veröffentlicht am Dienstag, 26. März 2024
Magdeburg. Gut 7.946 Tonnen Zucker im Jahr – so süß lebt Magdeburg. Denn der statistische Pro-Kopf-Konsum liegt bei 91 Gramm Zucker am Tag. Umgerechnet würde das für Magdeburg einen gigantischen Berg von 2,6 Milliarden Stück Würfelzucker pro Jahr bedeuten. Das rechnet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor.
Gleichzeitig zieht die NGG-Region Magdeburg aber auch die „Zucker-Bremse“: „Es kann in den kommenden Wochen ein gewisses ‚Zucker-Defizit‘ geben“, warnt NGG-Geschäftsführer Holger Willem. Grund dafür sei ein Tarifstreit mit der Zuckerindustrie. Dabei gehe es vor allem auch um die rund 200 Beschäftigten der Nordzucker AG in Wanzleben-Börde. Für sie fordert die NGG ein Lohn-Plus von 9,8 Prozent. Außerdem sollen Azubis 190 Euro mehr pro Monat fürs Portemonnaie bekommen.
Die Arbeitgeber hätten bislang „allerdings nur 4 Prozent mehr Lohn“ angeboten. Dazu eine Einmalzahlung von 1.000 Euro, so die Gewerkschaft. „Das reicht aber bei weitem nicht, um die Inflation auszugleichen. Die hat nämlich in den letzten beiden Jahren gewaltig auf den Lohn gedrückt: Die Kaufkraft ist seitdem regelrecht weggerutscht“, so Willem. Dagegen habe die Zuckerindustrie „im Sog der Inflation kräftig die Preisspirale nach oben geschraubt“: „Sie hat ein enormes Umsatzplus gemacht und satte Gewinne eingefahren. Davon haben zwar auch die Zuckerrübenbauern der Region profitiert – vor allem aber die Nordzucker AG selbst“, sagt Holger Willem.
„Sind die Arbeitgeber nicht bereit, deutlich mehr in die Lohntüten zu packen, dann wird das auch für das Nordzucker-Werk Klein Wanzleben Konsequenzen haben: Ab April drohen Warnstreiks in allen Zuckerwerken. Wenn es dazu kommt, dann werden weder Tüten- noch Würfelzucker verpackt. Und auch die Produktion von Zuckersticks für die Gastronomie steht dann vorübergehend still“, so Holger Willem.
Vor allem aber müsse sich die Lebensmittelindustrie auf einen „Zucker-Engpass“ einstellen. „Das hätte dann Folgen für eine ganze Palette an Produkten, die ohne Zucker nicht funktionieren: von der Schokolade über die Marmelade bis zur Limonade“, so der Geschäftsführer der NGG Magdeburg. Holger Willem sieht allerdings noch keinen Grund für „spontane Hamsterkäufe“ im Supermarkt: Ende März (Mittwoch, 27. März) gebe es noch eine dritte Tarifrunde. „Dann entscheidet sich, ob die Zuckerindustrie bereit ist, beim Lohn nachzulegen“, so Willem. Die Beschäftigten der Nordzucker AG in Wanzleben-Börde erwarteten jedenfalls, dass die Arbeitgeber bei der Bezahlung „noch kräftig nachsüßen“.
Bislang habe die NGG gute Erfahrungen mit der Nordzucker AG gemacht, wenn es beispielsweise in puncto faire Arbeitsbedingungen um die Kooperation mit der Unternehmensleitung gegangen sei. „Umso unverständlicher ist es, dass die Arbeitgeber jetzt – nach satten Gewinn-Jahren – beim Lohn-Plus so stark auf die Bremse treten. Das wollen und können sich die Beschäftigten nicht bieten lassen“, so Holger Willem.
Insgesamt sei die Zuckerindustrie ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor für die Region – gerade auch die Landwirtschaft: „Sie ist ein wirtschaftlicher Garant für die Zuckerrübenbauern.“ Die heimische Zuckerindustrie biete damit gute soziale, ökologische und ökonomische Pluspunkte gegenüber importiertem Rohrzucker. „Der wird nämlich – vor allem was den Arbeitsschutz und die Bezahlung angeht – unter teilweise abenteuerlichen Bedingungen hergestellt“, sagt Holger Willem.
Die Gewerkschaft macht klar: Wer wie viel und welchen Zucker konsumiere, sei ohnehin eine individuelle Entscheidung. „Es gibt neben den gesundheitlichen Aspekten aber eben auch noch einen sozialen Blickwinkel“, so der NGG-Geschäftsführer.
Nach aktuellen Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker bei 33,2 Kilogramm im Jahr.
Text & Foto: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
