Idstein
(ots). Nicht nur Ärzte und Pflegekräfte beweisen sich während der Coronakrise
unter erschwerten Bedingungen tagtäglich als unersetzliche Stützen der
Gesellschaft, sondern auch die rund 450.000 in Deutschland tätigen Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen.
Ohne sie wären viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderung in der
aktuellen Situation praktisch hilflos. Insbesondere Physiotherapeuten sind außerdem
in der Rehabilitation nach schweren Lungenerkrankungen äußerst wichtig für die
Rückkehr von Patienten in ihren gewohnten Alltag.
Trotzdem
finden die Heilmittelerbringer in der öffentlichen Wahrnehmung kaum Beachtung.
Sie haben dabei ein zusätzliches Problem: Circa 80 Prozent von ihnen arbeiten
in privaten ambulanten Praxen - von denen viele nun in der Existenz bedroht
sind. Die Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Hammer von der Hochschule
Fresenius in Idstein wünscht sich, dass Politik und Gesellschaft auch diese
Gruppen wertschätzen.
"Die
Coronakrise bringt eine Vielzahl zusätzlicher behandlungsbedürftiger Patienten
hervor. Nach einer schweren Lungenerkrankung müssen Physiotherapeuten die
Atmung, die Atmungsmuskulatur sowie die Beweglichkeit umliegender Strukturen
intensiv therapeutisch versorgen, um Folgeschäden zu vermeiden oder zu
minimieren", berichtet Prof. Dr. Sabine Hammer. Auch die körperliche
Leistungsfähigkeit muss unter fachlicher Anleitung langsam wieder aufgebaut
werden, damit Betroffene wieder berufs- oder schulfähig sind.
Logopäden
versorgen unter anderem Patienten mit Schluckbeschwerden und verhindern, dass
Speisereste in die Luftröhre gelangen. Das kann zu Lungenentzündungen führen,
die schon in normalen Zeiten allzu oft tödlich enden. Ergotherapeuten leisten
wichtige Hilfestellungen bei Menschen, die stark in der Bewegung eingeschränkt
sind - etwa bei Grundbedürfnissen wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege.
"Und wenn Podologen keine fachliche Fußpflege mehr bei schweren Diabetikern
durchführen können, sind in vielen Fällen Amputationen die Folge", so
Hammer weiter. "Nicht zu unterschätzen ist die psychologische
Unterstützung - in Alten- und Pflegeheimen sind Therapeuten momentan häufig die
einzigen Menschen, die sich länger mit den Bewohnern beschäftigen."
Der
Fachkräftemangel war in den bezeichneten Berufen schon vor Corona eklatant.
Diese Situation könnte sich in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal
drastisch verschlimmern. "Aufgrund der geringen Vergütung von Heilmitteln kann
kaum eine Praxis Rücklagen bilden und viele angestellte Therapeuten sind
ohnehin am Existenzminimum. Im Mittel verdienen sie rund 1.000 Euro weniger
brutto im Monat als Pflegekräfte, obwohl sie eine anspruchsvolle Ausbildung
durchlaufen oder sogar studiert haben." Gegenüber Fachkräften mit
vergleichbarer Ausbildung sind es sogar 2.000 Euro brutto weniger im Monat.
"Hier ist also dringend Unterstützung gefragt - zum Erhalt der
Berufsgruppen, aber auch im Sinne des Patientenwohls und dem Aufrechterhalten
des hohen Niveaus der deutschen Gesundheitsversorgung."
Text:
Hochschule Fresenius