header-placeholder


image header
image
solidarity 929400 960 720

Magdeburg: Rekordhaushalt und gekürztes Blindengeld.



Blinden- und Sehbehinderten-Verband kritisiert Benachteiligung blinder und
sehbehinderter Menschen in Sachsen-Anhalt

Magdeburg 06. März 2017 | Der Vorstand des Blinden- und
Sehbehinderten-Verbandes Sachsen-Anhalt e. V. (BSVSA) nahm bei seiner
turnusmäßigen Sitzung am vergangenen Wochenende Stellung zur Haushalts- und
Sozialpolitik des Landes, die blinde und sehbehinderte Menschen im
Ländervergleich massiv benachteiligt. 

Anlass war die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2017/2018 am 3. März
2017.

Die Vorsitzende des BSVSA, Christel Pildner, erklärte dazu: 
„Wir sind sehr enttäuscht, dass sich die schwarz-rot-grüne Landesregierung
und die sie tragende Koalition nicht dazu durchgerungen haben, die unsoziale
Kürzung des Landesblindengeldes von 2013 zurückzunehmen und den betroffenen
rund 3.000 blinden Menschen einen ausreichenden Nachteilsausgleich zu
gewähren.“

Sie kritisiert insbesondere, dass pflegebedürftige blinde Menschen, die in
Pflegeheimen leben, weiterhin keinen Anspruch auf das Landesblindengeld
haben sollen.

Dieses war 2013 für sie von der damaligen Regierung völlig gestrichen
worden.

Stattdessen erhalten sie nur einen Minimalbetrag von 41 Euro im Monat, den
das Land hochgradig Sehbehinderten und Gehörlosen gewährt. 

„Wie will man den betroffenen behinderten Menschen erklären, dass die
Kürzung von 2013 ‚alternativlos’ gewesen sei, wenn man an den beschlossenen
Rekordhaushalt denkt, an den enormen Haushaltsüberschuss von 2016 oder die
zig Millionen, die die Landesregierung für Beraterverträge und Gutachten
ausgibt?“, fragt Pildner. 

Sie verweist darauf, dass andere Bundesländer inzwischen deutliche
Erhöhungen des dortigen Landesblindengeldes beschlossen oder angekündigt
haben.

So steigt das Blindengeld in Brandenburg und Thüringen in mehreren Schritten
an.

Auch der Freistaat Sachsen und das Land Niedersachsen erhöhen das
Blindengeld.

Im Freistaat Bayern, wo das Blindengeld bei 579 Euro monatlich liegt,
bekommen auch hochgradig Sehbehinderte künftig eine Leistung von 30 % dieses
Blindengeldes, nicht nur 41 Euro wie in Sachsen-Anhalt. 

Bayern will außerdem hochgradig Sehbehinderten mit gleichzeitiger
Hörbeeinträchtigung 60 % des Blindengeldes gewähren. Taubblinde mit ihrem
besonders hohen ständigen Hilfebedarf erhalten dort sogar das Blindengeld in
doppelter Höhe! 

„Wie in Sachsen-Anhalt regiere auch im Freistaat eine christliche Partei“,
meint Christel Pildner, „aber die hat auch noch ein ‚S“ im Nahmen…

Es ist bitter für die Betroffenen und ihre Familien, dass Sachsen-Anhalt auf
so vielen Gebieten deutsches Schlusslicht ist und jetzt auch beim
Blindengeld weit hinten liegt! Die Lebens- und Teilhabechancen für Blinde
und Sehbehinderte sind damit erheblich schlechter als in den anderen
Bundesländern.“

Der Vorstand des Verbandes fordert von der Landesregierung ein deutliches
Umsteuern in der Sozial- und Behindertenpolitik.

„Die ist kein Ruhmesblatt für Sachsen-Anhalt“, betont die Vorsitzende. 

Hintergrund:

Die Bundesländer gewähren seit den 50er Jahren blinden und häufig auch
hochgradig sehbehinderten Menschen ein Blindengeld, das die
behinderungsbedingten Mehraufwendungen ausgleichen und ihnen die Teilhabe am
Leben ermöglichen soll.

Es dient der Finanzierung von Assistenz- und Unterstützungsleistungen aller
Art, ermöglicht eine gewisse Mobilität und den Zugang zu Informationen sowie
die Beschaffung der nötigen Hilfsmittel.

Die Höhe des Blindengeldes liegt in den Ländern zwischen ca. 300 und 681
Euro, in Sachsen-Anhalt derzeit bei 320 Euro. 

In den alten Ländern ist es im Schnitt deutlich höher als im Osten
Deutschlands. Doch selbst das arme Mecklenburg-Vorpommern gewährt Blinden
monatlich 430 Euro und hochgradig Sehbehinderten 107 Euro. 

Liegt gleichzeitig Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Sozialgesetzbuch vor,
wird das Blindengeld allerdings deutlich gekürzt, auch für Kinder und
Jugendliche.

2013 hatte die damalige schwarz-rote Landesregierung unter Ministerpräsident
Reiner Haseloff eine „alternativlose“, rigide Sparpolitik ausgerufen. Diese
sollte vor allem die Hochschulen, die Kultur und die blinden Menschen
treffen. 

Das Blindengeld sollte zunächst um fast sieben Millionen Euro gekürzt
werden, Pflegebedürftige in Heimen und hochgradig Sehbehinderte sollten
keinerlei Unterstützung mehr bekommen.

Im parlamentarischen Verfahren gelang es nach massiven Protesten, die
Kürzungen „abzumildern“, so dass beim Blindengeld jährlich „nur“ zwei
Millionen Euro gespart wurden.

Dabei ist es bis heute geblieben, während die Belastung der Hochschulen und
der Theater längst zurückgenommen wurde.

Die Regierungsparteien hatten dem Blinden- und Sehbehinderten-Verband
signalisiert, sich für eine Rücknahme der Kürzungen einzusetzen. Das wurde
aber bei den Haushaltsberatungen trotz der massiven Mehrausgaben in vielen
Bereichen wieder verworfen.

Blinden- und Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e. V.