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Max-Planck-Institut Magdeburg: Vermehrung von Zikaviren im Labor geglückt

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts Magdeburg schaffen wichtige Voraussetzung für weitere Studien mit dem Virus und für die Produktion von Impfstoffen.

3. Mai 2017

Kurz vor den Olympischen Spielen 2016 in Brasilien war die Ausbreitung des Zikavirus in aller Munde. Eine Zeitlang stand sogar eine Verschiebung der Spiele zur Diskussion. Seit die Folgen einer Infektion insbesondere für Schwangere und ihre Neugeborenen bekannt wurden, arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an Impfstoffen gegen den Erreger. Forscher am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg haben nun gemeinsam mit einem Forscherteam der Universidade Federal do Rio de Janeiro erstmalig Zikaviren in größeren Mengen im Labor vermehrt – eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung immunologischer Studien, die Entwicklung von Diagnostika und die Produktion von Impfstoffen.

Seit den 1950ern wurden Infektionen mit dem Zikavirus vereinzelt aus Afrika bekannt. Bis vor
ein paar Jahren war das Virus entsprechend nur in Fachkreisen ein Begriff. In den letzten zehn
Jahren hat sich das Zikavirus jedoch von Afrika über die pazifischen Inseln in Mittel- und
Südamerika sowie in Südflorida ausgebreitet. Der Erreger wird von der heute auch dort
vorkommenden Ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti) übertragen. Heute kommt das Virus in
rund 60 Ländern vor. Während die afrikanische Bevölkerung über die Zeit eine Art
Grundimmunität erworben zu haben scheint und die Krankheit dort in der Regel eher mild
verläuft, besitzen die Menschen außerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebiets des Virus
keine natürliche Immunität.

Eine Impfung gegen das Zikavirus gibt es bislang nicht. Wenn eines
Tages ein wirksamer Impfstoff gefunden ist, muss er auch in großem
Maßstab produziert werden können, um die Menschen in den
betroffenen Regionen versorgen zu können. Dies kann zum Beispiel
durch eine Vermehrung der Viren in lebenden Zellen geschehen. Auf
diese Weise könnten dann abgeschwächte oder inaktivierte
Viruspartikel als Impfstoff gewonnen werden.

Bislang wird das afrikanische und brasilianische Zikavirus meist in
Nierenzellen von Grünen Meerkatzen (Vero Zellen) sowie Zellen von
Aedes albopictus-Mückenlarven vermehrt. Stattdessen nutzten die
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut in Magdeburg eine adhärente BHK-21 Zelllinie (Baby
Hamster Kidney), die bereits seit Jahren erfolgreich für die Produktion von Veterinärimpfstoffen
eingesetzt wird. Zusammen mit dem Unternehmen IDT Biologika aus Dessau-Roßlau
adaptierten die Wissenschaftler die Zellen an ein Wachstum in flüssigem Medium, so dass
diese ohne Bedarf an eine Anheftungsoberfläche in Bioreaktoren vermehrt werden können.
Da sich die adaptierte BHK-21 Zelllinie zur Vermehrung der Zikaviren sehr gut eignete,
infizierten die Forscher aus Magdeburg zusammen mit dem Forscherteam um Prof. Amilcar
Tanuri aus Rio de Janeiro die Zellen mit verschiedenen Zikavirus-Isolaten aus Südamerika. Es
zeigte sich zunächst, dass nicht mit allen Virusisolaten gleich hohe Virusausbeuten erreicht
werden konnten. Mit einem Virusisolat aus dem brasilianischen Bundesstaat Pernambuco
erzielten sie die höchste Ausbeute.

Die Wissenschaftler stellten weiter fest, dass die Viren zum größten Teil in den Wirtszellen
verblieben und nicht ausgeschleust wurden. Um die Erreger ernten zu können, müssen die
Zellen folglich zuerst zerstört und die Viruspartikel so freigesetzt werden.

Flaviviren, zu denen auch die Zikaviren gehören, bilden in den derzeit verfügbaren Zellkulturen
nur rund zehn infektiöse Partikel pro Zelle. Im Vergleich dazu können Grippeviren bis zu 20.000
Viruspartikel pro Zelle erreichen (davon mehrere hundert infektiöse Viruspartikel pro Zelle).
Damit Flavivirus-Impfstoffe effektiv hergestellt werden können, benötigt man also entweder
produktivere Zelllinien oder Prozesse zur Herstellung von sehr hohen Zellkonzentrationen.
Letzteres ist den Forschern in den vergangenen Monaten gelungen. Nun können in
sogenannten Hochzelldichtekultivierungen bis zu sechsmal höhere Zellkonzentrationen als in
herkömmlichen Prozessen erzeugt werden.

Ein Filter sorgt dabei dafür, dass die Zellen und die
Viren im Reaktor bleiben, während das benutzte
Medium ausgetauscht wird. In dem Bioreaktor lassen
sich Temperatur, Sauerstoff, und pH-Wert kontrollieren
und so einstellen, dass sich die Viren optimal vermehren
können. Nach knapp zwei Wochen konnten die
Wissenschaftler fast 40 Millionen infektiöse Viren pro
Milliliter ernten. Dies ist ausreichend für eine Vielzahl
von virologischen Studien.

Vor dem Einsatz von BHK-21 Zellen als Substrat zur Produktion von Impfstoffen für den
Menschen sind weitere Studien nötig, auch wenn sie in der Tiermedizin ohne Probleme
eingesetzt werden. Aber dank der neuen Erkenntnisse zur Virusvermehrung können Forscher
nun weitere epidemiologische und virologische Studien zum Zikavirus durchführen.


Bildunterschriften:

Grafik: Schematische Darstellung eines Zikavirus-Partikels. Die Virushülle hat einen
Durchmesser von 50 Nanometern. Sie enthält das Viruserbgut aus RNA. Auf der Oberfläche
befinden sich Hüllproteine (gelb), mit Zuckerresten versehene Moleküle (blau) und darunter
liegende Membranproteine. Die Proteine spielen eine wichtige Rolle, unter anderem bei der
Virusinfektion und der Immunantwort.

Bildquelle: Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg

Foto: Versuchsaufbau zur Hochzelldichtekultivierung für die Produktion von Zikaviren im 3-
Liter-Bioreaktor im Labor des Kooperationspartners, der Abteilung Molekulare Virologie an der
Universidade Federal do Rio de Janeiro. Die Steuereinheit (links im Bild) kontrolliert und regelt
wichtige Prozessparameter im Bioreaktor (Mitte). Die beiden Pumpen unterhalb des Bioreaktors
dienen zur kontinuierlichen Zugabe von frischem Medium und zur kontinuierlichen Entnahme
des verbrauchten Mediums. Das alte Medium wird über die Hohlfasermembran (rechts)
abgezogen, während die Zellen und das Zikavirus im Bioreaktor zurückgehalten werden.
Bildquelle: Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg /
Alexander Nikolay