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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Do.., 4. März 2021 

  1. Strategien gegen negative Wegwerfspirale diskutiert
    Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss
  2. Kritik an Gesetzentwurf zu fairen Verbraucherverträgen
    Recht und Verbraucherschutz/Anhörung
  3. Experten: Gemischte Bilanz des Grand Bargains
    Menschenrechte/Anhörung


01. Strategien gegen negative Wegwerfspirale diskutiert

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Produkten wieder einen Wert zu geben, forderte Gunda Rachut, Vorstand der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), am Mittwochabend vor dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Viele Güter würden immer kurzlebiger, sagte sie während eines öffentlichen Fachgespräches zum Thema "Nationales Programm für nachhaltigen Konsum / Nachhaltiges Produktdesign / Nachhaltige Bekleidung". "Wie können wir Produkten wieder einen Wert geben, wenn sie diesen aus sich heraus nicht mehr haben?", fragte sie. Derzeit würden viele Produkte sehr günstig hergestellt. Vorteil dessen sei, dass sie allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stünden. Der Verbraucher schaue nach dem Preis eines Produktes, nicht nach dem Wert. Da für den Hersteller das verkaufte Gut keinen Wert mehr darstelle, sei auch er ausschließlich an einer günstigen Herstellung interessiert. "Diese negative Wertspirale zieht sich durch den gesamten Wertstoffprozess", sagte Rachut. Eine Wegwerfgesellschaft entstehe sowohl ökonomisch als auch "im Kopf der Verbraucher". Diese Logik ziehe einen Teufelskreis nach sich: Immer mehr Produkte mit einer immer kürzeren Lebensdauer - und alle verpackt.

Auf EU-Ebene werde nun versucht, "mit einem Strauß ordnungsrechtlicher Maßnahmen" diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sagte die Expertin. Recyclingfreundlich, modular und reparierbar sollen die Produkte sein. "Alles richtig, es führt aber zu Zielkonflikten", sagte Rachut. Ordnungsrechtliche Strategien würden das grundsätzliche Problem ohnehin nicht lösen. Es gebe lediglich zwei Strategien um diese negative Wegwerfspirale zu durchbrechen. Zum einen könnten "externe Kosten internalisiert werden". Strategie Nummer zwei bestehe darin, "das Eigentum an Gütern beim Hersteller zu belassen". Beispiel dafür sei die Ausschreibung der Beleuchtung eines Flughafens als Dienstleistung. Die Bieter seien dadurch gezwungen gewesen, sich über die verwendeten Lampen und auch deren Stromverbrauch Gedanken zu machen, weil für das Gewinninteresse auch der Stromverbrauch relevant war, sagte Rachut.

Über die Schwierigkeiten für disruptive Technologien im Chemiebereich sprach Professor Lars Borchardt vom Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum. Innovationen, die das Zeug dazu hätten, die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie zu ersetzen oder diese vollständig vom Markt zu verdrängen, hätten es wegen der Giganten am Markt, die mit ihren bestehenden großen Anlagen Gewinne machten, besonders schwer. Die Idee sei daher, auf kleinteilige Produktionen zu setzen, die flexibler und zugleich offener für Veränderungen seien.

Aus eigener Erfahrung wisse er aber auch, dass es disruptive Forschungsvorhaben ungleich schwerer haben, ihren Platz in der deutschen Forschungslandschaft zu finden als inkrementelle Forschung, die sich an Bekanntem orientiere und auf Optimierung abziele. Beides sei wichtig, betonte Borchardt. "Wenn wir aber zu sehr auf inkrementelle Forschung setzen, werden wir mittel- und langfristig von anderen Ländern überholt", gab er zu bedenken. "Wenn wir den Anschluss an die Weltspitze nicht nur halten wollen, sondern Weltspitze neu definieren wollen, sollten wir mehr disruptive Forschungen ermöglichen", forderte der Chemiker.



02. Kritik an Gesetzentwurf zu fairen Verbraucherverträgen

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Überwiegend kritisch fielen die Stellungnahmen der Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss zum Thema Verbraucherschutz am Mittwoch aus. Zwar wurde das Ziel des Entwurfs der Bundesregierung für ein "Gesetz für faire Verbraucherverträge" (19/26915), das die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Wirtschaft stärken soll, weitgehend geteilt, die Umsetzung lasse allerdings zu wünschen übrig, hieß es vonseiten der Rechtswissenschaft und der betroffenen Unternehmen in der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung. Verbraucherschützern hingegen geht der Entwurf nicht weit genug.

