Berlin, 22 Februar 2018 "Ich will ein handlungsfähiges, ein solidarisches, ein selbstbewusstes Europa", sagte die Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto) in ihrer Regierungserklärung. Vor dem informellen Europäischen Rat in Brüssel äußerte sie sich zu den Prioritäten europäischer Politik: Migration, Wirtschaft und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. |
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Europa stehe politisch und wirtschaftlich weltweit unter Druck - Kriege
und Konflikte fänden nur wenige Flugstunden entfernt statt, europäische
Unternehmen seien "nicht mehr in allen Bereichen an der
Weltspitze", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in ihrer
Regierungserklärung vor dem informellen EU-Rat in Brüssel. Um Schritt zu halten, "brauchen wir mehr denn je europäische
Antworten auf die drängenden großen Fragen unserer Zeit". In diesem
Geist werde man im Kreis der 27 EU-Mitgliedstaaten – ohne Großbritannien -
beim Informellen Europäischen Rat am Freitag in Brüssel die Debatte über
Europas Zukunft führen. Nationale Antwort
auf europäische Agenda
Deshalb sei es "alles andere als ein Zufall", dass das erste
Kapitel des neuen Koalitionsvertrages Europa gewidmet sei. Dies sei
"unsere nationale Antwort auf die europäische Agenda." Prominenter
habe Europa bisher in keinem Koalitionsvertrag gestanden. Denn Deutschland könne es auf Dauer nur gutgehen, wenn es auch Europa
gutgehe. Bei dem notwendigen "neuen Aufbruch für Europa" seien drei
Bereiche besonders wichtig: Migration, Wirtschaft und gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik. Bevor der zwischen CDU, CSU und SPD
vereinbarte Entwurf des Koalitionsvertrages verabschiedet wird, bedarf es
noch der Zustimmung der Parteimitglieder der SPD. Das Ergebnis der Abstimmung
wird für den 4. März 2018 erwartet. Migration:
Fluchtursachen bekämpfen
Beim Thema Migration steht für die Bundeskanzlerin im Mittelpunkt, weiterhin
konsequent an den Fluchtursachen anzusetzen. Der Kampf gegen Fluchtursachen
müsse gleichzeitig immer der Kampf für Lebensperspektiven in oder nahe der
Heimat sein. Sie verwies auf die anstehende Konferenz mit den
G5-Sahel-Staaten. Vor Beginn des informellen Europäischen Rates
am Freitag, 23. Februar, findet in Brüssel eine internationale Konferenz zur
Sahelzone statt. Teilnehmen werden neben EU-Regierungschefs
hochrangige Vertreter der G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Niger, Mauretanien,
Mali und Tschad), der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen. Ziel
der Konferenz ist es, die internationale Unterstützung für den Sahel in den
Bereichen Sicherheit und Entwicklung auszubauen und zusätzliche Mittel
einzuwerben. Bei der Zusammenarbeit mit den Sahel-Staaten habe sich Deutschland
intensiv eingebracht. So unterstütze Deutschland die nigerianische Regierung
im Kampf gegen Schlepper und Schleuser und helfe mit, Perspektiven für Arbeit
und Bildung für die Menschen vor Ort zu schaffen. Zu den Verhandlungen über ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem sagte
die Kanzlerin, dass dieses krisenfest und solidarisch sein müsse, gerade bei
der Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Es werde aber gelingen,
"mit Zähigkeit und Geduld" hier eine nachhaltige und solidarische
Lösung zu finden. Wirtschaft:
Digitalen Binnenmarkt schaffen
"Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU ist eine zentrale
Aufgabe, gerade in wirtschaftlich guten Zeiten", so Merkel. Auch wenn
die wirtschaftliche Lage gut sei – man dürfe sich nicht auf den Erfolgen
ausruhen. Zentral sei es, schnelle Fortschritte bei der Gestaltung des digitalen
Wandels zu erreichen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
"Davon hängt der Wohlstand für die Zukunft ab.“ Ganz entscheidend sei
die Schaffung des digitalen Binnenmarktes. Merkel nannte hier unter anderem
den Aufbau der digitalen Infrastruktur und Forschungen im Chipbereich oder
zur künstlichen Intelligenz. Zur weiteren Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion sagte die
Kanzlerin, der Stabilität- und Wachstumspakt bleibe der „Kompass unseres
Handelns“. Weiterhin müsse in Europa gelten, dass "Haftung und Kontrolle
stets zusammengehen". Außenpolitisches
Gewicht einbringen
"Wir wollen, dass Europa nach außen geschlossen auftritt", sagte
die Kanzlerin im Bundestag. Wesentlicher Beitrag dazu sei die stärkere
Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Merkel erinnerte
an den Start der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im
Verteidigungsbereich im Dezember 2017. Nun gehe es darum, hier erste konkrete
Projekte auf die Reihe zu bringen. Dabei betonte Merkel: "Unsere Bundeswehr leistet herausragende Arbeit
in den internationalen Einsätzen." Und: "Lassen Sie mich unseren
Soldatinnen und Soldaten hier zu Hause und im Ausland herzlich danken!" Merkel forderte ein Ende der Debatte um die in der Nato vereinbarten
Ausgaben für Verteidigung. "Wir müssen aufpassen, dass wir international
nicht in eine etwas zwiespältige Rolle kommen." Auf der einen Seite
werde beklagt, was bei der Bundeswehr alles nicht funktioniere. Auf der
anderen Seite stelle Deutschland als "einziger Mitgliedstaat der
Nato" infrage, "welchen eigenen Verpflichtungen für den
Zielkorridor der Ausgaben wir zugestimmt haben", sagte sie. "Das
passt nicht zusammen und damit wird man kein verlässlicher Verbündeter." Zu den aktuellen Ereignissen in Syrien sagte die Kanzlerin, dies sei
"ein Massaker, das es zu verurteilen gilt." Es fordere uns als
Europäer aber auch auf, uns international stärker zu engagieren. EU-Finanzen auf
Prüfstand stellen
Beim informellen Europäischen Rat wird es auch um den künftigen
EU-Finanzrahmen ab 2021 – erstmals ohne den britischen Finanzbeitrag – gehen.
Hierbei sieht die Kanzlerin auch eine Chance, die EU-Finanzen insgesamt auf
den Prüfstand zu stellen. "Wir müssen den Blick für das Wesentliche
schärfen", betonte die Kanzlerin. "Ich will ein handlungsfähiges, ein solidarisches, ein
selbstbewusstes Europa. Wir müssen bereit sein, Europa da zu stärken, wo
europäische Lösungen besser sind als nationale und regionale." Ein
Beispiel sei der Aufbau eines europäischen Grenz- und Küstenschutzes. Europaweite
Bürgerdialoge
"Wir müssen für die europäische Idee werben, sie erläutern." Sie
werde sich daher beim informellen Europäischen Rat für den Vorschlag des
französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron einsetzen, in möglichst
vielen Mitgliedstaaten Bürgerdialoge durchzuführen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-27
treffen sich am Freitag (23. Februar) in Brüssel zu einem informellen
Treffen. Dabei werden sie über den mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020
sprechen. Außerdem geht es um die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments
nach den Wahlen 2019 und darum, ob es wieder länderübergreifende
Spitzenkandidaten geben soll. |