Der Zusammenbruch der UdSSR mit der Folge, keine Großmacht mehr zu
sein, bedeutet für viele Menschen in Russland eine fortwährende Kränkung
ihres Selbstbewusstseins. Das ist einer der Ausgangspunkte der aktuellen
Reportage „Russian Angst“, die der Journalist Thomas Franke am Dienstag,
17. Oktober, um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek vorstellt. Im
anschließenden Gespräch mit dem Autor wird der Magdeburger Stadtrat
Sören Herbst die Aussagen des Buches über das Russland der Gegenwart
erörtern.
Seit mehr als 20 Jahren bereist Thomas Franke Russland. Als der
Journalist zum ersten Mal nach Russland kam, musste man eigentlich keine
Angst mehr haben: Das Sowjetreich existierte nicht mehr, der russische
Bär bleckte nicht länger die Zähne. Von 2012 bis 2016 lebte und
arbeitete Thomas Franke dann in Moskau und die zahlreichen Begegnungen
und Gespräche zwischen der Hauptstadt und der Krim, zwischen Wolgograd
und Sibirien sind die Basis des Buches. Mit scharfem Blick und präzisem
Ton erzählt Franke von Alltag, Geschichte und Politik und erlebt als
mitfühlender Chronist eine Entwicklung, die er nicht für möglich
gehalten hatte: die Wiederbelebung sowjetischer Reflexe, die Rückkehr
der Angst in die russische Gesellschaft.
Diese Angst, so Franke, hat das ganze Land infiziert: Die Staatsmacht
unter Putin nutzt sie, um ihre Autorität zu stärken und die Moral der
Opposition zu untergraben. Und zugleich schürt sie die Angst vor Macht-
und Identitätsverlust, vor der weltpolitischen Marginalisierung: In der
russischen Seele gärt eine explosive Mischung, so die Schlussfolgerung.
Thomas Franke produzierte als Journalist und Autor für das
Deutschlandradio, die ARD und die BBC und andere Rundfunkanstalten 25
Jahre lang Alltagsreportagen, Langzeitdokumentationen und politische
Analysen aus Russland, der Ukraine, dem Kaukasus und vom Balkan. Er
arbeitet außerdem literarisch und schreibt Gedichte, Hör- und
Theaterstücke und produziert Kurzfilme und Dokumentationen.
Die Lesung in der Zentralbibliothek am Breiten Weg wird in Kooperation
mit der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt angeboten.
Alle interessierten Besucher sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist
frei.
