MÜNCHEN (abd) – Vor allem bei familiärer Vorbelastung
sorgen sich junge Eltern, dass der Nachwuchs Allergien entwickeln könnte. Doch
wie lässt sich vorbeugen? Das Baby an vielfältige Nahrungsmittel zu gewöhnen,
scheint effektiver zu sein, als es davor zu behüten. Darauf weist der
Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) hin.
Unser Immunsystem ist in der Lage, eine Vielzahl an Substanzen
und Mikroorganismen zu erkennen und unterschiedlich darauf zu reagieren.
Wichtigste Aufgabe des Immunsystems ist es, Krankheitserreger zu bekämpfen und
uns vor Infektionen zu schützen. Auch kranke Körperzellen kann das Immunsystem
unschädlich machen und so dazu beitragen, Krebs zu verhindern. Nützliche
Mikroorganismen auf der Haut oder im Darm verschont ein gesundes Immunsystem
dagegen und auch unzählige harmlose Stoffe, mit denen wir tagtäglich in Kontakt
kommen, werden vertragen.
Bei Allergien kommt es jedoch zu fehlgeleiteten
Immunantworten: Dabei zeigt das Immunsystem überschießende Abwehrreaktionen
gegen eigentlich unschädliche Substanzen oder sogar gegen eigene, gesunde
Körperzellen. „Ein gut funktionierendes Immunsystem zeichnet sich allerdings
nicht durch passive Ignoranz, sondern durch aktive Toleranz aus“, betont Prof.
Dr. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und
Allergologie, Technische Universität München: Auch das Immunsystem Gesunder
erkennt Allergene in Blütenpollen, Hühnerei oder Haustaubmilbenexkrementen, die
bei Menschen, die dagegen allergisch sind, Abwehrreaktionen in Gang setzen.
Doch das Immunsystem Gesunder zeigt darauf – anders als das Immunsystem eines
Allergikers – immunologische Toleranzreaktionen. „Man geht heute davon aus,
dass ein ausgedehntes Immuntoleranzsystem dem Ausbruch atopischer Erkrankungen
wie Heuschnupfen, Neurodermitis und allergisches Asthma sowie auch
Autoimmunerkrankungen entgegenwirkt“, so Prof. Biedermann.
Vielfalt fördert immunologische Toleranz
Der sogenannten „Biodiversitätshypothese“ zufolge kann
die Entwicklung der immunologischen Toleranz durch Vielfalt gefördert werden,
und das Risiko für atopische Erkrankungen wird reduziert, wenn sich das
Immunsystem schon im frühen Kindesalter mit einem breiten Spektrum
unterschiedlicher Einflüsse auseinandersetzt. Verschiedene Studien konnten
beispielsweise aufzeigen, dass Kinder weniger zu Allergien neigen, wenn sie auf
dem Bauernhof aufwachsen, mehrere Geschwister haben oder in einer
Kindertagesstätte betreut werden und so vielen unterschiedlichen
Mikroorganismen ausgesetzt sind.
Zum Schutz vor Allergien wird heute auch eine
Ernährungsdiversivität empfohlen. Ein erhöhtes Risiko, Allergien zu entwickeln,
tragen Kinder, deren Mutter, Vater oder Geschwister unter einer atopischen
Erkrankung leiden. Solchen Risikokindern wurde früher geraten, vorsorglich im
ersten Lebensjahr Nahrungsmittel wie Hühnerei oder Nüsse zu meiden, die häufig
Allergien auslösen. Doch Studiendaten zeigen beispielsweise, dass Kinder, auf
deren Speiseplan im Alter von vier bis 11 Monaten Erdnuss stand, später
seltener eine Erdnussallergie entwickelten. „Damit sich frühzeitig eine
Toleranz gegen Nahrungsmittel entwickeln kann, sollte auch bei Risikokindern
bereits ab dem fünften Lebensmonat nach und nach eine bunte Palette an Beikost
eingeführt werden“, rät Prof. Biedermann.
Tipps vom Hautarzt: Allergien vorbeugen
Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte die
Ernährung ausgewogen sein. Fischkonsum der Mutter scheint das Risiko des Kindes
zu reduzieren, atopische Erkrankungen zu entwickeln.
Säuglinge sollten in den ersten vier Lebensmonaten voll
gestillt werden. Falls Stillen nicht möglich ist, sollten Säuglinge mit
erhöhtem Allergierisiko hypoallergene Nahrung erhalten. Längeres
ausschließliches Stillen trägt nicht dazu bei, das Allergierisiko zu
senken.
Ab dem 5., spätestens ab dem 7. Lebensmonat sollte
Beikost zugefüttert werden.
Das Baby sollte nach und nach vielfältige Speisen
kennenlernen. Dazu sollte auch Fisch gehören. Bei familiär vorbelasteten
Kindern sollte ebenfalls nicht auf Nahrungsmittel verzichtet werden, die häufig
Allergien auslösen.
Alle, auch Risikokinder, sollten entsprechend den
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission STIKO geimpft werden. Impfen erhöht
nicht das Allergierisiko – das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Bei Kindern mit erhöhtem Allergierisiko in der Familie
sollte keine Katze angeschafft werden. Ein Hund im Haushalt scheint dagegen
sogar vor Allergien zu schützen.
Übergewicht sollte vermieden werden.
Ein Schutz vor Hausstaubmilbenallergenen durch
milbendichte Bezüge für Bettwäsche und Matratzen kann einer Allergieentwicklung
nicht vorbeugen und ist nur bei bestehender Allergie gegen Hausstaubmilben
sinnvoll.
Tabakrauch in der Umgebung des Säuglings ist unbedingt zu
vermeiden. Auch die Belastung durch Luftschadstoffe wie Autoabgase oder
Innenraumschadstoffe, wie sie durch neue Möbel oder bei Renovierungsarbeiten
freigesetzt werden können, sollte möglichst geringgehalten werden.
Text - Quelle: Berufsverband der Deutschen Dermatologen
(BVDD)
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