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Richterhammer, 08 Uhr

Vaterschaftsanfechtung nach Embryonenspende möglich

07. November 2018

Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 06.11.2018

Das Oberlandesgericht am Main hat mit  veröffentlichten Beschluss bekräftigt, dass die Anfechtung der Vaterschaft für ein im Wege der – in Deutschland unzulässigen - Embryonenspende gezeugtes Kind möglich ist, wenn der Anfechtende nicht in den konkreten Befruchtungsvorgang eingewilligt hat und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits zuvor gescheitert war.

Der Antragsteller und die Mutter eines im Sommer 2013 geborenen Kindes waren seit 2002 verheiratet. Sie trennten sich im Sommer 2011 und sind seit Sommer 2014 geschieden. Das Kind wurde durch künstliche Befruchtung gezeugt. Samen und Eizelle stammten von dritten Personen ab. Der Embryo wurde der Kindesmutter in Tschechien eingepflanzt. Sie trug das Kind aus und hat es auch geboren.

Die geschiedenen Eheleute hatten sich bereits im Jahr 2008 in Deutschland zu einer künstlichen heterologen Insemination entschlossen, die jedoch keinen Erfolg hatte. Seinerzeit hatte der Ehemann in notarieller Form der reproduktionsmedizinischen Behandlung seiner Ehefrau zugestimmt. Kurz vor der Trennung der Eheleute im Jahr 2011 unterzeichneten beide einen Antrag auf künstliche Befruchtung mittels einer Embryonenspende in Tschechien. Der darauf folgende Befruchtungsversuch war nicht erfolgreich. Der tschechischen Klinik wurden nachfolgend 2012 zwei weitere Antragsformulare übersandt, die Unterschriften des Antragsteller und der Kindesmutter zeigten. Ein daraufhin vorgenommener Embryonentransfer führte zur Geburt des Kindes, das wegen der weiter bestehenden Ehe rechtlich als Kind des Ehemannes galt. Dieser hat die Vaterschaft mit der Begründung angefochten, nicht leiblicher Vater zu sein und die Anträge aus dem Jahr 2012 nicht unterzeichnet zu haben.

Das Amtsgericht hatte dem Antrag des Antragstellers stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht bekräftigte, dass er als nicht leiblicher Vater die rechtliche Vaterschaft wirksam anfechten konnte, weil er nicht wirksam in die Zeugung des Kindes mittels einer Embryonenspende eingewilligt habe.

Die Vaterschaftsanfechtung sei hier nicht gesetzlich ausgeschlossen. Gemäß § 1600 Abs. 4 BGB könne zwar eine Anfechtung durch den Vater nicht erfolgen, wenn er in die Zeugung durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt habe. Die Anfechtungssperre sichere das Wohl des betroffenen Kindes, indem sie Wunscheltern die Möglichkeit nehme, die aus der bewussten Einwilligung in eine heterologen Insemination resultierenden Rechtspflichten durch nachträgliche Anfechtung wieder zu beseitigen. Dem Anfechtungsverbot nach § 1600 Abs. 4 BGB stehe daher nicht entgegen, dass die hier vorgenommene Embryonentransferbehandlung in Deutschland unzulässig sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers bedürften vielmehr alle auf künstlichen Weg gezeugten Kinder in rechtlicher und sozialer Hinsicht des Schutzes, unabhängig davon, ob die Art und Weise der ärztlich assistierten Zeugung gegen deutsche Gesetze verstoße.

Tatsächlich liege hier jedoch keine fortdauernde Einwilligung des Antragstellers zu der konkreten, zur Geburt des Kindes führenden Embryonenübertragung vor: Die Mutter habe nicht nachweisen können, dass der Antragsteller den Antrag für den dritten Befruchtungsversuch eigenhändig unterzeichnet habe. Die eingeholten graphologischen und daktyloskopischen Gutachten belegten dies nicht. Die früher erteilten Zustimmungen des Antragstellers entfalteten keine Wirksamkeit für den späteren erfolgreichen Befruchtungsversuch. So habe sich die Einwilligung aus dem Jahr 2008 allein auf eine heterologe Insemination bezogen, nicht jedoch auf die in Deutschland strafbewehrte Methode der Fremdembryonenspende. Die zu Beginn des Jahres 2011 erteilte Einwilligung zur Embryonenspende erstrecke sich nicht auf die nachfolgenden Befruchtungsversuche. Dies ergebe sich bereits aus der Notwendigkeit aktueller unterzeichneter Anträge für jede erneute Behandlung. Maßgeblich sei, dass mit der Einwilligung in die künstliche Befruchtung die Übernahme der Verantwortung für das Kind verbunden sei. Diese Verantwortungsübernahme gründe auf der ehelichen Lebensgemeinschaft. Zum Zeitpunkt der erfolgreichen Befruchtung seien der Antragsteller und die Kindesmutter jedoch seit über einem Jahr getrennt gewesen. Die tatsächliche Grundlage für eine gemeinsame Elternschaft sei damit entfallen.

Die Mutter habe angesichts der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft nicht erwarten können, dass der Antragsteller weiterhin mit ihr gemeinsame elterliche Verantwortung für ein Kind tragen wollte. Daher habe es keines ausdrücklichen Widerrufs der Einwilligung des Antragstellers gegenüber der Kindesmutter bedurft.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.06.2018, Az. 2 UF 194/16