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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Do., 1. Oktober 2020

  1. Verfassungsschützer: Amri kein reiner Polizeifall
  2. Steuerabkommen mit Singapur
  3. Linke will Patientenrechte stärken
  4. AfD verlangt Klarheit über versicherungsfremde Leistungen
  5. AfD: Keine Ratifizierung des Protokolls zum UN-Sozialpakt
  6. Praxis der Neueinstellungen
  7. Keine Härtefallregelung für Fleischbetriebe


01. Verfassungsschützer: Amri kein reiner Polizeifall

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Ein ranghoher Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") die Auffassung bekräftigt, dass seine Behörde vor dem islamistischen Anschlag an der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit dem späteren Attentäter Anis Amri nur am Rande befasst gewesen sei. "Aus meiner Perspektive hat es sich um einen Sachverhalt in polizeilicher Zuständigkeit gehandelt", sagte der Leitende Regierungsdirektor Gilbert Siebertz am Donnerstag. Der heute 53-jährige Zeuge ist seit Anfang 2015 in der mit der Abwehr radikalislamischer Bestrebungen betrauten Abteilung 6 tätig, wo er im Juni 2020 in den Rang eines Abteilungsleiters aufstieg. Vor dem Ausschuss hatte er bereits am 27. September 2018 öffentlich und nichtöffentlich ausgesagt.

Den Satz, Amri sei ein "reiner Polizeifall" gewesen, würde er allerdings heute "so nicht mehr verwenden", weil er "missverständlich" sei, betonte der Zeuge. Der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen hatte diese Formulierung Anfang 2017 geprägt. Siebertz selbst hatte sie, wie er am Donnerstag erinnerte, in seiner vorherigen Vernehmung durch den Ausschuss mehrfach benutzt.

Dass die Federführung bei der Polizei gelegen habe, habe freilich den Verfassungsschutz nicht davon abhalten können, sich "im Bereich unserer eigenen Zuständigkeit" ebenfalls mit Amri zu beschäftigen: "Wo möglich, hätten wir den Polizeibehörden zugearbeitet." Dies sei vor dem Attentat allerdings nie der Fall gewesen, weil der Verfassungsschutz damals über keine Erkenntnisse verfügt habe, die über den polizeilichen Wissenstand hinausgegangen wären: "Dass wir uns operativ mit Amri beschäftigt haben, habe ich nie bestritten. Die Zuständigkeit lag aber bei der Polizei."

In der Überzeugung, dass Amri dort in guten Händen war, habe er auch keine Notwendigkeit gesehen, einen V-Mann seiner Behörde in der Moabiter Fussilet-Moschee, wo Amri aus und ein ging, gezielt an diesen "heranzusteuern", sagte der Zeuge weiter. Der Informant habe im Salafistenkreis um die Fussilet-Moschee mit Amri keine persönliche Berührung gehabt, ihn auf einem Foto nicht einmal erkannt. Spätestens seit Anfang 2016 habe der Verfassungsschutz gewusst, dass das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt Amri von einem hoch effizienten V-Mann bearbeiten ließ: "Wir haben einen Sachverhalt in polizeilicher Zuständigkeit, wo eine VP dran ist, die die dollsten Sachen erzählt. Warum sollte ich in dem Zusammenhang meine VP an ihn heransteuern?"

Durch Hinweise, die der Informant des Düsseldorfer Landeskriminalamts beschafft hatte, war Anfang 2016 bekannt geworden, dass Amri damals angeblich Schnellfeuergewehre der Marke AK47 in Frankreich oder Italien erwerben wollte: "Natürlich waren wir zu dem Zeitpunkt auch der Meinung, dass das einen gefährliche Person ist, und diesem Sachverhalt nachzugehen ist. Dass wir es hier mit einem Gefährdungssachverhalt zu tun haben, den man ernst nehmen muss, sehr ernst nehmen muss."

Insofern seien auch Mutmaßungen über terroristische Absichten Amris, die der marokkanische Geheimdienst im September und Oktober 2016 deutschen Behörden in vier Schreiben hatte zukommen lassen, "nichts Neues" gewesen. Ohnehin habe es sich nicht um konkrete Warnungen vor einem bevorstehenden Anschlag gehandelt. Die Marokkaner hätten offenbar Erkenntnisse über eigene Staatsbürger mit Wissensstand deutscher Behörde abgleichen wollen.

Im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) der deutschen Sicherheitsbehörden übernahm es damals der Verfassungsschutz, den Hinweisen nachzugehen. Der Zeuge gab die Ansicht zu erkennen, dass dieser Auftrag bei seiner Behörde an der falschen Adresse gewesen sei. Womöglich handele es sich um eine nachträglich nicht ausgeräumte missverständlich Formulierung im Protokoll. Der Verfassungsschutz sprach einen "potenteren" befreundeten Nachrichtendienst auf die Sache an, ohne die Herkunft der Informationen aus Marokko zu nennen. Er habe lediglich den eigenen Wissensstand zusammengefasst und gefragt, ob es weitergehende Erkenntnisse gebe. Eine Antwort traf erst nach dem Berliner Anschlag ein.



