Zu den Meldungen über den am 10. August zu erwartenden chaotischen
Start in das neue Schuljahr erklärt der bildungspolitische Sprecher der
Fraktion, Thomas Lippmann (Foto):
Minister Tullner sollte seine vollmundigen Ankündigungen wahrmachen
und die Verantwortung für die chaotischen Zustände übernehmen, die [-]
entgegen den vielfachen Warnungen und konstruktiven Lösungsvorschlägen
[-] durch seine Entscheidungen entstanden sind. Er sollte in der Lage
sein zu erkennen, dass sich die Realität nicht nach seinen Wünschen
richtet und er seiner Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen ist.
Seit dem Amtsantritt von Bildungsminister Tullner hat die Fraktion Die
LINKE mit einer ganzen Flut von Anträgen und Debatten im Landtag und im
Bildungsausschuss versucht, ihm die Hand zu reichen und Wege für den
Umgang mit dem Erbe aus der unseligen Ära von Ex-Finanzminister
Bullerjahn aufzuzeigen. Diese Hand hat Minister Tullner aber nicht nur
immer wieder ausgeschlagen, er hat sich mit tiefer Überzeugung
darangemacht, die unverändert radikalen Personalvorgaben des
Finanzministers ohne jede Rücksicht auf die tatsächliche Situation in
den Schulen und die Belastungen für Schulleitungen, Lehrkräfte und
pädagogische Mitarbeiter*innen durchzusetzen [-] koste es, was es wolle.
Die Monate des Beschwichtigens und Schönredens, der Ankündigungen und
Lügen finden nun mit dem Beginn des neuen Schuljahres ein jähes und
erschreckendes Ende. Die Realität in den Schulen überrollt das vom
Minister aufgebaute Kartenhaus und entlarvt seine hohlen Versprechen von
der Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Denn noch nie in der
Geschichte des Landes haben so wenige Lehrkräfte und pädagogische
Mitarbeiter*innen vor so vielen Schülerinnen und Schülern gestanden.
Noch nie ist das Unterrichtsangebot derart ausgedünnt worden und noch
nie ist ein Bildungs- bzw. Kultusminister derart oberflächlich und
ignorant mit einer solchen Situation umgegangen. Es ist absehbar, dass
mindestens in jeder zweiten Schule über das gesamte Schuljahr hinweg
kein vollständig geordneter Schulbetrieb organisiert werden kann und das
faktische "Aussetzen der Schulpflicht" für einzelne Klassen oder ganze
Schulen über ein oder mehrere Tage keine Ausnahme mehr sein wird.
Es sind längst nicht mehr die Fehler der Vergangenheit, die immer mehr
Kolleginnen und Kollegen in den Schulen verzweifeln lassen. Es sind in
hohem Maße die Fehleinschätzungen und das Missmanagement von Minister
Tullner selbst, der durch seine Experimente mit dem Personal immer mehr
zu einer Belastung für die Koalition wird. Der Exodus von fast 200
Sprachlehrkräften trotz einer unverändert hohen Zahl von Migranten mit
Bedarf an Sprachförderung, die Halbierung der Zahl pädagogischer
Mitarbeiter*innen an den Körperbehindertenschulen und deren
fortschreitender Abzug aus den Grundschulen trotz der Verpflichtung,
eine verlässliche Öffnungszeit zu gewährleisten, und nicht zuletzt die
Reduzierung der Lehrerzuweisungen für den Grundbedarf der Grundschulen
um 8 Prozent sind nur die Spitzen einer fachlich indiskutablen Politik,
die das Schulsystem immer schneller und immer tiefer in die Krise führt.
Hinzu kommen jetzt noch die Fortschreibung dieser selbst verursachten
Mangelsituation in das nächste Jahrzehnt durch die falschen
Schlussfolgerungen zu den Kapazitäten für die Lehrerausbildung und das
Festhalten an der unflexiblen und antiquierten Ausschreibungspraxis der
Schulbehörden. Letztere führt schon seit längerer Zeit regelmäßig dazu,
dass ein erheblicher Teil der ohnehin viel zu geringen Neueinstellungen
erst nach mehreren Ausschreibungen und um Monate verspätet realisiert
werden können. Schüler und Schulkollegien haben aber ein Recht, vom
ersten Schultag an ordentlich miteinander zu arbeiten und nicht immer
erst zum Beginn des zweiten Schulhalbjahres.
Magdeburg, 30. Juli 2017