Berlin
(ots). Um die Versorgung von Patienten mit schweren chronischen Schmerzen
sicherzustellen, fordert die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) die Einführung des Facharztes für Schmerzmedizin. Auch durch
eigene Aktivitäten trägt die Fachgesellschaft zu einer kontinuierlichen
Verbesserung der Versorgungsstrukturen und der Versorgungsqualität bei. Dazu
gehören Angebote zur Fort- und Weiterbildung, wie z. B. im Rahmen des Deutschen
Schmerz- und Palliativtages, der im März online stattfinden wird. Wichtige
Erkenntnisse zur Verbesserung der schmerzmedizinischen Versorgung liefert die
Versorgungsforschung auf Basis des PraxisRegisters Schmerz. Damit definiert die
DGS zentrale Meilensteine für
eine bessere Versorgung von Schmerzpatienten.
"Das
wichtigste Ziel der Deutschen Gesellschaft für
Schmerzmedizin ist es, in den kommenden Jahren die Einführung des Facharztes für Schmerzmedizin zu erreichen", sagte Dr.
Johannes Horlemann, Präsident der DGS bei der Online-Pressekonferenz zum
Jahresauftakt. Dafür ist die
Fachgesellschaft kontinuierlich im Gespräch mit Politikern, Kostenträgern und
Verbänden. Aktuell versorgen rund 1.320 ambulant tätige Schmerzmediziner die
zunehmende Zahl an Schmerzpatienten. Für
eine flächendeckende Versorgung der 3,9 Millionen Menschen, die in Deutschland
unter schwersten chronischen Schmerzen leiden, wären aber mindestens 10.000
ausgebildete Schmerzmediziner nötig. Doch die Bedarfsplanung orientiert sich an
den Facharztbezeichnungen. Das führe
dazu, so Horlemann, dass z. B. der Praxissitz eines vorwiegend
schmerzmedizinisch tätigen Neurologen mit einem Neurologen nachbesetzt werden
kann, der keine schmerzmedizinische Erfahrung mitbringt. Die Patienten dieser
Praxis müssen sich dann einen neuen
Arzt suchen, wenn ihr behandelnder Schmerzmediziner in Rente geht.
ENDLICH
LEBEN - Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2022 - ONLINE
Um
die Entwicklung der schmerzmedizinischen Versorgung unabhängig davon
voranzubringen, setzt sich die DGS durch ein kontinuierliches Angebot von Aus-
und Weiterbildungen für einen
hohen Qualitätsstandard in der Schmerzmedizin ein. Zur Unterstützung von Ärzten entwickelt und veröffentlicht sie
zudem PraxisLeitlinien und -Leitfäden. Der zentrale Kongress, der sich der
schmerzmedizinischen Fortbildung widmet, ist der jährliche Deutsche Schmerz-
und Palliativtag. In diesem Jahr lautet das Motto "ENDLICH LEBEN!"
"Damit beziehen wir uns einerseits auf die Endlichkeit des Lebens und den
hohen Stellenwert der Palliativmedizin am Ende des Lebens. Andererseits möchten
wir damit aber auch den nachvollziehbaren Wunsch von Schmerzpatienten betonen,
ein normales Leben führen zu
können", sagte Norbert Schürmann,
Vizepräsident der DGS und gemeinsam mit Dr. Johannes Horlemann Tagungspräsident
des Schmerz- und Palliativtages 2022. Das übergreifende
Thema des Kongresses bleibt - wie in den Vorjahren - "Individualisierung
statt Standardisierung".
Passend
zum palliativmedizinischen Schwerpunkt des Kongresses in diesem Jahr kooperiert
die DGS mit der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). Im Rahmen der
Symposien wird es einen intensiven Austausch zu Versorgungs- und
Therapiekonzepten geben. Auch das Thema "ärztlich assistierter Suizid"
soll aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werden. Weitere Highlights beim
Schmerz- und Palliativtag 2022, der online stattfindet, sind der
Exzellenz-Vortrag mit Dr. Eckart von Hirschhausen "Wo tut es richtig weh?
Schmerztherapie und Palliativmedizin in Zeiten von Pflegemangel, Pandemie und
Klimakrise", ein Symposium zu verschreibungspflichtigen Apps, die
Verleihung des Deutschen Schmerzpreises sowie das gesundheitspolitische
Symposium, in dem es um die Erwartungen der Schmerzmedizin an die neue Bundesregierung
gehen wird.
Versorgungsforschung
mit dem PraxisRegister Schmerz
Ein
weiterer zentraler Baustein, um die schmerzmedizinische Versorgung von Menschen
mit einer chronischen Schmerzerkrankung zu optimieren, ist die
Versorgungsforschung auf Basis von Routinedaten der Regelversorgung. Dazu wurde
2014 das PraxisRegister Schmerz ins Leben gerufen. Inzwischen umfasst es Daten
aus 353.056 Behandlungsfällen (Stichtag 31.12.2021). Damit ist es die weltweit
umfangreichste Datenbank mit Informationen zu den Ursachen, Auslösern,
Beschwerden und Behandlungsformen von Menschen mit chronischen Schmerzen.
