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TV-Tipp-News: „Hirschhausen und ADHS“ ab 20:15 Uhr im Ersten


Veröffentlicht am 30. Oktober 2023

Die Aufmerksamkeitsstörung ADHS bekommt gerade viel Aufmerksamkeit. In den sozialen Medien wimmelt es vor Selbstoffenbarungen – auch von Prominenten. Ist das eine Modeerscheinung oder ein echtes Problem? Eckart von Hirschhausen hat schon vor 30 Jahren als Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit jungen ADHS-Patient:innen gearbeitet. Damals begann man das „Zappelphilipp“-Syndrom verstärkt zu diagnostizieren und mit Medikamenten zu behandeln, immer in dem Glauben: „Irgendwann wächst sich das aus.“ Heute ist klar: Das war ein großer Irrtum.

Eckart von Hirschhausen fragt in dieser Reportage an verschiedenen Orten in Deutschland: Wie leben Betroffene mit der Aufmerksamkeitsstörung und was hilft ihnen wirklich? Werden zu viele Medikamente verschrieben? Zeigt sich ADHS bei Mädchen anders als bei Jungen? Ist ADHS erblich? Und vor allem: Wie oft leiden Erwachsene, ohne von ihrer Störung zu wissen und ohne Hilfe zu bekommen?

Neue Studien zeigen: Etwa 2,5 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind betroffen. Das heißt: Ein großer Teil von diesen 1,8 Millionen Menschen hat noch keine Diagnose und keine Behandlung. Die Publizistin Samira El Ouassil gehört zu den vielen übersehenen Patient:innen, bei denen ADHS erst spät festgestellt wurde. Sie beschreibt die Diagnose als einen der wichtigsten Momente in ihrem Leben.

Häufig fällt ADHS erst auf, wenn Begleit- oder Folgeerkrankungen wie Angstzustände, Depressionen, Essstörungen oder Sucht auftreten. Der Weg bis zur Diagnose ist für ADHS-Betroffene sehr mühsam und langwierig. Es ist schwer, Fachärzt:innen zu finden. Was läuft schief im deutschen Gesundheitswesen?

Wie das Leben aussieht, wenn gleich mehrere Familienmitglieder betroffen sind, zeigt der Besuch bei Familie Franke im Neckartal. Zwei von vier Kindern sind mit ADHS diagnostiziert und auch beim Vater besteht der Verdacht. Vor der Behandlung geriet die Familie regelmäßig an den Rand der Verzweiflung – und auch heute, mit dem Wissen um die Erkrankung, ist der Alltag oft eine Herausforderung.

Gerade im Jugendalter ist ADHS ein großer Risikofaktor für impulsives Verhalten, Konflikte, Unfälle und Drogenabhängigkeit. Eckart von Hirschhausen besucht die Justizvollzuganstalt Meppen und trifft dort Tim. Er nahm mit 15 Jahren Drogen, wurde kriminell und landetet im Knast. Hier bekam er endlich die richtige Diagnose. Damit ist er nicht allein. Untersuchungen zeigen, dass Inhaftierte in Deutschland mindestens fünfmal so häufig von ADHS betroffen sind wie der Rest der Bevölkerung. Wie anders hätte Tims Leben laufen können, wäre sein ADHS früher erkannt worden? Und was kostet die Unterversorgung gesellschaftlich?

Eckart von Hirschhausen trifft in der Reportage auch eine der führenden Forscherinnen für ADHS bei Erwachsenen, die Bonner Psychiaterin Prof. Dr. Alexandra Philipsen. Er lässt sich selbst diagnostizieren: Welche Anteile von ADHS sind bei ihm festzustellen? Ist das der Motor seiner Kreativität? Ab wann ist man eigentlich „gestört“? Und können ihm Medikamente helfen, sich besser zu fokussieren?

Hirschhausen: „Im Gesundheitswesen gibt es nur zwei Möglichkeiten, entweder man ist krank oder nicht. Im wirklichen Leben gibt es immer ein weites Spektrum von Fähigkeiten und Macken, von Leidensdruck und Laufbahnen. Menschen sind unterschiedlich, vor allem im Kopf. Diese Idee von ‚Neurodiversität‘ finde ich total spannend. Und genau dafür mache ich mich mit dieser Reportage stark. Es ist nicht meine erste – aber vielleicht die persönlichste.“

Film von Kristin Siebert

Text / Foto: programm.ard.de / WDR/Bilderfest/Sebastian Wagner