header-placeholder


image header
image
grimm benne petra

Magdeburg - Heute im Landtag: Rede Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration

Magdeburg, den 31. August 2018


Das Ende des Billiglohnlandes: qualifizierte Arbeit stärken und gut bezahlen, Einkommensgefälle abbauen.


Meine Damen und Herren,

der Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt entwickelt sich positiv. Doch das Einkommensgefälle gerade zu den westdeutschen Ländern nimmt nur langsam ab – trotz steigendem Fachkräftemangel.

 

Sachsen-Anhalts Beschäftigte sind gut qualifiziert und schlecht bezahlt. Dass diese so einfache wie bittere Formel die Realität in Sachsen-Anhalt trotz positiver Entwicklungen weiterhin ziemlich treffend beschreibt, legen die Statistiken nahe. Der Anteil der qualifizierten Beschäftigung hat weiter zugenommen. Laut IAB-Betriebspanel gibt es in zwei Dritteln der Betriebe ausschließlich Arbeitsplätze mit einer beruflichen oder akademischen Ausbildung, und für fünf von sechs Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt ist eine formale berufliche Qualifikation erforderlich. Das ist im Bundesvergleich ein überdurchschnittlich hoher Anteil.

 


Wir sind kein Land der Einfach- und Billigarbeitsplätze! Die Anforderungen sind im Gegenteil hoch. Aber wird diese anspruchsvolle Arbeit auch gut genug bezahlt? Nein!

 

Natürlich ist es positiv, dass die Durchschnittslöhne in Sachsen-Anhalt seit 2014 um fast zehn Prozent gestiegen sind. Und ich kann mit Freude darauf verweisen, dass bei uns heute im Vergleich der ostdeutschen Flächenländer im Schnitt die höchsten Löhne gezahlt werden (wenn auch die Abstände gering sind.). Der relative Lohnzuwachs war deutlich stärker als in Westdeutschland (knapp 6% plus seit 2014) – auch dank der Einführung des Mindestlohns.

 

Aber wir hatten eben auch ein niedriges Ausgangsniveau und wir sehen vor allem, dass sich der Lohnabstand zu Westdeutschland nur sehr langsam verringert. Selbst im „ärmsten“ westdeutschen Bundesland Schleswig-Holstein ist der Medianbruttolohn um fast 500 € höher als in Sachsen-Anhalt.

 

Was für mich besonders problematisch ist: in Sachsen-Anhalt sind sehr niedrige Löhne sehr häufig. Laut IAB-Betriebspanel werden in mehr als der Hälfte der Betriebe in Sachsen-Anhalt durchschnittlich weniger als 2.000 € brutto Monatsverdienst für eine Vollzeitstelle gezahlt (Das entspricht etwa 11,60 € Stundenlohn. Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei 8,84 €).

 

Diese Lohnstruktur wird der hochqualifizierten Arbeit, die geleistet wird, nicht gerecht. Das ist, meine Damen und Herren, auch ein riesiges Problem für die Fachkräftesicherung. Wo schlecht bezahlt wird, ist es schwer, qualifizierte Fachkräfte zu binden.

 

Wir brauchen eine bessere Lohnentwicklung. Wir brauchen angemessene Tariflöhne, die durch die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften ausgehandelt werden. Und wir brauchen vor allem mehr tarifgebundene Unternehmen. Nach wie vor sind in Sachsen-Anhalt (wie in ganz Ostdeutschland) weniger als ein Viertel der Unternehmen tarifgebunden und weniger als die Hälfte der Beschäftigten erhalten tarifvertraglich vereinbarte Entgelte. Sich stärker in Arbeitgeberverbänden zu organisieren und durch die Anwendung tariflicher Standards faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, liegt auch im Eigeninteresse von Unternehmen, die langfristig wettbewerbsfähig im Kampf um Fachkräfte bleiben wollen.

 

Leider stelle ich hier bei den Arbeitgebern immer noch eine eher abwartende Haltung fest. Doch das Fachkräfteprobleme wird sich nicht von selbst auflösen! Daher haben wir uns auch im Fachkräftesicherungspakt darauf verständigt, uns mit dem Thema „Attraktive Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitgeberattraktivität“ intensiv auseinander zu setzen und haben dazu eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Sozialpartner eingerichtet.

 

Lassen sie mich bei dieser Gelegenheit auch noch kurz auf die aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung mit dem Titel „Mangel an Fachkräften oder Zahlungsbereitschaft“ eingehen. In dieser Studie stellt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) die These auf, dass der Fachkräftemangel im Niedriglohnbereich (insb. Leiharbeit, Gastgewerbe, Güterverkehr und Sicherheitsgewerbe) von einschlägigen Studien der Wirtschaft systematisch überschätzt werde. Dass Stellen in diesen Bereichen oft nur schwer besetzt werden können, liege nicht am Mangel von Fachkräften, sondern an wenig attraktiven Arbeits- und Entlohnungsbedingungen. Das Institut warnt weiter davor, dass der herbeigeredete Fachkräftemangel in diesen Niedriglohnbereichen nicht dazu führen darf, Dumping-Konkurrenz zum Beispiel durch niedrig qualifizierte Zuwanderer zuzulassen.

