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Dr.Christopher Schwarzbach 30.08

Gesundheit-News: „Strukturierte Nachsorge“ bei Schlaganfall - Weshalb eine gezielte Nachsorge so wichtig wäre


veröffentlicht am 30. August 2023

Foto: Dr. Christopher Schwarzbach, Oberarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Ludwigshafen
Gesundheitsvorsorge ist wichtig – Nachsorge allerdings auch. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel von Schlaganfall-Patienten, für die es bislang noch keine flächendeckenden Nachsorge-Programme gibt. 
Eine Studie hat nun gezeigt: Eine „strukturierte Nachsorge“ kann die Lebensqualität der Patienten verbessern und Risikofaktoren für einen erneuten Schlaganfall abschwächen. Wir haben mit dem Studienkoordinator Dr. Christopher Schwarzbach, Oberarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Ludwigshafen, über die Besonderheiten von Schlaganfällen und über die SANO-Studie gesprochen.

Wie viele Menschen in Deutschland erleiden pro Jahr einen Schlaganfall?
Dr. Christopher J. Schwarzbach: 250.000 bis 270.000 Menschen. Circa 25 Prozent davon erleiden einen Rezidiv-Schlaganfall, also einen erneuten Schlaganfall nach dem ersten. Wenn man das umrechnet auf die Gesamtbevölkerung, dann kann man sagen: Etwa 5 von 1.000 Menschen sind jedes Jahr in Deutschland von einem Schlaganfall betroffen.

Wobei sich das Risiko mit zunehmendem Alter erhöhen dürfte, oder?
Schwarzbach: Tatsächlich haben ältere Menschen ein höheres Risiko als jüngere Menschen. Aber ein Schlaganfall ist eine relativ häufige Erkrankung, so dass auch viele Jüngere davon betroffen sind – das wird aber häufig unterschätzt.

Welche Ursachen kann ein Schlaganfall haben?
Schwarzbach: Da gibt es einen großen Unterschied zwischen älteren und jüngeren Menschen. Bei den Älteren spielen klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren eine wichtige Rolle, also Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte oder Rauchen – ebenso Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung. Solche Gefäß-Risikofaktoren sehen wir zunehmend auch bei jüngeren Menschen, aber bei ihnen gibt es noch andere Ursachen – etwa Gefäßverletzungen, die nach Unfällen oder auch spontan auftreten können. 

Wie gut sind die Überlebenschancen nach einem Schlaganfall?
Schwarzbach: Es gibt so genannte Registerstudien, die das untersucht haben. So haben etwa die Autoren des Erlanger Schlaganfallregisters über 20 Jahre hinweg die Überlebenswahrscheinlichkeit untersucht. Die Überlebensrate lag 3 Monate nach einem Schlaganfall bei 84 Prozent, nach einem Jahr sank sie auf 79 Prozent, nach 5 Jahren war noch etwas mehr als die Hälfte der Patienten am Leben. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass es sich zumeist um ältere Patienten handelte, die auch an anderen Ursachen versterben. 

Wie groß ist das Risiko für einen zweiten Schlaganfall, wenn jemand den ersten überlebt hat?
Schwarzbach: Das hängt stark davon ab, wie jemand behandelt wird. Eine gute Nachsorge kann das Risiko eines zweiten Schlaganfalls deutlich reduzieren. 

Woher wissen Sie das?
Schwarzbach: Es gibt große internationale Schlaganfall-Studien, bei denen man davon ausgehen kann, dass Patienten, die an diesen Studien teilgenommen haben, optimal behandelt wurden. Bei Ihnen lag das Risiko für einen zweiten Schlaganfall innerhalb von drei Monaten bei etwa 2 bis 2,5 Prozent. Aus Registerdaten bei uns in Rheinland-Pfalz wissen wir, dass „Normalpatienten“ ein etwa doppelt so hohes Risiko für einen zweiten Schlaganfall in diesem Zeitraum haben.    

Sie waren Koordinator der so genannten SANO-Studie. Worum ging es dabei?
Schwarzbach: SANO steht für „Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall“. Diese Studie hatte vor allem das Ziel, durch eine strukturierte Nachsorge bei Patienten nach einem Schlaganfall das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu senken. Gleichzeitig wollten wir die Lebensqualität der Patienten erhöhen, indem wir durch eine angemessene Therapie das Risiko oder auch die Behandlung von Folgeerkrankungen reduzieren. Beides kann dazu beitragen, auch das Sterblichkeitsrisiko zu senken.   

