Berlin (dts Nachrichtenagentur/MDN) - Nach dem Besuch von
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei US-Präsident Joe Biden gibt es Lob und
Kritik. Der Chef der Münchner
Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, bezeichnete den Auftritt von Scholz
in Washington als "Erfolg".
Der Bundeskanzler habe sich "in einer außerordentlich
schwierigen Lage wacker geschlagen", sagte er den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung Oest-France.
"Er hat das transatlantische Verhältnis nachdrücklich und überzeugend bekräftigt." Das sei in der
aktuellen Lage wichtig und notwendig. "Auch beim Thema der Erdgas-Pipeline
Nord Stream 2 hat der gemeinsame Auftritt mit Präsident Biden trotz
Formulierungsunterschieden gezeigt, dass es in dieser für Deutschland sehr schwierigen Frage keinen Streit
mit Amerika gibt", fügte
Ischinger hinzu.
Der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesentwicklungsministerium, Niels Annen (SPD), ging noch weiter als
Ischinger. Der SPD-Politiker sieht nach dem Antrittsbesuch von Scholz die zuletzt
geäußerten Zweifel an Deutschlands Zuverlässigkeit in der Ukraine-Krise
ausgeräumt. Scholz und Biden hätten "all diejenigen widerlegt, die in den
letzten Tagen eine völlig überdrehte
Debatte über eine angebliche
transatlantische Krise geführt
haben", sagte Annen dem "Handelsblatt".
Erwartungsgemäß negativer bewerten Politiker aus der
Opposition die USA-Reise des Kanzlers. "Substanziell fast nichts
Neues", sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch den Funkte-Zeitungen.
"Kein konkreter Fortschritt für
eine Lösung der Krise durch Diplomatie."
In Kiew und Moskau müsse
Scholz "mehr liefern als schöne Bilder". Scharf kritisierte Bartsch,
dass Deutschland die Entsendung zusätzlicher Soldaten ins Baltikum plant. Dies
sei "kein Beitrag zur Deeskalation und eine Belastung für die anstehende Reise nach Moskau", sagte er.
"Wir brauchen Signale der Entspannung und keine
Symbolpolitik auf dem Rücken
deutscher Soldaten." Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zog
unterdessen ein gemischtes Fazit des Antrittsbesuchs von Scholz bei Biden.
Scholz habe zwar im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine
"deutlich klarere Botschaften als sonst" gesetzt und "harte,
gemeinsame und abgestimmte Sanktionen" gegen Russland angekündigt, "allerdings blieb
er weiterhin konkrete Zusicherungen Deutschlands schuldig", sagte
Kiesewetter dem "Handelsblatt".
Konkret bemängelte der CDU-Politiker das Fehlen einer klaren
Stellungnahme zu konkreten Sanktionen und zum Ende der Ostsee-Pipeline Nord
Stream 2, die unter Umgehung der Ukraine Erdgas von Russland nach Deutschland
leiten soll. "Ohne Not hätte Scholz hier konkrete Aussagen treffen können,
da US-Präsident Biden ihm die Brücke
ja baute und die Pipeline ohnehin für
tot erklärte im Falle eines russischen Angriffs", sagte der CDU-Politiker.
"Diese Chance zur Klarstellung hätte Scholz nutzen sollen."
Kritisch zu Scholz äußerte sich auch der Direktor des
Instituts für
Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Joachim Krause. Trotz wiederholter
Nachfragen habe der Kanzler in Washington die Frage offengelassen, wie
weitgehend Nord Stream 2 von möglichen Sanktionen betroffen sein werde, während
Biden klar Position beziehe. "Mit diesem Auftritt hat er die Besorgnisse
in den USA und in der westlichen Welt über
die mangelnde Verlässlichkeit und die Wankelmütigkeit
der Bundesregierung bestimmt nicht beseitigen können", sagte Krause dem
"Handelsblatt".
Text / Foto: dts