 

Dazu möchte ich klar sagen: Ich teile die Auffassung, dass solche Dumping-Konkurrenz verhindert werden muss. Daher treten wir ja gerade für mehr Tarifbindung und bessere Lohnbedigungen ein. Und dafür habe ich gerade letzte Woche zusammen mit dem DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann ein Projekt auf die Schiene gesetzt, das den Auftrag hat, Arbeitsausbeutung und Dumping-Konkurrenz von migrantischen Arbeitskräften in Sachsen-Anhalt aufzudecken und zu verhindern. Ich sage aber auch klar, dass wir in manchen Bereichen, u.a. im Gesundheitswesen sehr wohl wachsenden Fachkräftemangel haben (das wird auch von der Studie der Hans-Böckler-Stiftung nicht in Frage gestellt). Diesen Bedarf werden wir wahrscheinlich trotz aller Anstrengungen nicht allein aus dem hier vorhandenen Arbeitskräfteangebot decken können. Ich denke daher, dass wir in diesen Bereichen auch geordnete Zuwanderung von qualifizierten ausländischen Fachkräften brauchen, um unsere Probleme zu lösen. Kurz gesagt: es geht hier nicht um Abschottung (wie es die AfD suggeriert), sondern um Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen für alle Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt.

 


 

Wir werden aber in manchen Bereichen nicht umhinkommen, weitere Mindestbedingungen gesetzlich festzuschreiben oder für allgemeinverbindlich zu erklären. Ich unterstütze das bundespolitische Vorhaben zur Einführung einer gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung ausdrücklich und begrüße die Bemühungen von VerDi und den Arbeitgebern im Pflegebereich zur Aushandlung eines allgemeinverbindlichen Ausbildungstarifvertrags für die Pflege in Sachsen-Anhalt.

 

Und wo können wir als Land, als öffentlicher Auftrag- und Fördermittelgeber handeln, damit Gute Arbeit ermöglicht wird? Wir gestalten die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsbedingungen als Kunde und als Fördermittelgeber schließlich wesentlich mit.

 

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge darf es nicht mehr passieren, dass Anbieter nur deshalb keinen Zuschlag bekommen, weil sie tarifgerecht bezahlen und daher etwas höhere Preise kalkulieren müssen. Das geltende Vergaberecht ist leider in dieser Hinsicht nicht immer einfach zu handhaben. Ich bin daher froh, dass wir uns in unserem Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, dass wir das „Landesvergaberecht unter Einbeziehung der bisherigen Wirkungen des Gesetzes insbesondere auf öffentliche Auftraggeber, Unternehmen und Arbeitnehmer weiterentwickeln wollen“. In meinem eigenen Hause habe ich schon jetzt klare Anweisung gegeben, dass bei der Vergabe z.B. von Reinigungsleistungen tarifliche Standards eingehalten werden.

 

Wir wollen gute Arbeit und angemessene Entlohnung aber auch durch die Gestaltung unserer Förderbedingungen ermöglichen. Hier sind wir schon gut vorangekommen. Zwei Beispiele: Wir haben beim KiföG und bei der Gestaltung der Eingliederungshilfe darauf geachtet, dass tarifliche Bezahlung der Beschäftigten möglich ist. Dies ist richtig und wichtig, auch wenn es wachsende Ausgaben des Staates zur Folge hat.

 


 

Die Debatte über Gute Arbeit ist aber keine Debatte nur um den Lohn. Wenn wir qualifizierte Arbeit stärken wollen, müssen wir in die weichen Faktoren „guter Arbeit“ investieren. Dazu gehören Maßnahmen der gesundheitlichen Prävention und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf genauso wie Weiterbildung oder eine kluge Dienstplanung, was zum Beispiel die Arbeit im Pflegebereich attraktiver machen kann. Für Unternehmen, die sich hier entwickeln wollen, bieten wir Unterstützung an - im Rahmen der Landesinitiative „Fachkraft im Fokus“ und der ESF-Förderrichtlinie WEITERBILDUNG BETRIEB. Hier wollen wir noch stärker die Branchen ansprechen, die besonders große Probleme bei der Fachkräftesicherung haben. Zwei große Informationsveranstaltungen für die Pflegebranche sind in Vorbereitung.

 

Auch das gehört zu dem Bündel, das helfen soll, qualifizierte, fair entlohnte Arbeit zu stärken und damit Gute Arbeit in Sachsen-Anhat voran zu bringen.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.