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TV-Tipp-News: Dem Himmel so fern • arte • ab 20.15 Uhr • Melodram

4. November 2022

Die amerikanische Provinz der 50er Jahre: Cathy Whitaker führt ein Leben wie im Bilderbuch. Doch die perfekte Fassade bröckelt gewaltig, als homosexuelle Tendenzen ihres Mannes zutage kommen und Cathy sich ihrem farbigen Gärtner anvertraut...

Elektroschocks gegen Homosexualität? Frank Whitaker versucht es erst einmal mit Gesprächstherapie, um sich von seiner "Krankheit", der Liebe zu Männern, zu kurieren. Die stets lächelnde Cathy überwindet ihren ersten Schock, nachdem sie ihren Mann in flagranti mit seinem Kollegen erwischt hat, und bemüht sich, ihr Bilderbuchleben aufrecht zu erhalten. Sie ist aufopfernde Mutter, perfekte Gattin und eleganteste Lady der amerikanischen Provinzstadt Hartford der 50er Jahre und versucht das massive Problem, das mit einem Mal ihre Ehe infrage stellt, mit Würde zu lösen. Noch schlimmer als schwul zu sein, ist es in den Augen der braven Bürger Hartfords allerdings, schwarz zu sein. Und der Umgang mit Farbigen, auch "Neger" genannt, ist dementsprechend tabu. Als Cathy in ihrer Einsamkeit etwas zu vertraulich mit ihrem farbigen Gärtner Raymond umgeht, beginnt eine gnadenlose Hetzkampagne ...

Schwarze und Weiße sind sich in diesem Film in einem Punkt einig: Ihre Welten sollen getrennt bleiben! Daher sind in der amerikanischen Kleinstadt Hartford nicht nur die bürgerlichen Bonzen über das angebliche Techtelmechtel von Cathy und Raymond empört, sondern ebenso die Farbigen, die Raymonds grenzüberschreitenden Verrat mit Steinwürfen durch die Fensterscheiben seines Hauses bestrafen. Aus dem harmlosen, wenn auch innigen Spaziergang einer weißen Frau mit einem schwarzen Mann wird ein Alptraum, der Cathy nacheinander Ehre, Ehe und Freunde verlieren lässt und der Raymonds gesamte Existenz zu zerstören droht. Verglichen mit diesem Drama scheint die Homosexualität von Frank Whitaker zur Banalität zu schrumpfen.

Todd Haynes gelingt mit dem Melodram "Dem Himmel so fern" ein Remake der goldenen amerikanischen 50er Jahre. Er zitiert dabei sowohl inhaltlich als auch filmästhetisch den Altmeister des Kinos, Douglas Sirk. Haynes stattet den "falschen Fuffziger" (Welt Online 2003) ganz im Modestil von damals aus - mit Petticoats und Spitzendeckchen - und verwendet altbackene Technicolorfarben und Weichzeichnereffekte. Die Geschichte bürgerlicher Doppelmoral erinnert an Douglous Sirks Klassiker "Was der Himmel erlaubt" von 1955, in dem der Gärtner von Rock Hudson und die Leidende von Jane Wyman gespielt wird. In "Dem Himmel so fern" ist es Julianne Moore, die schauspielerisch sehr überzeugend die leidtragende Musterehefrau verkörpert.

Haynes Gesellschaftsdrama kann mit jeweils vier Nominierungen bei den Golden Globes und bei den Academy-Awards sowie - neben zahlreichen anderen Preisen - mit vier Auszeichnungen bei den Filmfestspielen von Venedig 2002 aufwarten.


Text / Foto: ARD