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Online Junge mit Ball

So ein blödes Missgeschick – Eine Geschichte von Florian Schreiter aus Magdeburg

Magdeburg, 13. Januar 2019


Rumms, da war es geschehen! „Ach du Scheiße“, fluchte Tom, „das wird mächtig Ärger geben!“ Das ist die Vase von Tante Trude, ein altes Erbstück. Die feinen goldverzierten Zeichnungen zeugen davon, dass die Vase früher dem ollen König Ludwig gehört hatte. Die antike Vase war Tante Trudes ganzer Stolz. Sie hatte die Vase Toms Eltern zur Hochzeit geschenkt. „Bei euch ist sie in guten Händen, wenn ich irgendwann nicht mehr bin“, meinte sie damals. Und jetzt lag Tante Trudes König-Ludwig-Vase auf dem Parkettboden in sieben großen Scherben verstreut. Ach, welch ein Unglück. 

Oh, Gott! Tante Trude kommt heute zu Besuch – und sie bringt immer Blumen mit! Tom lief es bei dem Gedanken eiskalt den Rücken herunter. Wie enttäuscht wird Tante Trude von Tom sein, wie enttäuscht von seinen Eltern, die ihren Rotzbengel nicht im Griff hätten. Alle werden denken, Tom habe wieder Fußball im Wohnzimmer gespielt. Seine Eltern werden traurig seufzen: „Wie oft haben wir dich schon ermahnt, der Ball gehört nicht ins Haus.“ Dabei war das gar nicht die Ursache für das blöde Missgeschick. Tom ist ein wahrer Ballvirtuose und dribbelt haarscharf millimetergenau – die absolute Ballbeherrschung, in jeder Situation, an jedem Ort. Aber wenn der Parkettboden rutschfrisch gewischt ist, da würde selbst ein Cristiano Ronaldo die Körperbeherrschung verlieren, auch ohne Ball. So wie es Tom passiert ist. Im Sturzflug griff er Halt suchend zum geklöppelten Deckchen auf dem die Vase thronte und riss sie mit ihm in den Abgrund. Nur wird sich das nicht mehr beweisen lassen, wenn Tante Trude eintrifft, bis dahin ist der Parkettboden längst getrocknet.



„Ganz ruhig, ich werde die Vase einfach wieder zusammenkleben“, beschloss Tom. Er sammelte die Scherben auf und schlich mit ihnen in den Keller. Er kramte die Heißklebepistole aus dem schweren Schubfach und puzzelte die Vase Stück für Stück zusammen. „Sieht wieder aus wie vorher“, atmete Tom erleichtert auf, als er sein vollendetes Werk betrachtete. 

Leise schlich er mit der Vase die Kellertreppe hinauf, huschte durch den Flur, plötzlich fegte die Küchentür auf. „Tom, wo warst du? Tante Trude ist da“, schnatterte Toms Mutter vergnügt. Tom versteckte die Vase flink hinter seinem Rücken. „Schau, was für schöne Blumen sie mitgebracht hat, herrliche Gladiolen. Die stellen wir gleich in die Vase!“ Bedächtig kramte Tom die Vase hervor: „Du, Mutti, da ich weiß, dass Tante Trude immer Blumen mitbringt, habe ich die Vase schon aus dem Wohnzimmer geholt, als es an der Tür geläutet hatte. Natürlich ganz vorsichtig, ich weiß ja wie wertvoll die Vase ist. Sie hat ja schon König Ludwig gehört. Deshalb hat es auch so lange gedauert bis ich bei euch war.“ „Was für ein aufmerksamer Bursche euer Tom doch ist, ihr könnt wirklich stolz auf ihn sein“, warf Tante Trude schallend in den Raum. Sie nahm das gute Stück, stellte die Gladiolen geschwind hinein und füllte die Vase mit Wasser.

„Aaaah, iiiiih, uuuuuh, was ist das denn?“, schrillte Tante Trude erschrocken wie eine Sirene auf und wurde ganz blass um die Nase. Aus der Vase spritzte das Wasser nach allen Seiten heraus, wie bei einer Sprinkleranlage für den Rasen. Tom hatte nicht jede Ritze mit der Klebepistole erwischt. Tante Trudes Blick traf Tom messerscharf. Daraufhin gestand Tom unter Tränen sein Missgeschick und wurde vor Scham ganz rot.

„Unglücke, Revolutionen und Kriege hat diese Vase überstanden. Aber ein kleiner Junge von sieben Jahren, zerbricht das gute Stück in sieben Scherben. Respekt!“, zürnte Tante Trude, warf die Vase in die Höhe und ließ sie jauchzend zu Boden knallen. Alle schauten Tante Trude fassungslos an. „Was guckt ihr so blöd? Scherben bringen Glück und davon wünsche ich meinem Tom zum heutigen Geburtstag ein ganzes Kaffeeservice“, sie knutschte ihn fest auf die Wange, drehte sich mit ihm feixend im Kreis und warf dabei übermütig ihre Kaffeetasse an die Wand. Und da wusste Tom, dass nicht die Vase Tantes Trude ganzer Stolz war, sondern er selbst. „Was für eine tolle Tante“, dachte Tom, „was für ein toller Geburtstag!“