Jutta Gurkmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte, dass die Bundesregierung einen Kompromiss zum Schutz der Verbraucher gefunden habe. Positiv sei, dass der Regierungsentwurf die Verkürzung der Kündigungsfrist von Verträgen auf Dauer von drei Monaten auf einen Monat weiter beinhalte. Bedauerlicherweise bleibe der Regierungsentwurf aber in zentralen Punkten hinter dem Referentenentwurf zurück. So sollte die maximale stillschweigende Vertragsverlängerung ohne weitere Bedingungen auf einen Monat begrenzt werden, die maximale Erstvertragslaufzeit für Dauerschuldverhältnisse sollte wie im Referentenentwurf vorgeschlagen von zwei auf ein Jahr verkürzt werden, und für alle telefonisch geschlossenen Dauerschuldverhältnisse sollte eine allgemeine Bestätigungslösung im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt werden.

Tobias Brönneke, Wirtschaftsrechtler von der Hochschule Pforzheim, sah in seiner Stellungnahme deutliche Defizite bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen. Die Kündigungsmöglichkeiten sollten so einfach wie möglich sein, sagte er mit Hinweis auf den Bundesratsvorschlag für eine Kündigungsmöglichkeit mit einem Klick. Auch für die sogenannte Bestätigungslösung hätte er sich eine umfassendere Regelung gewünscht, sagte er und verwies ebenfalls auf den Referentenentwurf.

Brönnekes Pforzheimer Kollege Felix Buchmann erklärte, Verbraucherschutz bedeute insbesondere auch, dem Verbraucher die Durchsetzung seiner Rechte einfach zu machen. Ziel eines neuen Gesetzes sollte es daher sein, die verbraucherschützenden Regelungen möglichst einfach zu gestalten. Ausnahmen und die Regelung spezifischer Einzelfälle führten für die Unternehmen zu mehr Aufwand und für die Verbraucher zu Verunsicherung und hinderten damit die Geltendmachung der gesetzlichen Rechte. Damit sei niemandem gedient.

Der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD) begrüßte den Verzicht auf die zeitweilig beabsichtigte ausnahmslose Verkürzung der Maximallaufzeit von zwei Jahren auf ein Jahr. Geschäftsführer Jochen Clausnitzer erklärte, die Verpflichtung zum Anbieten eines Einjahresvertrags zu festgelegten Konditionen wie der 25-Prozent-Regel lehne der BDD dagegen ab. Dies führe zu höheren Preisen für Verbraucher und beschränke das Prinzip der Vertragsfreiheit. Auch der Verzicht auf eine generelle Bestätigungslösung werde begrüßt, die Einführung eines Textformerfordernisses dagegen abgelehnt.

Kritik an der Laufzeitregelung kam auch von Rickmann von Platen vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten. Die vorgeschlagene Pflicht, zu jedem Vertrag mit einer 24-monatigen Laufzeit einen Vertrag über die gleiche Leistung mit einer Laufzeit von 12 Monaten anzubieten und für diese Verträge eine Preisobergrenze festzulegen, sei problematisch und ein erheblicher Eingriff in die Vertragsfreiheit. Dies werde entschieden abgelehnt.

Christian Bereska vom Deutschen Anwaltverein erklärte, dass die vorgesehene Laufzeitregelung in der Praxis mehr Verwirrung als Nutzen stiften könnte. Insgesamt gebe es nach wie vor kein echtes Bedürfnis für eine solche Änderung. Die vorhandene gesetzliche Regelung sei klar, handhabbar und einfach.

Der Verbraucherrechtler Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth gab zu bedenken, dass der Titel des Gesetzes letztlich grob irreführend sei, weil er suggeriere, dass die Fairness von Verbrauchervertragsbeziehungen in großem Rahmen angegangen würde. Tatsächlich geht es nur um einige wenige Sachfragen. Im Einzelnen monierte er unter anderem die vorgeschlagene Regelung zu den Vertragslaufzeiten. Sie sei ungeeignet und sollte durch eine Konzeption zur Stärkung des Dauerschuldverhältnisses und der Vermeidung von Kettenbefristungen ersetzt werden.

