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Stress 24.10.

Gesundheit-News: Stress, Belastung, Depression! Wenn die Psyche das Herz aus dem Takt bringt


veröffentlicht am 24. Oktober 2023

Forsa: Immer mehr Menschen unter Stress – KKH-Daten zeigen Bezug zu Herzdiagnosen
Klimakrise und Inflation, Ärger am Arbeitsplatz, Streit in der Familie, Mobbing in sozialen Medien: Immer mehr Menschen stehen unter Druck. Laut einer aktuellen forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse fühlen sich 84 Prozent der 18- bis 70-Jährigen zumindest gelegentlich gestresst, 43 Prozent sogar häufig oder sehr häufig. 
Das Alarmierende: Die Belastung nimmt offenbar zu. So hat gut jede/r zweite Befragte das Gefühl, dass das Leben in den vergangenen ein bis zwei Jahren anstrengender und stressiger geworden ist.

Stress wird häufig als harmlose Begleiterscheinung des Alltags oder gar als Statussymbol in der heutigen Leistungsgesellschaft wahrgenommen, dabei kann er ernste Folgen für die Gesundheit haben. „Dauerstress gehört neben Rauchen und zu hohem Alkoholkonsum zu den wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt KKH-Ärztin Dr. Sonja Hermeneit. Daten der Ersatzkasse zeigen, dass bei Versicherten mit kardiovaskulären Diagnosen, sprich Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße wie beispielsweise Bluthochdruck, Angina Pectoris und Herz-Rhythmusstörungen, der Anteil der Patienten mit stressbedingten psychischen Leiden um rund ein Viertel höher ist als im Allgemeinen. 

Zu diesen seelischen Krankheitsbildern zählen akute Belastungsreaktionen, depressive Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen sowie Neurasthenie, die mit extremer Antriebslosigkeit und geistiger Erschöpfung einhergeht. Bedenklich: Der Anteil der stressgeplagten Herzpatienten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, wie folgende KKH-Daten zeigen. Demnach haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Allgemeinen von 2011 auf 2021 um rund 17 Prozent zugenommen. Der Anstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen plus der genannten psychischen Diagnosen aber fällt im selben Zeitraum mehr als doppelt so hoch aus (rund 37 Prozent). Mittlerweile erhält durchschnittlich jede/r zehnte Herzpatient/in eine Stressdiagnose. Bei KKH-Versicherten im berufstätigen Alter zwischen 25 und 64 Jahren ist es sogar jede/r Siebte.

Herzerkrankungen – eine reine Alterserscheinung?
Das Tückische: Kardiovaskuläre Erkrankungen werden oft als Alterserscheinung eingestuft. Doch verbunden mit Stress können sie schon in jüngeren Jahren zum Problem werden, wie die weitere Analyse zeigt. Während Herz-Kreislauf-Erkrankungen für sich gesehen mit zunehmendem Alter allmählich, aber kontinuierlich steigen, schnellen sie in Kombination mit Stressdiagnosen bereits ab dem jungen Alter nach oben, halten sich lange auf hohem Niveau und sinken erst mit Beginn des Rentenalters wieder deutlich ab. „Chronischer Stress und enorme psychische Belastungen steigern das Risiko für einen hohen Blutdruck und die Entwicklung weiterer Herzerkrankungen. Das gilt auch für jüngere Patient/innen ohne Vorerkrankungen“, erläutert Sonja Hermeneit. Als Mitglied der 2021 gegründeten Herz-Hirn-Allianz will die KKH dazu beitragen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, sei es wichtig, Stress als starken Treiber solcher Diagnosen ernst zu nehmen, sagt die KKH-Expertin.

Die forsa-Umfrage zeigt, dass Jüngere eher unter Druck stehen als Ältere: 18- bis 49-Jährige fühlen sich demnach öfter gestresst als 50- bis 70-Jährige. Entsprechend nehmen sie auch häufiger Beschwerden wahr, die sie auf Stress und hohen Druck zurückführen. Auf Platz eins stehen Unruhe, Nervosität oder Gereiztheit. Bei rund zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) zeigen sich diese Symptome in stressigen Situationen. Fast ebenso viele (62 Prozent) fühlen sich unter Druck müde oder haben Schlafstörungen. 59 Prozent sagen, sie seien erschöpft und ausgebrannt. Der Mehrheit der Befragten schlägt der Stress darüber hinaus auf die Seele. So sind etwa niedergedrückte Stimmungen und Depressionen bei rund jeder/jedem Dritten die Folge. Jede/r Sechste leidet unter stressbedingten Angstzuständen, unter den 18- bis 34-Jährigen ist es sogar rund jede/r Vierte.

