(ams).
Sie werden in kleinen, bunten Tütchen verkauft und tragen niedliche Namen wie
Bonzai, Jamaican Summer Dream, Bolivian Bath oder White Dove: Sogenannte
"Legal Highs" oder auch "Neue psychoaktive Stoffe" (NPS)
sind künstlich hergestellte Versionen von illegalen Drogen, die chemisch leicht
verändert wurden, damit sie nicht als illegal eingestuft werden können.
Neue
psychoaktive Stoffe - Die Bezeichnungen klingen harmlos:
"Kräutermischungen", "Pflanzendünger",
"Badesalz", "Raumlufterfrischer" oder "Reiniger"
- ihre eigentliche Bestimmung wird damit verschleiert, Gesundheits- und
Sicherheitsregelungen umgangen. Denn Legal Highs sind hochgefährlich. In Europa
sind laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht mehr
als 730 verschiedene NPS bekannt.
Konsum
kann lebensgefährlich sein
"Bei
Legal Highs sind die Konzentrationen psychoaktiver Substanzen zum Teil so hoch,
dass der Konsum zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen kann", sagt
Susan Urbanek, Expertin für Suchtfragen bei der AOK. Die Folgen reichen von
Kreislaufzusammenbruch, Herzrasen, Ohnmacht, Psychosen und Wahnvorstellungen
bis hin zu drohendem Nierenversagen. Eine Umfrage der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2015 hatte ergeben, dass 2,2
Prozent der 18- bis 25-Jährigen neue psychoaktive Substanzen schon mal probiert
haben.
Inhaltsstoffe
werden meist nicht komplett ausgewiesen
Die
Kräutermischungen werden im Internet in
Ein- oder Drei-Gramm-Tütchen verkauft, die oft mit der Aufschrift "not for
human consumption" ("nicht für den menschlichen Konsum
bestimmt") versehen sind. "Die Konsumenten wissen in der Mehrzahl der
Fälle aber nicht, welche Inhaltsstoffe enthalten sind, weil diese meist nicht
ausgewiesen werden. Vor allem die synthetischen Inhaltsstoffe werden häufig
nicht aufgeführt. Sie haben jedoch eine starke Wirksamkeit und können auch
starke Nebenwirkungen hervorrufen", so Urbanek.
2004
tauchten erstmals Legal Highs in Europa auf
Räuchermischungen
tauchten im Jahr 2004 erstmals in Europa auf, in Deutschland sorgte 2008 das
als Kräutermischung getarnte Produkt "Spice" für Aufsehen, das
ähnliche Wirkung wie Cannabis hatte. Analysen des Produkts ergaben damals, dass
der Effekt nicht von den enthaltenen Kräutern, sondern von den darauf
aufgebrachten synthetischen Cannabinoiden ausging. Synthetische Cannabinoide
sind künstlich hergestellte Substanzen, die eine ähnliche Wirkung haben wie
pflanzlicher Cannabis.
Tests
haben ergeben, dass die enthaltenen Wirkstoffkonzentrationen von Produkt zu
Produkt sehr unterschiedlich sein können. Sogar Kräutermischungen derselben
Marke können unterschiedlich dosiert sein. In den USA gab es vor einigen Jahren
eine Serie von Fällen, in denen Konsumenten von Legal Highs unter schweren
Blutungen litten: Alle hatten synthetische Cannabinoide konsumiert, die
vermutlich mit Rattengift gestreckt waren.
Im
Rahmen des EU-Projekts "SPICE II Plus" wurde 2013 und 2014 eine
Online-Erhebung unter Personen mit Erfahrung im Konsum von Legal Highs
durchgeführt. Die am häufigsten berichteten kurzfristigen negativen Effekte
waren Herzrasen, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Übelkeit und Panikattacken.
Mittel- und langfristig zeigten sich vor allem Craving (starkes
Substanzverlangen) und Entzugssymptome. Die meisten negativen Effekte gab es
bei den synthetischen Cannabinoiden.
Gesetz
zur Eindämmung von Legal Highs
Bis
zum Jahr 2016 waren in Deutschland nur die Mittel verboten, die im
Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgeführt waren - zum Beispiel
"Speed". Wurde eine neue Substanz entdeckt und deren
gesundheitsgefährdender Bestandteil unter Strafe gestellt, entwickelten die
Hersteller der Legal Highs einfach neue Synthetisierungen. "Konsumenten
wissen daher nicht, was die eingenommene Droge wirklich beinhaltet. Eine kleine
Änderung an einer bekannten Droge kann eine völlig neue Droge hervorbringen,
die ganz andere Wirkungen hat", warnt AOK-Expertin Urbanek. Um die
Verbreitung von Legal Highs einzudämmen, trat Ende 2016 das
"Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz" (NpSG) in Kraft - es sieht vor,
dass nicht mehr einzelne Stoffe, sondern ganze Gruppen verboten sind.
"Das
war ein klares Signal an Händler und Konsumenten, dass es sich um verbotene und
gesundheitsgefährdende Stoffe handelt", so Urbanek. Im Sommer 2019 wurde
das Gesetz an die aktuellen Entwicklungen des Drogenmarktes angepasst. Die
Hersteller von Legal Highs sind jedoch weiterhin aktiv: Im Schnitt bringen die
Akteure des EU-Drogenmarktes jede Woche einen neuen psychoaktiven Stoff in
Umlauf.
Text
/ Foto: AOK Bundesverband