Wie viele Patienten haben an der Studie teilgenommen und wie war sie aufgebaut?
Schwarzbach: Es war eine so genannte cluster-randomisierte Studie. Die Besonderheit dabei: Wir hatten 30 Studiencluster, also Regionen, die an dieser Studie teilgenommen haben. Dabei gab es so genannte Interventionsregionen, in denen ein umfassendes Behandlungsnetzwerk etabliert wurde. Und es gab zum Vergleich Regionen mit Behandlungen, die dem üblichen Standard entsprachen. Insgesamt nahmen knapp 2.800 Patienten an der Studie teil, wobei die Hälfte in der Interventionsregion betreut wurde und die andere Hälfte zur Kontrolle diente.   

Welches sind die wichtigsten Ergebnisse?
Schwarzbach: Wir konnten insbesondere nachweisen: Durch dieses strukturierte Nachsorge-Programm erreichen wir tatsächlich eine bessere Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren. Das gilt ganz besonders fürs Rauchen, aber auch für das erhöhte Cholesterin. Beide Faktoren waren bei den Patienten im Interventionsarm, also bei denen, die an dem Programm teilgenommen haben, deutlich besser eingestellt als im Kontrollarm. Tendenziell verbessert haben sich auch andere Faktoren wie Bluthochdruck, Bewegungsmangel und Ernährung. Zugleich konnten wir das Mortalitätsrisiko im Interventionsarm senken.

Wie sieht die strukturierte Nachsorge konkret aus?
Schwarzbach: Kern unseres Nachsorgeprogramms war die Anbindung der Patienten an ein spezialisiertes Schlaganfall-Nachsorgeteam, das angegliedert war an die erstbehandelnde Schlaganfall-Station. Die Patienten wurden in regelmäßigen Abständen nachuntersucht, nach 1, 3, 6, 9 und 12 Monaten. Dieses Team arbeitete in enger Abstimmung mit dem Hausarzt des Patienten. Es gab ein Behandlungsnetzwerk, an dem auch verschiedene Therapeuten, gesundheitsnahe Dienstleister und weitere Fachärzte beteiligt waren. Sie konnten Therapien anbieten, wenn sich bei den Kontrolluntersuchungen zeigte, dass bestimmte Gefäß-Risikofaktoren immer noch zu hoch waren. 

Aus welchem Grund wurde die SANO-Studie gemacht?
Schwarzbach: Es ging uns darum, Nachsorgekonzepte zu prüfen, deren Überführung in die Regelversorgung möglich scheint. Grundsätzlich könnten viele Aspekte des SANO-Programms in ein DMP, ein Disease Management Programm, überführt werden. Ein solches DMP ist für die koronare Herzerkrankung schon lange etabliert, es ist effektiv – und es ist fast überraschend, dass es so etwas für den Schlaganfall noch nicht gibt.    

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich ein DMP für Schlaganfall-Patienten etabliert wird?
Schwarzbach: Gute Frage. Bis jetzt ist die Einführung eines Disease Management Programms an fehlenden Standards für die Schlaganfall-Nachsorge und auch an fehlender Evidenz gescheitert, also einem Nachweis der Wirksamkeit bestimmter Nachsorge-Maßnahmen. Das SANO-Programm konnte einen Nutzen im Hinblick auf die Optimierung der kardiovaskulären Risikofaktoren nachweisen. Ob sich dadurch aber auch das Risiko für weitere Schlaganfälle langfristig reduziert, muss sich erst noch zeigen. Wir werden das in einer Nachfolgestudie noch nach-evaluieren, also langfristig überprüfen, aber schon jetzt könnten die Ergebnisse der SANO-Studie eine gute Grundlage für die Einführung eines DMPs sein.

Was kann ich als Schlaganfall-Patient schon heute tun, um einen zweiten Schlaganfall zu vermeiden?
Schwarzbach: Die wichtigste Maßnahme besteht darin, verschriebene Medikamente tatsächlich regelmäßig einzunehmen. Das können zum Beispiel blutdrucksenkende Medikamente oder Statine sein. Natürlich sollten auch Blutdruck und Blutwerte regelmäßig kontrolliert werden. Bei Rauchern ist ein Rauchstopp extrem wichtig. Auch die Ernährung sollte umgestellt werden auf eine mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Seefisch – der Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch sollte dagegen eingeschränkt werden, ebenso der Alkoholkonsum. Wichtig ist auch körperliche Aktivität – sie sollte immer ein wesentlicher Bestandteil der Nachsorge sein. 

Dies alles wurde ja im Rahmen des SANO-Programms vorgeschlagen – wie haben die Patienten das angenommen?
Schwarzbach: Die meisten Patienten waren sehr dankbar für das Angebot und haben es rege angenommen. Auch an der Studie wollte die Mehrzahl der Patienten teilnehmen, die dafür in Frage kamen.



Text / Foto: PHARMA FAKTEN / Klinikum Ludwigshafen