Der Regierungsentwurf sieht unter anderem vor, die Wirksamkeit einer Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen über eine bindende Vertragslaufzeit von über einem Jahr bis zu zwei Jahren an zusätzliche Bedingungen zu knüpfen. Verträge sollen nur dann automatisch über drei Monate bis zu einem Jahr verlängert werden dürfen, wenn das Unternehmen Kunden rechtzeitig auf die Kündigungsmöglichkeit hinweist. Diese Regelungen sollen durch eine verkürzte Kündigungsfrist von einem Monat ergänzt werden. Weiter sieht der Entwurf die Textformerfordernis für Energielieferverträge vor. Den Experten lag neben dem Gesetzentwurf ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel "Vorabwiderrufsbelehrung einführen ? Effektiver Verbraucherschutz durch Kurzinformationen" (19/26630) vor.



03. Experten: Gemischte Bilanz des Grand Bargains

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/SAS) Fünf Jahre nach dem Humanitären Weltgipfel und der Verabschiedung des sogenannten Grand Bargains haben Experten eine gemischte Bilanz hinsichtlich seiner Wirkung gezogen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter der Leitung von Gyde Jensen (FDP) am Mittwochnachmittag konstatierten die Sachverständigen durchaus Fortschritte bei der Reform der humanitären Hilfe. Doch die Bemühungen für mehr Effektivität und Effizienz reichten nicht aus. Die Reform komme nur langsam voran.

Einige Gründe dafür nannte der ehemalige Diplomat Rolf Böhnke: Der Grand Bargain ziele unter anderem darauf, "Schwerfälligkeit und Eigeninteressen" großer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu überwinden und sie zur Zusammenarbeit zu motivieren. Doch das gestalte sich in der Praxis oft schwierig. Die geforderte Verzahnung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe sei ebenfalls ausbaufähig. Auch wenn der Grand Bargain wichtige Reformen angestoßen habe, sei er nicht zum großen Wurf geworden, so das Urteil des Sachverständigen. Böhnke sprach sich dennoch für eine Fortsetzung der Bemühungen in der vorgezeichneten Richtung aus, empfahl aber eine Konzentration auf "wenige, strategische Arbeitsbereiche".

Philipp Frisch von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" wies auf die Grenzen der mit dem Grand Bargain angestrebten Reform hin. Diese reiche nicht aus, um die Probleme der humanitären Hilfe zu lösen. Es müssten andere Politikbereiche außerhalb dieses Systems mit in den Blick genommen werden: "Es braucht vor allem politische Kohärenz", forderte Frisch. Die Geberstaaten, die sich für mehr "Effizienz, Transparenz und Wirkmächtigkeit" der humanitären Hilfe einsetzten, seien leider oft auch diejenigen, die an anderer Stelle durch ihre Politik überhaupt erst humanitäre Bedarfe entstehen ließen, monierte der Sachverständige mit Blick auf die europäische Migrationspolitik.

Ein anderes Problem zeigte Bettina Iseli, Programmdirektorin der Deutschen Welthungerhilfe, auf: Während der Bedarf an humanitäre Hilfe stetig wachse, würden die Umstände, unter denen sie geleistet werde, immer schwieriger. Iseli beklagte, das Völkerrecht werde zunehmend missachtet, es komme zu gezielten Angriffen auf Helfer, der Zugang zu Menschen in Not werde verwehrt. Hier gebe der Grand Bargain Anlass zur Hoffnung - auch wenn das Fazit "zu wenig, zu langsam, zu wenig konsolidiert" zum Jubiläum sicher berechtigt sei, räumte die Sachverständige ein. Bei der weiteren Umsetzung gelte es, die Förderbedingungen unbürokratischer zu gestalten, um eine bedarfsgerechte Verschiebung von Mitteln zu ermöglichen. Auch die Katastrophenvorsorge müsse dringend ausgebaut werden, mahnte Iseli. Die humanitäre Hilfe reagiere zu oft nur, anstatt vorausschauend zu handeln.

