Berlin (ots). Künstliche Kniegelenke einsetzen oder
Bauchspeicheldrüsenkrebs entfernen: Solch komplizierte Operationen führten
sechs Berliner und zwölf Brandenburger Kliniken im Jahr 2017 in geringerer
Anzahl durch als gesetzlich vorgeschrieben ist.
Das hat eine Analyse der jüngsten verfügbaren
Qualitätsberichte aller regionalen Krankenhäuser durch das Nachrichtenportal
rbb|24 und das rbb-Verbrauchermagazin SUPER.MARKT ergeben. Viele der
betroffenen Kliniken geben an, dass für sie Ausnahmeregelungen gelten.
Gesetzlich vorgeschrieben sind Mindestmengen für sechs besonders schwere
Operationen. Sie sollen sicherstellen, dass OP-Teams und Intensivstationen
ausreichend Erfahrung mit diesen Eingriffen haben. In Berlin und Brandenburg
betraf die Vorgabe im Jahr 2017 laut rbb-Datenanalyse rund 10.600 durchgeführte
Operationen. Rund 200 dieser Eingriffe wurden in Krankenhäusern durchgeführt,
die die Mindestmengen-Vorgaben nicht erreichten. In solchen Krankenhäusern
kommt es bei der jeweiligen Operation laut Studien im Schnitt deutlich häufiger
zu Komplikationen und auch Todesfällen.
Fast doppelt so hohes Sterberisiko bei schwerer
Pankreas-OP
Besonders erhöht ist das Sterberisiko beim
Pankreas-Karzinom, besser bekannt als Bauchspeicheldrüsen-Krebs. In
spezialisierten Pankreas-Zentren, wo routinierte Operateure behandeln, sterben
laut einer Langzeitstudie im Schnitt 6,5 Prozent der Patienten. In
Krankenhäusern, die unter der Mindestmenge bleiben, sterben im Schnitt 11,5
Prozent - das ist fast jeder achte Patient. "Das ist viel zu hoch für
diese Operation, und das ist ethisch nicht vertretbar", kommentiert Prof.
Michael Heise, Chefarzt der Chirurgie des Sana-Klinikums Lichtenbergs auf
Anfrage des rbb diese Zahlen.
Herzberger Klinik räumt ein: Kein Bedarf für schwere
Pankreas-OP vorhanden
Mehrere Kliniken in Berlin und Brandenburg führten im Jahr
2017 Pankreas-Operationen unterhalb der Mindestmenge durch. Die meisten
beriefen sich darauf, dass es ungeplante Notfall-Eingriffe gewesen seien. Das
Elbe-Elster Klinikum in Herzberg hingegen bot die Leistung planmäßig an. Es
führte die Operation im Jahr 2017 weniger als sechs Mal durch - deutlich unter
der Mindestmenge von zehn Operationen pro Jahr. "Wir haben festgestellt,
dass der regionale Bedarf für Pankreaschirurgie und deren weiterführende
Behandlungen vorhanden ist. Jedoch ist für den Teil der mindestmengenrelevanten
Eingriffe der Bedarf nicht vorhanden", räumt die Klinikleitung schriftlich
ein.
Obwohl die Mindestmenge unterschritten wurde, handelte
die Klinik legal, denn sie hatte diese Operation nach einem Chefarzt-Wechsel in
der chirurgischen Abteilung im Jahr 2016 neu in den Leistungskatalog
aufgenommen. Kliniken, die das tun, können die Mindestmengen für einen
Übergangszeitraum unterschreiten.
Gesundheitsökonom fordert Konzentration auf
spezialisierte Kliniken
Der Gesundheitsökonom Prof. Reinhard Busse von der TU
Berlin kritisiert diesen Ausnahmegrund. Denn es finde gegenwärtig keine
ausreichende Prüfung durch die Krankenkassen statt, ob es für die Versorgung
der Patienten überhaupt notwendig sei, dass Kliniken komplizierte Operationen
neu anbieten. "Das jetzt überhaupt noch zusätzliche Krankenhäuser
dazukommen, liegt ja nicht daran, dass wir einen Mangel an Krankenhäusern
hätten, wo diese Pankreas-Operationen stattfinden. Ganz im Gegenteil, wir
müssten das auf wenige, spezialisierte Kliniken konzentrieren", sagt
Busse. Er fordert: Nur zertifizierte Krebs-Zentren sollten künftig noch die
Erlaubnis erhalten, diese schwere OP durchzuführen.
Inzwischen haben nach rbb-Recherchen die Landesverbände
der gesetzlichen Krankenkassen der Klinik in Herzberg wie auch dem Klinikum
Niederlausitz die Abrechnungserlaubnis für die schwere Pankreas-OP entzogen.
Beide Kliniken bestätigten das auf Anfrage. "Die Patientensicherheit geht
absolut vor. Und eine belegbare höhere Sterblichkeit bei diesen Patienten kann
nicht in Kauf genommen werden dafür, dass Krankenhäuser diese Leistung
erbringen", begründet Klinik-Expertin Dagmar Schmidt von der AOK Nordost
den Schritt.
Mehr Informationen zum Thema und eine interaktive Karte
mit allen Kliniken, die die Mindestmengen nicht erfüllen, gibt es auf rbb|24.
Am Montagabend um 20:15 Uhr sendet SUPER.MARKT im rbb-Fernsehen einen
ausführlichen Bericht.
Text - Quelle: Original-Content von: Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb),
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