Doch was raubt den Menschen sprichwörtlich den letzten Nerv? 
Der Umfrage zufolge sind es in erster Linie die hohen Ansprüche an sich selbst. Rund jede/r Zweite setzt sich damit unter Druck, in der jüngsten Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen sind es sogar rund zwei Drittel der Befragten. Ähnlich verhält es sich mit Blick auf die eigene Ausbildung beziehungsweise den Beruf: Insgesamt fühlen sich dadurch 43 Prozent der Befragten belastet, unter den 18- bis 34-Jährigen sind es sogar 65 Prozent. Ein ebenso großer Stressverursacher – allerdings für alle Generationen nahezu gleichermaßen – sind politische und gesellschaftliche Ereignisse wie Klimawandel, Inflation oder der Krieg in der Ukraine (44 Prozent). Stresspotenzial haben für je rund ein Drittel darüber hinaus die ständige Erreichbarkeit über Smartphone und soziale Netzwerke beziehungsweise Konflikte in der Familie.

In ständiger Alarmbereitschaft – Wie tickt das Herz unter Dauerstress?
Stress ist notwendig, um Anforderungen zu bewältigen. Unter hohem psychischem Druck läuft das Nervensystem auf Hochtouren: Die Aufmerksamkeit wird geschärft, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt. Psyche und Körper sind aber auch auf Entspannungsphasen angewiesen. Bleiben diese aus, entsteht Dauerstress. Und der kann im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt, einer Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder Herzversagen führen. „Bei anhaltendem Stress nehmen wir außerdem häufig Verhaltensweisen an, die der Gesundheit zusätzlich schaden“, erläutert Sonja Hermeneit. „Wir bewegen uns oft weniger, essen mehr oder ernähren uns ungesünder, trinken mehr Alkohol.“

Dies zeigen auch die Ergebnisse der forsa-Umfrage: 64 Prozent faulenzen und 61 Prozent sehen fern, lesen, surfen im Internet oder spielen Computerspiele, um dem Druck zu entfliehen. Jede/r vierte Befragte trinkt zur Entspannung ein Glas Alkohol oder raucht eine Zigarette. Positiv wiederum: 67 Prozent der Umfrageteilnehmer/innen bewegen sich zum Ausgleich mehr. Sie gehen beispielsweise spazieren oder treiben Sport. Immerhin jede/r Vierte praktiziert zum Stressabbau Entspannungstechniken wie Mediation oder Yoga. „Das ist genau richtig“, sagt die KKH-Ärztin. Denn: In den meisten Fällen können mehr Bewegung, ein gezieltes Stressmanagement und Entspannungstechniken das Risiko für einen stressbedingten Herztod deutlich senken. 
Doch man müsse auch die psychosoziale Situation von Patienten im Blick behalten, betont Hermeneit. „Während zu wenig Bewegung, schlechte Ernährung, Alkohol und Rauchen als kardiovaskuläre Risikofaktoren unangefochten sind, werden psychische Belastungen oft nicht in gleicher Weise berücksichtigt. Dabei reicht es meistens schon, wenn Ärzten ihre Patienten gezielt auf deren Lebenssituation und das psychische Befinden ansprechen.“

Ganzheitlicher Blick auf den Patienten – was bringt er?
Auch Professor Dr. Kai Kahl von der Medizinischen Hochschule Hannover ist es ein Anliegen, dass Herzpatient/innen noch stärker in ihrer gesamten Person betrachtet und behandelt werden. „Dank der modernen Herzmedizin ist die Zahl der Todesfälle durch schwere akute Herzerkrankungen inzwischen rückläufig“, sagt der Psychokardiologe. Doch soweit müsse es gar nicht erst kommen. „Mittlerweile können wir die wechselseitige Beziehung zwischen Herz und Seele sehr gut erforschen und untersuchen. 
Je früher dies geschieht, desto besser: Werden leichtere psychische Erkrankungen wie akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen erfolgreich behandelt, noch bevor sie in ein schwereres seelisches Leiden wie eine Depression münden, sind die Chancen deutlich besser, dass das Herz nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.“ Die Psychokardiologie werde in der Medizin beziehungsweise bei der Behandlung betroffener Patient/innen aber immer noch zu selten eingesetzt, sagt Kahl.
Betroffene können aber auch schon selbst viel tun, damit der Stress gar nicht erst zu Herzen geht. Die Art des Umgangs mit emotionalen Belastungen spielt dabei eine wesentliche Rolle.

 
Text / Foto: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung / pixabay