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Aus dem Gerichtssaal: Werben um Unterstützer des IS durch Postings von Propagandamaterial

Samstag, den 23. November 2019

32-JÄHRIGER SYRER ZU EINER FREIHEITSSTRAFE VERURTEILT UND WEITERHIN IN HAFT 

CELLE. Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat einen zur Tatzeit 32-jährigen Syrer mit palästinensischer Volkszugehörigkeit am 21. November 2019 wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten sowie wegen Gewaltdarstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

1 Jahren und 6 Monaten

verurteilt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kam nach der Überzeugung des Senats u. a. deshalb nicht in Betracht, weil im Rahmen der Hauptverhandlung nicht feststellbar gewesen sei, dass er sich von seinen Überzeugungen distanziert habe oder die Taten bereue. Es könne deshalb auch nicht erwartet werden, dass der Angeklagte künftig keine weiteren Straftaten begehen werde.

Dem Angeklagten wurde u. a. vorgeworfen, im Jahr 2018 diverses Propagandamaterial des sog. Islamischen Staats (IS) veröffentlicht und dazu aufgefordert zu haben, dessen Kampf zu unterstützen.

Wegen dieser Vorwürfe war der Angeklagte am 17. Dezember 2018 festgenommen worden. Er befindet sich seither in Untersuchungshaft. Auf dem sichergestellten Smartphone des Angeklagten befanden sich u. a. 50.000 Foto- und Filmdateien, bei denen es sich teilweise um Propagandamaterial von IS-Medienstellen handelt und auf denen u. a. Folterungen, Enthauptungen sowie Sprengstoffanschläge gezeigt werden.

Der Senat sah es aufgrund der an 14 Verhandlungstagen durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Angeklagte im März 2018 auf seinem öffentlich einsehbaren Google+-Profil u. a. eine Bildcollage gepostet hat, die eine Hand mit einem Messer vor der US-amerikanischen Flagge zeigt und mit dem Aufruf überschrieben ist: „Reply the call and stab them“ („Anworte dem Ruf und erstecht sie“). Dieses Posting sei von dem Angeklagten in arabischer Sprache mit dem Kommentar versehen worden: „Wir werden siegen trotz Wunden und Traurigkeit, denn es ist ein Versprechen vom Gott aller Götter“. Nach den weiteren Feststellungen des Senats hat der Angeklagte außerdem ein Foto gepostet, das die Enthauptung eines Menschen mit einem Messer zeigt, und dieses mit den Worten kommentiert: „So pflegen die Gefährten Mohammeds die Kehlen durchzuschneiden als Tat, die sie näher an Gott bringt.“

In der Hauptverhandlung hatte der Angeklagte zu den Vorwürfen geschwiegen und lediglich erklärt, die genannten Bilder zuvor noch nie gesehen zu haben. Die Verteidigung des Angeklagten hat argumentiert, es sei nicht sicher feststellbar, dass die Postings vom Angeklagten selbst stammten und deshalb auf einen Freispruch plädiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft sah den Tatnachweis demgegenüber als geführt an und wertete die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten als „geistige Brandstiftung“. Die besondere Gefährlichkeit der Postings liege vor allem darin, dass die Verbreitung über das Internet grenzenlos sei und vom Angeklagten nicht mehr kontrolliert - vor allem nicht mehr rückgängig gemacht - werden könne. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte deshalb beantragt, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten gegen den Angeklagten zu verhängen.

Der Senat war davon überzeugt, dass die Postings - die einen eindeutigen Bezug zum sog. IS aufwiesen - vom Angeklagten selbst stammten. Für die theoretisch denkbare Möglichkeit, dass dessen Smartphone von einem Dritten unbefugt und ohne Wissen des Angeklagten für die Postings genutzt worden sei, bestünden zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte. Die Botschaft der geposteten Bilder und die dazu eingestellten Kommentare des Angeklagten enthielten unmissverständlich die Aufforderung, den Kampf des IS zu unterstützen und Anschläge nach dem Vorbild bereits begangener Terrorakte auszuführen.

Das Gesetz sieht für das Werben um Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129a StGB) Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, für die öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe und für Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor. Unter Berücksichtigung aller zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Umstände hat der Senat die genannte Gesamtfreiheitsstrafe als tat- und schuldangemessen gewertet. Aufgrund eines heute vom Senat verkündeten neuen Haftbefehls bleibt der Angeklagte zunächst weiterhin in Haft.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Sie kann von dem Angeklagten mit der Revision angegriffen werden.