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TV-Tipp-News: Das gereizte Land - können wir noch fair streiten? • tagesschau45 • ab 22.47 Uhr • Dokumentarfilm

25. Juli 2022

Rechtspopulismus, Corona, Klimawandel: Die Stimmung ist aufgeheizt bei den Menschen in Deutschland. Shitstorms bestimmen große Teile der Debattenkultur. "45 Min"-Reporter Hans Jakob Rausch trifft Opfer von Shitstorms, besucht ein gespaltenes Dorf, ordnet mit Expert*innen ein und fragt: Kann die Republik noch streiten ohne zu hassen?

In Dannenrod in Hessen liegen die Nerven blank. Für den Ausbau der A49 wurde ein nahe gelegenes Waldstück gerodet. Aktivisten von Fridays for Future hatten sich dort verbarrikadiert und Widerstand geleistet. Mittlerweile geht ein Riss durch das Dorf: Die einen helfen den Klimakämpfern, die anderen halten sie für gefährlich. Ingrid Süßmann ist die Wirtin des Dorfgasthofes. Früher gab es hier einen Stammtisch. Sie glaubt nicht, dass er jemals wieder stattfinden wird: "Einige Dorfbewohner haben schon seit Monaten nicht miteinander gesprochen."

Was hier passiert, ist offenbar symptomatisch. In einer repräsentativen Umfrage für diesen Film sagen 65 Prozent der Befragten, dass die Deutschen sich heutzutage in politischen Fragen zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen. 52 Prozent vermeiden es sogar, gewisse Themen im Bekanntenkreis anzusprechen, um keinen Krach zu riskieren.

Der Hausarzt Florian Balkau aus Osnabrück hätte seine Patientin gerne über die Vorteile einer Corona-Impfung aufgeklärt. Sie hatte Angst, davon unfruchtbar zu werden und beschwerte sich über ihren Arzt bei der Lokalzeitung: Sie fühle sich von ihm zur Impfung gedrängt. Der Streit schaukelte sich hoch. Am Ende sagte Balkau, er wolle keine radikalen Impfgegner*innen in seiner Praxis behandeln. Die Folge waren Hunderte Hassmails mit teilweise detaillierten Mordfantasien.

Das kennt die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann aus eigener Erfahrung. Auch sie geriet in einen Shitstorm, schrieb ein Buch darüber und sagt: "Die sozialen Netzwerke haben einen riesigen Anteil daran, dass unsere Debattenkultur vor die Hunde geht." Inzwischen sei eindeutig, woher der meiste Hass kommt: "Die gewalttätigsten Shitstorms kommen von rechts."

Welche Rolle spielen dabei rechte Journalist*innen? Roland Tichy ist der Gründer des Onlineportals Tichys Einblick. Der deutsche Journalistenverband sagt, er trage zur Polarisierung bei. Immer wieder gerät er in die Schlagzeilen, zuletzt wegen einer sexistischen Beleidigung gegen die SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Im Interview gibt er zu: "Debatten leben von Zuspitzung. Sie dürfen übertreiben." Eine Verantwortung für die Folgen seiner Texte will er hingegen nicht übernehmen: "Wir Journalisten wissen nie, wer uns liest und was es auslöst."

Hans Jakob Rausch berichtet aus den Grauzonen der deutschen Streitkultur über die schwierige Balance zwischen Streit und Hass.

Film von Hans Jakob Rausch


Text / Foto: ARD