FRIEDBERG
(abd) – Spannungsempfinden, Schweregefühl, Schwellungen,
Schmerzen: Solche Beschwerden können auf ein Lymphödem hinweisen. Um
Folgeschäden vorzubeugen, sollte frühzeitig der Hautarzt zu Rate gezogen
werden.
Unser
Lymphdrainagesystem, das aus initialen Lymphgefäßen, Präkollektoren,
Lymphkollektoren, Lymphstämmen und Lymphknoten besteht, ist dafür zuständig,
die durch die Blutgefäßwände filtrierte Flüssigkeit zwischen den Körperzellen
zu sammeln und abzutransportieren. Störungen im Lymphdrainagesystem können zu
einer Vermehrung und Veränderung der Gewebsflüssigkeit im Gewebezwischenraum,
dem Interstitium, führen – ein Lymphödem entwickelt sich. „Beim Lymphödem
handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung des
Zwischenzellgewebes als Folge einer anlagebedingten oder erworbenen Schädigung
des Lymphdrainagesystems“, erklärt Dr. Wilfried Jungkunz, Hautarzt in
Friedberg/Hessen und Sonderreferent für Lymphologie beim Berufsverband der
Deutschen Dermatologen (BVDD).
Anlagebedingten (primären) Lymphödemen können unterschiedliche Genmutationen zugrunde liegen. Häufige Ursache von erworbenen (sekundären) Lymphödemen ist die Entnahme von Lymphknoten, beispielsweise in der Achselregion bei Brustkrebs oder im Beckenbereich bei Prostata- oder Gebärmutterkrebs, die Störungen im Abflussgebiet dieser Lymphknoten an Armen bzw. Beinen sowie den zugehörigen Rumpfquadranten hervorrufen können. Auch andere operative Eingriffe oder eine Bestrahlungstherapie im Rahmen von Krebserkrankungen können das Lymphdrainagesystem schädigen. Wenn möglich, sollte bei solchen Behandlungen auf eine Schonung des Lymphdrainagesystems geachtet werden, um Lymphödemen vorzubeugen (weitere Infos zur Prävention in der Leitlinie „Lymphödeme“, siehe unten). Bei Auftreten eines Lymphödems sei auch an einen Krebsbefall der Lymphknoten oder der Lymphgefäße zu denken, so Dr. Jungkunz.
Unbehandelt
schreitet Lymphödem fort
Ein
Lymphödem macht sich zunächst durch Spannungs- oder Schweregefühle bemerkbar,
es kommt zu Schwellungen, die auch schmerzen können. „Kleidung und Schuhe oder
Ringe an den Händen können sich einseitig oder einseitig betont eng anfühlen
und drücken“, veranschaulicht der Experte. Anfänglich ist das Ödem in der Haut
noch weich und kann durch Hochlagern deutlich reduziert werden. Im weiteren
Verlauf lagert sich Fettgewebe ein und das Bindegewebe vermehrt sich übermäßig,
die Haut verdickt sich und das Gewebe verhärtet sich. Lymphzysten und Fisteln
können sich bilden. Pigmentverfärbungen und warzenartige Hautveränderungen
können auftreten. Zudem kann es zu Störungen der lokalen Immunabwehr kommen und
die betroffene Hautregion wird anfälliger für Infektionen mit Bakterien und
Pilzen.
„Unbehandelt
kann das Lymphödem immer weiter fortschreiten und zu Funktions- und
Bewegungsstörungen der betroffenen Körperregionen bis zur Invalidisierung
führen“, warnt Dr. Jungkunz und rät, frühzeitig einen Hautarzt aufzusuchen. Da
die lymphödemrelevanten initialen Lymphgefäße, Präkollektoren und
Lymphkollektoren in der Haut lokalisiert sind und dort auch die wesentlichen
Symptome einer Lymphabflussstörung auftreten, sei die Lymphologie essentieller
Bestandteil der Dermatologie und der Hautarzt der richtige Ansprechpartner.
KPE:
Therapie mit fünf Säulen
Der
Hautarzt wird zunächst eine sorgfältige Diagnostik vornehmen. „Standardtherapie
des Lymphödems ist die sogenannte Komplexe Physikalische Entstauungstherapie“,
erklärt Dr. Jungkunz.
Die
KPE umfasst fünf Komponenten:
Hautpflege
und falls erforderlich Hautsanierung,
manuelle
Lymphdrainage, bei Bedarf ergänzt mit weiteren manuellen Techniken,
Kompressionstherapie
mit speziellen mehrlagigen, komprimierenden Wechselverbänden und/oder
lymphologischer Kompressionsstrumpfversorgung,
Entstauungsfördernde
Sport-/Bewegungstherapie,
Aufklärung
und Schulung zur individuellen Selbsttherapie.
Durch
die Kombination dieser Maßnahmen werden der Abtransport der krankhaft
vermehrten und veränderteninterstitiellen Flüssigkeit gefördert, die
stauungsbedingte Entzündung gelindert und Veränderungen des Bindegewebes
gebessert. Die Schwellung in der betroffenen Region verringert sich,
Stauungsbeschwerden wie Schwere und Spannungsgefühl gehen zurück, die
Beweglichkeit wird gesteigert und durch den Lymphstau bedingte Hautveränderungen
klingen ab. Bleibt die KPE erfolglos, kann eine operative Therapie erwogen
werden.
„Bereits
im Frühstadium angewendet, ist eine adäquate und konsequente KPE eine effektive
Maßnahme, um dem Fortschreiten und der Chronifizierung der Erkrankung vorzubeugen“,
so Dr. Jungkunz. Die Therapieziele in jedem Stadium der Erkrankung bestehen
darin, einen ödemfreien Zustand oder ein niedrigeres Lymphödem-Stadium zu
erreichen und dadurch die Lebensqualität zu verbessern, eine Teilhabe an
gesellschaftlichen und beruflichen Lebensbereichen zu ermöglichen und
Komplikationen zu verhindern.
Text / Foto:
Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V. pixabay