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Autorin Sigrid König, Vorständin BKK Landesverband Bayern
In
deutschen Krankenhäusern werden jedes Jahr tausende von vermeidbaren
Todesfällen produziert und kaum jemand redet darüber. Ganz zu schweigen davon,
dass die dahinter liegenden strukturellen Defizite nur unzureichend angegangen
werden. Im Gegenteil: Lokale Zeitungen oder Politiker solidarisieren sich
häufig mit dem Krankenhaus. Studien, die schädliche Überangebote und
Versorgungsdefizite aufzeigen, werden öffentlich zerrissen.
Letzteres ist in diesem Sommer der Bertelsmann Stiftung
www.bertelsmann-stiftung.de/krankenhaus-landschaft
passiert. Sie hat im Köln/Leverkusener Raum die
derzeit bestehende Krankenhauslandschaft untersucht und kam zu dem gut
begründeten und gleichzeitig sehr erschreckenden Ergebnis, dass die Mehrzahl
der dortigen Krankenhäuser einen Herzinfarkt besser nicht behandeln sollte.
Entweder weil das Krankenhaus nicht die dazu notwendige technische Ausstattung
hat, oder weil es die empfohlene Mindestmenge von 309 Behandlungen jährlich
nicht erreicht. Das sind Fakten, über die wir dringend öffentlich reden müssen
und Fakten, die wir ebenso dringend ändern müssen. Alleine die Aussage des
Gutachtens, dass wir eine qualitativ gute Versorgung in Deutschland mit weniger
als 600 Krankenhäusern erreichen können, reichte für einen öffentlichen
Shitstorm aus. Mehr ist bislang nicht passiert, auch nicht durch den sich agil
gebenden Bundesgesundheitsminister.
Reicht es, wenn auf einem Gebäude Krankenhaus
drauf steht?
Dies führt mich zu der provokativen Frage, ob wir
tatsächlich meinen, dass überall dort, wo Krankenhaus drauf steht auch
High–Tech-Medizin mit einer 24 Stunden / 7 Tage Erreichbarkeit der
Fachspezialisten und höchsten Qualitätsversprechen drinnen ist. Dieses Bild
scheint tatsächlich in den Köpfen der Politiker, der Medien und wahrscheinlich
auch der Bevölkerung zu existieren. Dr. House, die Schwarzwaldklinik oder
andere filmische Verklärungen von Krankenhäusern lassen grüßen.
Die Realität sieht anders aus. Das hat die
Bertelsmann – Stiftung schonungslos aufgezeigt. Die große Frage ist, wer
verändert das Bild in den Köpfen der Politiker, der Medien und der Bevölkerung?
Wer schafft Bewusstsein dafür, dass wir absolute und vor allem wahrhafte
Transparenz über die Qualität jedes einzelnen Krankenhauses brauchen?
Es ist pervers, die Kranken, insbesondere, wenn
sie in Notsituationen sind, so im Stich zu lassen. Mit unserem Anspruch an
einen Sozialstaat mit öffentlicher Daseinsvorsorge hat das wenig gemein. Wohl
eher mit einem großen blinden Flecken an Hilflosigkeit; aber, gegenüber Wem?
Nun ja, wohl gegenüber der Krankenhauslobby aus den Krankenhäusern selbst und
gestärkt durch die politischen Akteure vor Ort.
Ich appelliere an diejenigen, die Verantwortung in
ihrem Krankenhaus tragen. Sie sollten sachgerecht aufklären, was sie -
insbesondere bei Notfällen - können und was sie nicht können, orientiert an
objektiven Maßstäben wie Mindestmengen oder anderen Qualitätsindikatoren. Sie
sollten ihre Landräte über die wahren Gegebenheiten informieren und den
Politkern Mut zusprechen, die wahre Versorgungssituation offen zu legen. Wenn
vor Ort das Bild von einer auch qualitativ guten Versorgung in den Köpfen
geändert wird, dann ist auch Bereitschaft in der Bevölkerung vorhanden, offen
für andere Versorgungsstrukturen zu werden. Damit ist letztlich allen geholfen,
zuallererst aber den betroffenen Menschen.
Text / Foto: BKK – Betriebskrankenkassen
Landesverband Bayern