15. November 2021
Foto: Menschen mit Maske in einer
Innenstadt
Berlin (dts Nachrichtenagentur) -
Angesichts der beispiellos hohen Corona-Infektionszahlen hat der Vorsitzende
des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, eine Verlängerung der
epidemischen Lage von nationaler Tragweite gefordert. "Wir haben weiterhin
eine Pandemie nationalen Ausmaßes. Es ist absurd, angesichts von Inzidenzen um
die 300 von einer Aufhebung sprechen zu wollen", sagte Montgomery der
"Rheinischen Post" (Montagsausgabe).
Rechtlichen Bedenken bezüglich des
Fortbestehens der Sonderlage widersprach er deutlich. "Die juristischen
Argumente sind dünn. Statt dagegen zu argumentieren, schlottern den Politikern
die Hosen. Es soll um die ,Verhältnismäßigkeit‘ gehen. Dabei hat das
Bundesverfassungsgericht erst 2006 (im Verfahren um das Luftsicherheitsgesetz)
geurteilt, dass das Leben eines Menschen nicht ,verhältnismäßig‘ ist",
sagte Montgomery. Der Weltärztebund-Vorsitzende warnte vor einem weiteren
starken Anstieg der Todeszahlen.
"Der Winter wird kalt. Es liegt an
uns, dass er nicht auch noch bitter und tödlich wird." Dabei kritisierte
er, dass die politisch Verantwortlichen "in Worten und Handeln an vielen
Stellen versagt" hätten.
"Zu spät, zu halbherzig, zu
unterschiedlich waren die Maßnahmen gegen das tödliche Virus. Zur Kakophonie
der Ministerpräsidenten gesellte sich das parteipolitische Freiheitsgesäusel,
das einen völlig falschen Freiheitsbegriff versprach", so Montgomery.
"Und wer apodiktisch sagt: keine Impfpflicht und nie wieder Lockdown, der
hat die Epidemiologie des Virus nicht verstanden und spielt ihm in die
Hände."
Noch könne es aber gelingen, den Trend der
vierten Welle zu brechen. Montgomery forderte dazu, den Druck auf Ungeimpfte
deutlich zu erhöhen. "Eine Impfpflicht überall dort, wo Menschen eine
Garantenstellung gegenüber Schutzbefohlenen haben, also im Altenheim, im
Krankenhaus oder in der Schule. Wer das nicht will, kann dort nicht
arbeiten", so Montgomery weiter. Zudem plädierte er für eine
Informationspflicht des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber bezüglich des
Impfstatus. "Wie sollen Arbeitgeber Schichtpläne, Bürobesetzung und Schalterdienste
regeln, wenn sie nicht einmal wissen dürfen, wer geimpft oder genesen und wer
völlig ungeschützt in ihren Diensten steht?", fragte er.
"Wer sich nicht impfen lässt, spielt
mit dem eigenen Leben - und dem vieler anderer. Wir streiten dialektisch
darüber, ob mehr Zwang oder mehr Überzeugung der richtige Weg sind. Mit
Überredung versuchen wir es nunmehr seit einem halben Jahr. Weitgehend
erfolglos. Jetzt müssen wir darüber nachdenken, welche Zwänge wir mit den
Grundrechten vereinbar ausüben können", so Montgomery.
Text / Foto: dts Nachrichtenagentur