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Buchtipp: „Thietmars Welt – Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte“

25. Juli 2018


Von politischen und geistlichen Ereignissen

 

Von Uta Luise Zimmermann-Krause

 

Eine kultur-historische Sonderausstellung „Thietmars Welt - Ein Bischof schreibt Geschichte“ wurde am 15. Juli 2018 im Merseburger Dom und der Curia Nova (Willi-Sitte-Galerie) feierlich eröffnet. Die Ausstellung mit 110 spektakulären Exponaten steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt,

Dr. Reiner Haseloff, und hat noch bis zum 4. November 2018 für Besucher ihre Pforten geöffnet. Der Ausstellungskatalog entstand im Auftrag der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, herausgegeben von Markus Cottin und Lisa Merkel, die Gesamtredaktion oblag Anne Büchle. Erschienen ist der umfassende Begleitband im Michael Imhof Verlag. Dank hochrangiger Leihgaben aus europäischen Ländern wie Norwegen, Dänemark, England, Belgien, Italien, Tschechische Republik, Polen, Deutschland, sowie ausgewählter Texte aus Thietmars Chronik in karolingischer Minuskel kann der Besucher in die Welt des frühen Mittelalters eintauchen. In der Ausstellung sind erstmals alle Textzeugnisse der Thietmar-Chronik aufgenommen und Interessenten können so die außergewöhnliche Ausstrahlung dieses bedeutenden Geschichtswerks erfahren. Immerhin zählt der Merseburger Dom zu den bedeutendsten Kathedralbauten Deutschlands und war vor 1000 Jahren die Wirkstätte des maßgeblichen Bischofs Thietmar (* 976, †1018). Am 25. Juli 976, also am kommenden Mittwoch vor genau 1.042 Jahren, wurde Bischof Thietmar von Merseburg geboren. Als jüngster Spross der Grafenfamilien von Walbeck und von Stade, erhielt Thietmar eine geistliche Ausbildung in Quedlinburg und Magdeburg, und war schon in frühen Jahren den Grabstätten und Gedächtnisorten der Könige Heinrich I. und Otto I. (späterer Kaiser Otto der Große) recht nah. Mit seiner Einsetzung als Propst des Walbecker Familienstifts und als Magdeburger Domherr nahm er den Kontakt zur Elite im Reich wahr.

Auf Empfehlung des Magdeburger Erzbischofs Tagino im Jahr 1009 unter der Regierung König Heinrichs II. wurde er mit der Priesterweihe durch Tagino als Merseburger Bischof eingesetzt. In Merseburg hielt der letzte Kaiser der Ottonen bedeutsame Hoftage ab,  begann seine Heereszüge, und Thietmar legte höchstpersönlich den Grundstein für den neuen Merseburger Dom. In seinen Aufzeichnungen dokumentierte der Chronist bedeutende politische und geistliche Ereignisse im Reich der Ottonen. Als Vater der mitteldeutschen Geschichtsschreibung benennt er in seinen Schriften Päpste, Kaiser, Könige und Bischöfe sowie die Lebenswelt der einfachen Bürger.

Die Chronik des Thietmar von Merseburg ist in der Reihenfolge der Herrscher gegliedert: Heinrich I., Otto I., Otto II., Otto III. und Heinrich II.

In der Willi-Sitte-Galerie erstrahlt das wertvolle Original der Chronik, dass bei Bombenangriffen auf Dresden 1945  durch Löschwasser schwer beschädigt wurde.

Doch zum Glück ist ihr Text durch die Herausgabe verschiedener Fassungen sowie einer 1905 angefertigten Reproduktion noch heute erhalten.

Thietmar schreibt in seiner Chronik: „Dich, mein Leser, ersuchet um Gunst die Chronik des Thietmar. Nutze sie nur tagtäglich, so schwinden Dir Kummer und Langweil. Ziehe sie vor dem Spiel und anderen eitleren Dingen. Preise, o Freund, die Gerechten und bete für jeglichen Sünder!“.

Der Begleitband zur Ausstellung führt den Interessenten zu Beginn durch Textbeiträge renommierter Autoren in die Welt des Bischofs Thietmar von Merseburg. Unterstützt durch qualitativ hochwertige farbige Abbildungen, werden Merseburger Historie und Reichsgeschichte eindrucksvoll wiedergegeben. Selbst archäologische Aufzeichnungen geben Zeugnis zur frühmittelalterlichen Welt, in der auch die Slawen eine nicht unbedeutende Rolle spielten, belegt durch mächtige Kastenkonstruktionen von Befestigungswällen um Burgen und andere Wohnstätten. Thietmar von Merseburg waren die östlichen Nachbarn seines Wirkkreises bekannt, von denen viele auch in seiner Diözese lebten. Und so ist es erklärbar, dass der Bischof ethnologisches Interesse für ihre Sprache, Sitten und religiös-magischen Vorstellungen zeigte, die sich in seinen Traumgebilden spiegeln.

