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TV-Tipp-News: Das Gebet • phoenix • ab 21.40 Uhr • Dokumentation

21. Oktober 2022

"Das Gebet" erzählt ganz wie das Buch von Swetlana Alexijewitsch nicht von Tschernobyl, sondern vom Leben in Tschernobyl, damals und heute. Noch heute sind die Folgen weltweit zu spüren, doch wissen wir wenig über die Überlebenden und wie diese mit ihren Erinnerungen zurechtkommen. Ihr vielstimmiges Klagelied soll die Zuschauer dazu anregen, das menschliche Dasein zu hinterfragen.

Der Atomunfall in Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 im ukrainischen Lenin-Kernkraftwerk, in der einstigen Sowjetunion. 18 Tage sollte es dauern, bis der glühende Reaktor gelöscht war. Rund 600.000 Arbeiter kamen als „Liquidatoren” aus der Ukraine, aus Weißrussland, Lettland, Litauen und Russland, um die umliegenden Gebiete zu dekontaminieren und von den verstrahlten Trümmern zu befreien. 60.000 von ihnen starben unmittelbar nach dem Einsatz, knapp 200.000 trugen lebenslange Krankheiten davon.

Die Katastrophe von Tschernobyl steht als Super-GAU auf der siebten und höchsten Stufe der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse, ganz wie der Unfall in Fukushima von 2011. Vor Fukushima gab es bereits ein Buch. Das Buch der nobelpreisgekrönten weißrussischen Journalistin und Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, „Tschernobyl: Eine Chronik der Zukunft”. In diesem vielstimmigen Werk hat Alexijewitsch mit vielen Zeugen des Geschehens und unmittelbar Betroffenen gesprochen und deren Erinnerungen aufgezeichnet und literarisch verarbeitet. Sie spricht nicht nur über die Folgen der Atomkatastrophe, sondern auch über die Natur, die Erde, den Menschen als selbsternannten Gott, über Zukunftsängste und Zuversicht, Glauben und Liebe.

In seinem Film „Das Gebet” hat der luxemburgische Filmemacher Pol Cruchten diese Texte nun zu eindringlichen und psychologischen Porträts verdichtet. Er zitiert größtenteils Alexijewitschs Buch und gibt den Betroffenen dabei Gesichter. Seine feinfühlig ausgewählten Protagonisten stehen stellvertretend für die Zeitzeugen. Entstanden ist ein hoch visueller, sensibler Porträtfilm, der in ästhetischen, festen Einstellungen die passenden Stimmungen kreiert und die Erinnerungen nachinszeniert. Seine Protagonisten stehen stellvertretend für die Zeitzeugen aus Alexijewitschs Buch.

Dabei ist der Dokumentarfilm bewusst subjektiv gehalten, um die ganz persönlichen Schicksale zu verstehen, aus denen die Wirklichkeit in Tschernobyl besteht. Für viele ist Tschernobyl bereits Geschichte, weit entfernte Geschichte, in einem weit entfernten Land. Oft vergisst man, dass Tschernobyl hier und heute fortlebt. Doch die Wunden der Vergangenheit müssen heilen, um positiv in die Zukunft zu blicken.


Text / Foto: phoenix