"Das Register folgt der Philosophie des 'besser heilen durch Daten teilen'
des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen und erlaubt nicht nur
zielgerichtete Evaluationen von Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedenster
therapeutischer Maßnahmen und Verfahren unter Alltagsbedingungen, sondern auch
spezifischer schmerzmedizinischer Krankheitsbilder und deren Auswirkungen auf
die davon Betroffenen", erläuterte PD Dr. Michael A. Überall,
Vizepräsident der DGS.
Am
Beispiel des Fibromyalgieprojektes, einer industrie-unabhängigen Auswertung im
Auftrag der DGS, zeigte Überall bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz, welche
Erkenntnisse das PraxisRegister möglich macht: Ziel des Projektes ist es,
Einblicke in die Epidemiologie und die biopsychosozialen Beeinträchtigungen von
Patienten mit Fibromyalgie zu erhalten. Die Identifizierung entsprechender
anonymisierter Patientenfälle erfolgte retrospektiv auf Basis international
etablierter diagnostischer Parameter. Insgesamt 15.211 Patienten (von 330.234
Fällen zum Stichtag 30.06.2021) mit Fibromyalgie wurden identifiziert und
analysiert.
Überproportionale
Belastung von Fibromyalgiepatienten
Erste
Ergebnisse der Auswertung sind zum Teil überraschend:
Obwohl die Fibromyalgie als eine Erkrankung gilt, die vorwiegend Frauen
betrifft, sind 14,3 Prozent der identifizierten Patienten Männer. Besonders
auffällig sind die im Vergleich zur Gesamtpopulation des Registers überproportional auftretenden
psychischen Belastungen dieser Patienten. Patienten mit Fibromyalgie leiden der
Analyse zufolge deutlich häufiger unter schwerwiegenden Einschränkungen der
Lebensqualität und Schlafstörungen als andere im PraxisRegister Schmerz
erfasste Patienten mit chronischen Schmerzen. Besonders deutlich ist der
Unterschied im Hinblick auf Suizidgedanken. Während von den Patienten mit
Fibromyalgie 15,7 Prozent Suizidgedanken angeben, sind es in der
Gesamtpopulation 1,3 Prozent.
Weitere
Auswertungen sind geplant. "Perspektivisch möchten wir mit diesen
Erkenntnissen dazu beitragen, das Phänomen Fibromyalgie besser zu verstehen, um
darauf aufbauend Betroffenen im Versorgungsalltag besser helfen zu
können", so das Fazit von Überall. Diese Analyse aus dem PraxisRegister
Schmerz zeige beispielhaft Möglichkeiten auf, die sich durch eine systematische
Erfassung und Bereitstellung anonymisierter Patientendaten aus dem Praxisalltag
ergeben. Eine epidemiologische Evaluation unterschiedlichster
Schmerzerkrankungen könne letztendlich die Versorgung von Schmerzpatienten
verbessern.
Weiterführende Links: www.dgschmerzmedizin.de
Die
Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin e.V. (DGS) ist mit rund 4.000 Mitgliedern und 120 Schmerzzentren
die führende Fachgesellschaft zur
Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen. In enger Zusammenarbeit mit
der Deutschen Schmerzliga e. V. ist es ihr vorrangiges Ziel, die Lebensqualität
dieser Menschen zu verbessern - durch eine bessere Diagnostik und eine am
Lebensalltag des Patienten orientierte Therapie. Dafür arbeiten die Mitglieder der DGS tagtäglich in
ärztlichen Praxen, Kliniken, Schmerzzentren, Apotheken, physiotherapeutischen
und psychotherapeutischen Einrichtungen interdisziplinär zusammen. Der von der
DGS gestaltete jährlich stattfindende Deutsche Schmerz- und Palliativtag zählt
seit 1989 auch international zu den wichtigen Fachveranstaltungen und
Dialogforen. Aktuell versorgen etwa 1.321 ambulant tätige Schmerzmediziner die
zunehmende Zahl an Patienten. Für
eine flächendeckende Versorgung der rund 3,9 Millionen schwerstgradig
Schmerzkranken wären mindestens 10.000 ausgebildete Schmerzmediziner nötig. Um
eine bessere Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen zu erreichen,
fordert die DGS ganzheitliche und bedürfnisorientierte
Strukturen - ambulant wie stationär - sowie eine grundlegende Neuorientierung
der Bedarfsplanung.
Text
/ Foto: Deutsche Gesellschaft für
Schmerzmedizin e.V. - news aktuell / pixabay