02. Steuerabkommen mit Singapur

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 9. Dezember 2019 zur Änderung des Abkommens vom 28. Juni 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (19/22751) vorgelegt. Damit soll auf Veränderungen im Steuerrecht sowohl in Deutschland als auch in Singapur reagiert werden. Zudem enthält der Gesetzentwurf Regelungen zum steuerlichen Informationsaustausch.



03. Linke will Patientenrechte stärken

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die Linksfraktion fordert eine Stärkung der Patientenrechte bei Behandlungsfehlern. Derzeit seien die Hürden für Entschädigungsansprüche und Schmerzensgeld oftmals zu hoch. Dies betreffe insbesondere den Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden durch Gutachter, heißt es in einem Antrag (19/22995) der Fraktion.

Die Abgeordneten fordern einen Härtefallfonds, um schnell und unbürokratisch Hilfe leisten zu können. In der Frage der Kausalität zwischen Schädigung und Behandlung müsse es Beweiserleichterungen zugunsten der Patienten geben. Langfristig sollten grundlegende Änderungen des Haftungsrechts für erleichterte Entschädigungsansprüche erwogen werden.



04. AfD verlangt Klarheit über versicherungsfremde Leistungen

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (19/22928) Klarheit über die nicht beitragsgedeckten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Aus sozial- und familienpolitischen Gründen würden durch die Versicherung auch Leistungen finanziert, denen keine entsprechenden Beiträge gegenüberstehen. Diese versicherungsfremden Leistungen müssten sachgerecht finanziert werden, schreibt die Fraktion und kritisiert, dass es zur Entwicklung dieser Leistungen bislang keine fortlaufende Berichterstattung weder durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales noch durch die Rentenversicherung gebe.

Die Bundesregierung solle deshalb bei neuen Gesetzesvorhaben mit Auswirkungen auf die Rentenversicherung die Entstehung von neuen nicht beitragsgedeckten Leistungen ausweisen. Außerdem sollen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in den Jahresabrechnungen diese Leistungen in der "erweiterten Abgrenzung" der Deutschen Rentenversicherung Bund gesondert ausweisen. Im jährlichen Rentenversicherungsbericht soll ferner die Entwicklung dieser Leistungen detailliert berichtet werden.



05. AfD: Keine Ratifizierung des Protokolls zum UN-Sozialpakt

Arbeit und Soziales/Antrag

Berlin: (hib/CHE) Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (19/22927) auf, das Fakultativprotokoll des UN-Sozialpaktes (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, wsk-Rechte) nicht zu ratifizieren. Auch solle die Bundesrepublik auf völkerrechtlicher Ebene die politische Unterstützung zu diesem Protokoll entziehen. Das Protokoll regelt ein Individualbeschwerderecht beim zuständigen Fachausschuss der Vereinten Nationen für den Fall, dass sich Einzelpersonen oder Personengruppen in einem der wsk-Rechte verletzt sehen und den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft haben. Die AfD befürchtet, dass auf diesem Wege ein überstaatlicher Rechtsweg für die Bundesrepublik und somit auch eine Art Paralleljustiz legitimiert werden könnte. Nicht zuletzt aus der Natur der wsk-Rechte, vor allem deren Undefinierbarkeit, würde sich die Bundesrepublik mit der Ratifizierung einem enormen Risiko aussetzen, warnt die AfD-Fraktion in ihrem Antrag.



06. Praxis der Neueinstellungen

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Der Anteil der Teilzeitbeschäftigungen an allen 2019 begonnenen Beschäftigungsverhältnissen hat bei 35 Prozent gelegen. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/22759) auf eine Kleine Anfrage (19/22101) der Fraktion Die Linke unter Hinweis auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Demnach haben im vergangenen Jahr auch rund eine Million Leiharbeitnehmer ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begonnen. Der Anteil an allen begonnenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen habe damit neun Prozent betragen. Mindestens sechs Prozent der Neueinstellungen sei zunächst mit Sachgrund befristet erfolgt, schreibt die Regierung weiter.



07. Keine Härtefallregelung für Fleischbetriebe

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Die Bundesregierung plant derzeit keine Härtefallregelung für Fleischbetriebe, die von den Auswirkungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes betroffen sind. Das stellt sie in ihrer Antwort (19/22723) auf eine Kleine Anfrage (19/22162) der AfD-Fraktion klar. Die Fraktion hatte nach Unterstützungen im Falle eines negatives Effektes auf bestehende langfristige Lieferketten gefragt. "Da das Verbot des Einsatzes von Leiharbeit erst zum 1. April 2021 in Kraft treten soll, haben die Unternehmen der Fleischwirtschaft, bei denen sich infolge der gesetzlichen Regelungen Anpassungsbedarf ergibt, drei Monate zusätzlich Zeit, sich auf die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einzustellen", schreibt die Regierung.