Einige Fortschritte nannte Heiko Knoch, Leiter des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen: So habe sich zum einen das Volumen von Bargeldhilfen von 2016 bis 2019 auf 5,6 Milliarden US-Dollar verdoppelt. Zum anderen sei die Harmonisierung von Partnerschaftsprozessen dank des UN-Partnerportals vorangekommen. Dieses erlaube, schneller potenzielle Partner zu finden, lokale Akteure einzubinden und doppelte Verwaltungsarbeit zu vermeiden, erläuterte der Experte. Die Einführung des "8+3"- Berichtsformat habe ferner dazu beigetragen, Zeitaufwand und Ressourcen zu sparen. Trotzdem müsse ein nächster Grand Bargain "schlanker werden" und mehr politisches Gewicht haben, drängte Knoch. Zudem brauche es flexiblere Unterstützung: "Nur durch eine nicht-zweckgebundene, mehrjährige und erhöhte Finanzierung aller Geber wird es möglich sein, die Finanzierungslücken zu schließen und die Reaktion der humanitären Gemeinschaft auf Krisen zu verbessern."

Katharina Lumpp, Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, sprach sich dafür aus, den Erfolg des Übereinkommens insbesondere mit Blick auf seine grundsätzliche Zielsetzung ein "quid pro quo" - mehr Effizienz und Transparenz seitens humanitärer Organisationen für mehr Vertrauen und Flexibilität seitens der Geldgeber - zu beurteilen. Positive Entwicklungen sah sie auch bei der "Lokalisierung": Das Ziel, 25 Prozent der Projektaufgaben über lokale und nationale Partner umzusetzen, hätten im vergangenen Jahr immerhin zehn Unterzeichner erreicht. Eine Herausforderung für die Organisationen jedoch stellte die noch immer vermehrt zweckgebundene Gewährung von Mitteln sowie die deutliche Zunahme von Evaluierungen dar, sagte Lumpp. Sie plädierte für mehr Flexibilität und Vertrauen seitens der Geber.

Für eine Harmonisierung und Vereinfachung administrativer Anforderungen für NGOs sprach sich auch Kathrin Schick, Direktorin des NGO-Dachverbands Voluntary Organisations in Cooperation in Emergencies (VOICE) aus: Gerade für lokale Organisationen würden diese Auflagen oft zur "unüberwindbaren Hürde". Größte Herausforderung für alle Helfer seien aber militärisch ausgetragene Konflikte: Viel zu oft bezahlten die Helfer mit ihrem Leben, betonte Schick und fordert von allen Parteien das Bekenntnis zur Priorität politischer Lösungen.

Ralf Südhoff, Leiter des Centre for Humanitarian Action, unterstrich zwar die Bedeutung des Grand Bargains als Instrument zur grundlegenden Reform der humanitären Hilfe. Sein Fazit fiel dennoch gemischt aus: Als positiv hob er hervor, dass der Grand-Bargain-Prozess so "inklusiv" sei, "wie kein anderer". Auch sei es gelungen, auf "Mikroebene Pilotprojekte und Programme mit großem Potenzial anzustoßen". Das eigentliche Ziel aber, Prozesse auf der Makroebene zu verändern, sei noch nicht erreicht, erklärte der Sachverständige. So partizipierten die Betroffenen nicht genügend, lokale Organisationen würden nicht ausreichend miteinbezogen. Auch die bessere Verzahnung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe sei kaum vorangekommen.

Zum Humanitären Weltgipfel waren 2016 mehr als 9.000 Teilnehmer nach Istanbul gekommen, um den künftigen Kurs in der humanitären Hilfe auszuloten. Der Gipfel brachte 173 Staaten, 55 Staats- und Regierungschefs, rund 350 Führungspersonen aus dem privaten Sektor sowie Tausende Spitzenvertreter aus Zivilgesellschaft und von Nichtregierungsorganisationen zusammen. Insgesamt wurden rund 1.500 Zusagen zur künftigen humanitären Hilfe gemacht. Dazu zählte auch der sogenannte Grand Bargain, eine Übereinkunft zwischen den 15 größten Geberländern und den 15 großen Hilfsorganisationen, die die Effizienz und Effektivität der Investitionen in Notfallmaßnahmen erhöhen soll.