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Aus dem Gerichtssaal: Keine Sonntagsöffnung in Berlin am 4. Oktober und am 8. November 2020

Dienstag, den 22. September 2020

Verkaufsstellen im Land Berlin dürfen nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin nicht an den Sonntagen des 4. Oktober und des 8. November 2020 öffnen.

Mit Allgemeinverfügung vom 26. August 2020, veröffentlicht am 4. September 2020, legte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zwei Sonntage im zweiten Halbjahr 2020 fest, an denen Verkaufsstellen im öffentlichen Interesse ausnahmsweise zwischen 13:00 bis 20:00 Uhr für das Anbieten von Waren geöffnet sein dürfen. Dabei handelt es sich um den 4. Oktober 2020 zu den Festivitäten zum Tag der Deutschen Einheit und zum Festival „Berlin leuchtet“ sowie den 8. November 2020 zum Abschiedsfest für den Flughafen Tegel, zum „JazzFest Berlin“ und zur „Berlin Science Week. Die Genehmigung zum Offenhalten der Verkaufsstellen an dem jeweiligen Termin gilt unter der Bedingung, dass „die Veranstaltung wie geplant und im analogen Veranstaltungsformat an diesem Termin stattfindet“. Hiergegen wandte sich die Gewerkschaft ver.di.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts hat dem Eilantrag stattgegeben, weil die Allgemeinverfügung offensichtlich rechtswidrig sei.

Soweit die Allgemeinverfügung die Sonntagsöffnungen unter die Bedingung stelle, dass die jeweilige Veranstaltung „wie geplant und im analogen Veranstaltungsformat“ stattfindet, genüge dies nicht dem Bestimmtheitsgebot. Die Veranstaltungen „Jazzfest Berlin“ und „Berlin Science Week“ bestünden nach der aktuellen Planung jeweils aus Einzelveranstaltungen, die pandemiebedingt teilweise digital bzw. virtuell stattfinden sollten. 

Vor diesem Hintergrund bleibe unklar, ob und in welchem Umfang das „JazzFest Berlin“ und die „Berlin Science Week“ noch den Charakter einer die Sonntagsöffnung rechtfertigenden Präsenzveranstaltung trügen. Die Allgemeinverfügung sei aber auch materiell rechtswidrig. Dabei komme es auf die streitige Frage, ob die sog. „Anlassrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts auf die Rechtslage im Land Berlin anwendbar sei, nicht an. 

Das öffentliche Interesse an Sonntagsöffnungen nach dem Berliner Ladenöffnungsgesetz setze jedenfalls eine „große“ Veranstaltung voraus, die Bedeutung für Berlin als Ganzes habe. Daran fehle es hier. Die Entscheidung zum Offenhalten von Verkaufsstellen an Sonntagen setze voraus, dass eine Veranstaltung, die „Bedeutung für Berlin als Ganzes“ haben soll, überhaupt stattfinde. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Festlegung der Ausnahme müsse eine überwiegende Gewissheit dafür bestehen, dass die Veranstaltung auch durchgeführt werde. Anderenfalls sei eine Prognose zu den erwarteten Besucherzahlen als ein Indiz für die Bedeutung der Veranstaltung schlechthin nicht möglich. 

Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit fänden in diesem Jahr aber ebenso wenig unter nennenswerter Publikumsbeteiligung statt wie das angegebene Abschiedsfest für den Flughafen Tegel. Vielmehr seien nach der schon im Erlasszeitpunkt geltenden und auch aktuell unveränderten SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin Veranstaltungen unter freiem Himmel mit mehr als 5.000 Personen und (ab 1. Oktober 2020) in geschlossenen Räumen mit mehr als 1.000 Personen gerade verboten. 

Die Planung für die „Berlin Science Week“ und das „JazzFest Berlin“ seien ebenfalls nach wie vor nicht in ihren Einzelheiten bekannt, pandemiebedingt sei aber diesjährig nur mit einer nur sehr geringen Ausstrahlungswirkung zu rechnen. Schließlich sei das Festival „Berlin leuchtet“ bereits in den Vorjahren nicht als ausreichend für die Annahme einer Sonntagsöffnung angesehen worden. Ein öffentliches Interesse liege schließlich nicht in der Stärkung des Einzelhandels, dem Erhalt von Arbeitsplätzen und dem Gesundheitsschutz. Denn die pandemiebedingte Betroffenheit des örtlichen Einzelhandels könne für jeden Sonntag angeführt werden und begründe daher gerade keinen Ausnahmecharakter vom landesweit geltenden Gebot der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Beschluss der 4. Kammer vom 21. September 2020 (VG 4 L 350/20)