Noch immer verlässt in Sachsen-Anhalt jeder zehnte Schüler die
allgemeinbildenden Schulen ohne das notwendige Rüstzeug, um anschließend
mit guten Perspektiven in die berufliche Ausbildung und damit in ein
selbstbestimmtes Leben zu starten. Deutlich wird: Die Mängel des
Bildungssystems treffen vor allem die Schwächsten. Deshalb hat die
Fraktion DIE LINKE heute das "Sofortprogramm 3 mal 200" vorgestellt, das
in der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause als
Einstellungsoffensive zusätzlich zu den bereits geplanten
Personalmaßnahmen in den allgemeinbildenden Schulen für die
Schwerpunktbereiche Sprach- und Lernförderung in den Landtag eingebracht
wird. Hierzu erklären der bildungspolitische Sprecher Thomas Lippmann
und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva von Angern ( Foto ):
"Der schulische Misserfolg für jährlich mehr als 1.500 Schülerinnen und
Schüler wird durch die aktuelle Schulpolitik der Landesregierung
sehenden Auges dort organisiert, wo der Förderbedarf am größten und die
personelle Unterstützung am geringsten ist. Durch das Festhalten am
tradierten Förderschulsystem, durch die personelle Auszehrung vor allem
an den Grund- und Förderschulen sowie an den Sekundar- und
Gemeinschaftsschulen und nicht zuletzt durch den Verzicht auf
Sprachförderung für Migranten betreibt die Landesregierung eine Politik
der bewussten Vernachlässigung vor allem der schwächsten Schülerinnen
und Schüler im Schulsystem. Ein „Weiter so“ durch den Bildungsminister
ist angesichts der Lage völlig inakzeptabel. Um diesen Raubbau an der
Zukunft der Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf
schnellstmöglich zu beenden, ist die Landesregierung aufgefordert,
unverzüglich zu handeln.
Die Fraktion DIE LINKE wird in der ersten Landtagssitzung nach der
Sommerpause mit dem Antrag für ein „Sofortprogramm 3 mal 200“ einen
entsprechenden Vorschlag machen.
"Sofortprogramm 3 mal 200“ der Landtagsfraktion DIE LINKE
Einstellungsoffensive zusätzlich zu den bereits geplanten
Personalmaßnahmen in den allgemeinbildenden Schulen für die
Schwerpunktbereiche Sprach- und Lernförderung
* 200 Förderschullehrkräfte/Lerncoaches
* 200 Sprachlehrkräfte
* 200 pädagogische Mitarbeiter*innen
Zeitplan?
- Beginn des Sofortprogramms im laufenden Schuljahr 2017/18
- Gewinn des gesamten Personals im Kalenderjahr 2018
Woher kommt das Personal?
- Wiederaufnahme des Sprachlehrkräfteprogramms
- Ausschreibungen (pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Förderschulkräfte)
- Lerncoaches als qualifiziertes Unterstützungsangebot für
Förderschulkräfte über Möglichkeit des Seiteneinstiegs mindestens
mit Fachhochschul- oder Bachelorabschluss
Finanzierung?
- angenommene Kosten von circa 30 Millionen Euro p.a.
- finanzierbar aus Haushaltsüberschüssen von 2017
Nachtragshaushalt 2018 nötig
Weitere Hintergrundinformationen:
Fast zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss in
Sachsen-Anhalt besuchten Förderschulen (1.000 von 1.663), der übrige
Teil Sekundar- bzw. Gemeinschaftsschulen. Überproportional betroffen
sind Jungen, die knapp zwei Drittel der Schüler ohne Abschlusserfolg
stellen (1.090 von 1.663) und ausländische Schülerinnen und Schüler, von
denen mehr als jeder Dritte (103 von 281) keinen Schulabschluss schafft.
An Förderschulen ist das Erreichen regulärer Schulabschlüsse für die
große Mehrzahl der Schüler unmöglich (nur 380 von 1.380 Schulabgängern
erreichen einen Abschluss). An Schulen für geistig Behinderte schafft es
kein einziger Schüler, an den Schulen für Lernbehinderungen erwirbt
gerade einmal jeder vierte Schüler einen Hauptschulabschluss (189 von
742) und auch die übrigen Förderschulen verlässt nur jeder zweite
Schüler mit einem Schulabschluss, die wenigsten davon mit der mittleren
Reife (75 Realschul- und 116 Hauptschulabschlüsse bei 384
Schulabgängern). Viel zu viele Schülerinnen und Schüler an
Sekundarschulen (6,5%) bzw. an Gemeinschaftsschulen (9,6%) beenden ihre
Schulzeit nur mit einem Abgangszeugnis. (Quelle: Statistisches
Landesamt; Schuljahresendstatistik 2015/16 – Übersicht 2.1, Seiten 14
und 15)
Für eine angemessene Förderung und damit für eine erfolgreiche
Entwicklung im unteren Leistungsbereich fehlen derzeit in
Sachsen-Anhalts Schulen neben den Fachlehrkräften für den
Regelunterricht mindestens 400 Förderschullehrkräfte, 400 pädagogische
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 200 Sprachlehrkräfte. Weder die
Förderung der mehr als 6.000 Schülerinnen und Schüler mit
sonderpädagogischen Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht an
Regelschulen noch der Sprachunterricht für die mehr als 8.000
Migrantinnen und Migranten mit Sprachförderbedarf ist auch nur
ansatzweise gesichert."
Magdeburg, 19. Juli 2017