Onkologische
Versorgung während der COVID-19-Pandemie: Warnung vor einer Bugwelle an zu spät
diagnostizierten Krebsfällen
Bonn/Heidelberg/Berlin
– Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Deutsche Krebshilfe und die
Deutsche Krebsgesellschaft hatten Mitte März ein gemeinsames Frühwarnsystem
aufgebaut, um Veränderungen in der onkologischen Versorgung während der
COVID-19-Pandemie zu beobachten. Das aktuelle Fazit: Bislang mussten
Krebspatienten im Regelfall keine bedrohlichen Versorgungsengpässe befürchten,
doch Einschränkungen durch die Krisensituation sind spürbar.
Besonders
besorgt ist die „Task Force“ der drei Institutionen über ausgesetzte
Abklärungs- und Früherkennungsuntersuchungen. Auch Patienten selbst entscheiden
sich häufig gegen den Arztbesuch: So kann sich eine Bugwelle an zu spät
diagnostizierten Krebsfällen aufbauen.
„Grundsätzlich
war die onkologische Therapie in Deutschland während der COVID-19-Pandemie bisher
gesichert und wir konnten keine bedrohlichen Versorgungsengpässe für
Krebspatientinnen und -patienten feststellen“, sagt Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender
der Stiftung Deutsche Krebshilfe. „Doch wir erkennen inzwischen auch, dass das
Versorgungssystem spürbar gestresst ist und die Einschränkungen aufgrund der
Krisensituation negative Auswirkungen für Krebspatienten haben können.“
Über
das Frühwarnsystem wurden der Task Force Einschränkungen in mehreren Bereichen
der onkologischen Versorgung gemeldet. Soweit klinisch vertretbar, wurden
Behandlungsschemata auch verkürzt oder verschoben. Insbesondere
Nachsorgeuntersuchungen wurden vielfach ausgesetzt. Der Krebsinformationsdienst
KID des DKFZ und das INFONETZ KREBS der Deutschen Krebshilfe erhalten auch
Kenntnis von Einzelfällen, in denen eine dringlichere Behandlung verschoben
wurde. Gravierende Einschränkungen in allen Teilen Deutschlands erkennt die
Task Force bei den Abklärungen von Krebserkrankungen und
Früherkennungsuntersuchungen. Vielfach vermeiden die Patienten selbst aus
Furcht vor einer Ansteckung mit dem Virus den Arztbesuch.
„Ein
Aussetzen von Früherkennungs- und Abklärungsmaßnahmen ist nur über einen kurzen
Zeitraum tolerierbar, sonst werden Tumoren möglicherweise erst in einem
fortgeschrittenen Stadium mit dann schlechterer Prognose erkannt“, sagt
Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen
Krebsforschungszentrums, und ergänzt: „Wir beobachten derzeit, dass Menschen
Symptome nicht ärztlich abklären lassen. Patienten sollten sich aber nicht
scheuen, auch während der COVID-19-Pandemie Ärzte und Krankenhäuser
aufzusuchen.“
Die
Task Force rät allen Patienten, Untersuchungstermine zur Abklärung verdächtiger
Symptome und eventuell verschobene Therapien unbedingt so bald wie möglich
wahrzunehmen. „Wir empfehlen auch, die Kapazitäten zur Abklärung und Therapie
von Krebserkrankungen im regionalen Bereich durch Leitstellen zu koordinieren,
die idealerweise an die großen Krebszentren angegliedert sind,“ sagt Professor
Dr. Olaf Ortmann, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. „Patienten könnten
die Leitstellen dann über spezielle Hotlines erreichen.“ Sollten Patienten
weitere Unterstützung brauchen, empfiehlt die Task Force, die
Krebsinformationsdienste des DKFZ, der Deutschen Krebshilfe oder der
Landeskrebsgesellschaften zu kontaktieren, die weiterhelfen können.
Die
wöchentliche Auswertung der Task Force beruht auf der systematischen Befragung
von 18 führenden Krebszentren in Deutschland. Weitere Onkologische Zentren
werden ab sofort in die künftige Erhebung einbezogen. Darüber hinaus gehen
Patientenrückmeldungen über die Krebsinformationsdienste in die Auswertung ein.
Der
Krebsinformationsdienst des DKFZ (0800 - 420 30 40,
krebsinformationsdienst@dkfz.de) und das INFONETZ KREBS der Deutschen
Krebshilfe (0800 - 80 70 88 77, krebshilfe@infonetz-krebs.de) stellen seit
Beginn der COVID-19-Pandemie zusätzliche Informationen für Krebspatienten zur
Verfügung. Beide Dienste haben ihre Kapazitäten verstärkt, um den derzeitigen
Ansturm von Nachfragen bewältigen zu können.
Text
/ Foto: Stiftung Deutsche Krebshilfe