Zusatzleistungen richtig einordnen zu können“,
sagt Dr. Braun.
Über
die Studie
Für
die aktuelle Studie wurden die Daten von 2.920 bei der hkk-versicherten Kinder
und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr analysiert, die im Jahr
2018 einen Kieferorthopädischen Behandlungsplan erhielten. Der aktuelle Bericht
ist zu finden unter: www.hkk.de/infomaterial/hkk-gesundheitsreport
In
der Untersuchungsgruppe sind 54, 8 % Mädchen und 45,2 % Jungen, die überwiegend
aus Niedersachsen (48,4 %), Bremen (11,5 %) und Nordrhein-Westfalen (10,4 %)
stammen. Die meisten Kinder und Jugendliche waren bei Beginn der Behandlung
zwischen 10 und 14 Jahre alt (69,4 %). In dieser Studie werden erstmals in
Deutschland die kompletten kieferorthopädischen Behandlungsverläufe für eine
Untersuchungsgruppe über einen Zeitraum von vier Jahren systematisch erfasst
und ausgewertet. Für das Jahr 2023 ist ein Abschlussbericht geplant.
Text:
hkk Krankenkasse