header-placeholder


image header
image
Stolpersteinverlegung Magdeburg 2017

Stolpersteinverlegung zum Gedenken an ermordete Magdeburger Homosexuelle

Lesung und Vortrag mit dem Historiker Dr. Jens Dobler



Magdeburg. Am 28. September 2017 werden in der Landeshauptstadt Magdeburg auf Initiative des LSVD Sachsen-Anhalt in Kooperation mit der Stolpersteininitiative Magdeburg zwei weitere Stolpersteine zum Gedenken an zwei von den Nationalsozialisten ermordete Homosexuelle aus Magdeburg verlegt. Aus den zahlreichen uns auf Grund der Forschungen des Historikers Rainer Hoffschildt aus Hannover bekannten Namen ermordeter Magdeburger Homosexueller hat der LSVD für dieses Jahr die Ermordeten Joseph Schnetz und Wilhelm Krüger ausgewählt.

Joseph Schnetz wurde erstmalig 1937 wegen Vergehens gegen §175 verurteilt. 1938 verurteilte ihn ein Gericht in Magdeburg nochmals wegen „widernatürlicher Unzucht“, diesmal aber auch wegen Erpressung und Vergehens gegen das Heimtückegesetz. Letzteres bedeutete, dass er sich abfällig über Nazi-Größen oder die NSDAP geäußert hatte. Die Strafe „Schwerstarbeit im Moor“ verbüßte er in den Strafgefangenenlagern Neusustrum im Emsland und Rodgau in Hessen. Auf Anweisung der Polizei Magdeburg entließ man ihn nach verbüßter Strafe 1941 nicht in die Freiheit, sondern überführte ihn in das KZ Buchenwald, wo man ihn in die Gruppe der §175-Häftlinge einstufte und wie fast alle Homosexuellen zu besonders schwerer Arbeit einteilte, die er im Kommando 53 im Steinbruch erleiden musste. Joseph Schnetz verstarb am 11. April 1942 im KZ Buchenwald im Alter von 41 Jahren angeblich an einer Erkrankung der Atemwege, tatsächlich aber doch wohl an den Strapazen der jahrelangen Haft und Zwangsarbeit und der chronischen Unterversorgung im KZ.

2002 hob der Deutsche Bundestag pauschal die NS-Verurteilungen nach §175 in der NS-Fassung von 1935 auf. Rückblickend war er also jahrelang zu Unrecht in Haft gewesen.

Wilhelm Krüger wurde 1939 in Magdeburg verhaftet und von der Polizei Magdeburg zunächst in Untersuchungshaft wegen Verstoßes gegen §175 StGB genommen. Er hatte keine Vorstrafen. Vom Landgericht Magdeburg wurde er zu drastischen drei Jahren Zuchthaus, vermutlich aufgrund §175a StGB, verurteilt und am 21. Dezember 1939 in das Zuchthaus Coswig in Anhalt transportiert. Nach Strafverbüßung wurde er nicht in die Freiheit entlassen sondern zunächst in das KZ Buchenwald, später in das KZ Dachau eingelie­fert. 1942 kam er von Dachau aus auf einen „Invalidentransport“ mit unbe­kanntem Ziel. Es gab solche Transporte für nicht mehr arbeitsfähige und kranke Häft­linge z. B. von Dachau in das Schloss Hartheim, wo die Häftlinge vergast wurden. Seine nachfolgenden Todesdaten sind zumindest unsicher, wenn nicht gar gefälscht, um die Mörder zu schützen. Er starb angeblich am 20. November 1942 im KZ Dachau an Verdauungsproblemen im Alter von 48 Jahren. Nur rund sieben Monate hatte er das KZ-System der Nazis überlebt. Tatsächlich starb er aber doch wohl durch die Strapazen der Haft und die Unterversorgung im KZ.

Zeitpunkte der Verlegung der Stolpersteine:

Um 17.00 Uhr beginnt die Verlegung des Stolpersteins für Joseph Schnetz an seiner letzten Wohnadresse Hohepfortestr. 6 (Alte Neustadt), gegen 17.30 Uhr erfolgt dann die Stolpersteinverlegung für Wilhelm Krüger in der Bernburger Str. 6 (Buckau).

Zur Beachtung: Beide Verlegeorte liegen so weit auseinander, dass für die Begleitung beider Verlegungen die Nutzung von ÖPNV oder Kfz notwendig ist.

Im Anschluss lädt der LSVD Sachsen-Anhalt zu einem die Stolpersteinverlegung begleitenden Vortrag mit Dr. Jens Dobler in das

Regenbogencafé des LSVD Sachsen-Anhalt

(39112 Magdeburg, Schäfferstr. 16)

am Donnerstag, den 28.09.2017 um 19.00 Uhr

„Die Kriminalgeschichte des § 175 (R)StGB“

Unter den Opfern der NS-Diktatur nehmen die Homosexuellen bis heute einen besonderen Platz ein. Im Unterschied zu anderen von den Nazis zu Hauptfeinden erklärten Bevölkerungsgruppen wurden sie schon vor 1933 verfolgt, aber auch nach 1945 weiter kriminalisiert. Über ihre Situation, über das Schicksal der Männer, die in das Visier von Gestapo und Kripo gerieten, von Gerichten verurteilt, in Gefängnisse und Zuchthäuser, auch in KZ eingeliefert wurden, ist in der Öffentlichkeit noch immer wenig bekannt. Der Vortrag behandelt die Fragen, wann und warum der § 175 in das Strafgesetzbuch kam, wie er verschärft und reformiert wurde und wie sich die Entschädigungen gestalten werden.

Lesung/Vortrag und Verlegung der Stolpersteine mit freundlicher Unterstützung des

Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt

Eintritt frei



Dr. Jens Dobler geb. 1965, promovierte an der Technischen Universität in Neuerer Geschichte über die Homosexuellenverfolgung durch die Berliner Polizei zwischen 1848 und 1933. Studium der Erziehungswissenschaften, Psychologie und Neueren Geschichte. Bevor er sich der Geschichtsforschung zuwandte, arbeitete er viele Jahre als Wissenschaftsjournalist über antischwule Gewalt. Von 2010 bis 2015 war er Archiv- und Bibliotheksleiter des Schwulen Museums, heute leitet er die Polizeihistorische Sammlung im Polizeipräsidium Berlin.