Die Abbildung eines Kugelzonengewichts macht deutlich, dass zu Thietmars Zeiten dieses mit Buntmetall ummantelte Teil beim Handel mit Silber eingesetzt wurde. Thietmar nennt in seiner Chronik auch Eisenfesseln, die den Betrachter nicht unberührt lassen. Sie wurden von slawischen Gefangenen getragen.

Der Schatz von Lebus an der Oder wurde um 1060 niedergelegt und gibt nach gründlichen Forschungsgrabungen „Sachsenpfennige“ preis, deren Material aus der von Otto dem Großen entdeckten Silberader im Rammelsberg bei Goslar stammt. Weiterhin vermittelt eine kleine Silberblechskulptur aus dem Jahr 1015 bei Leißower Mühle (Odertal) die Vorstellung von einem Panzerreiter mit Helm und Schild, wie ihn der Chronist Thietmar auch gesehen haben könnte. Eine sinnige Reliefdarstellung gibt wieder, dass Slawen und Deutsche unter einem Hut waren.

Tote, Gespenster und Wiedergänger schmückt der Chronist mit Episoden ähnlich wie in der Darstellung des Jüngsten Gerichts in der Buchmalerei um 1000 bis 1020 aus der Bamberger Apokalypse. Wie man sich den Kampf mit dem Drachen vorstellte, ist ebenfalls in der Bamberger Apokalypse dokumentiert sowie auch die Bindung und Lösung des Satans. Aber auch ohne teuflischen Antrieb kamen in Thietmars vielfachen Schilderungen die Toten auf die Erde zurück und blieben ohne Realpräsenz.

Auch als Sprachkundiger mit Kenntnissen im Slawischen und Latein sowie als Interpret von Orts- und Personennamen tat sich Thietmar hervor.

Einen Einblick in die Tätigkeit des Schreibers und die maßgebliche Nützlichkeit des geschriebenen Wortes im Christentum vermittelt das wertvolle Elfenbeinrelief aus der Wiener Kunstkammer, das unweit der Chronik ausgestellt wird. Es zeigt Papst Gregor schreibend über ein Buch gebeugt. Habit und die Tonsur erinnern an seine Herkunft. Denn Gregor war der erste Mönch, der zum Papst der lateinischen Kirche gewählt worden war. Eine weitere wichtige Bedeutung kommt der Taube auf der Schulter des Papstes zu. Gregor konnte sich beim Verfassen seiner Schriften auf die göttliche Eingebung, den heiligen Geist, der durch die Taube symbolisiert wird, berufen. Einer Legende nach wollte sein Diakon Petrus gesehen haben, dass sein Herr beim Schreiben den Einflüsterungen einer Taube auf seiner Schulter gefolgt sei. Mit dem Vervielfältigen von Gregors Schriften sind vermutlich die drei Mönche beschäftigt, die im unteren Teil des Reliefs dargestellt sind.

Berührend wirken Thietmars Verse auf den Grabmonumenten seiner Familie in der Stiftskirche zu Walbeck. Eine gefälschte Urkunde zeugt von der Schenkung eines Forsts durch Kaiser Otto II., denn nach der Wiedergründung des Bistums im Jahr 1004 durch König Heinrich II. (späterer Kaiser Heinrich II.) verdeutlicht das Schriftstück den Versuch der Bischöfe, die alten Rechte in geistlichen und weltlichen Belangen wieder herzustellen. Besonders hervor tritt der sogenannte rund tausendjährige „Ottomantel“ – eine Glockenkasel aus rotem byzantinischem Seidensamit, verziert mit Goldborten und kleinen Mustern aus flottierenden Seidenkettfäden. Ob der Ring des Mainzer Erzbischofs Aribo oder der prachtvolle Leuchter mit Silbereinlagen oder die handgeschriebene Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg zu den römisch-deutschen Ottonenherrschern – sie alle geben Zeugnis von wichtigen geistlichen und politischen Ereignissen im Römisch-Deutschen Reich, die der qualitativ hochwertige Begleitband zur Ausstellung „Thietmars Welt - Ein Bischof schreibt Geschichte“ für Interessenten in sich birgt.

 

Herausgeber

Im Auftrag der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz

herausgegeben von Markus Cottin und Lisa Merkel

Schriftenreihe der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, Band 11

Herausgegeben von Enno Bünz, Axel Freiherr von Campenhausen, Holger Kunde, Andreas Ranft, Arno Sames, Wolfgang Schenkluhn und Karin Freifrau von Welck

 

  • Markus Cottin und Lisa Merkel (Hrsg.)

Thietmars Welt – Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte,

21 x 28 cm, 528 Seiten, 347 Farb- und 28 S/W-Abbildungen, Hardcover

Michael Imhof Verlag, 2018

ISBN 978-3-7319-0745-9

Euro (D) 69,00, Euro (A) 70,95, CHF 79,40