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Aus dem Gerichtssaal: Amtsgericht Magdeburg: Urteil nach Tod im Fahrstuhl

Mittwoch, den 1. Juli 2020

(AG MD). Gestern hat das Schöffengericht des Magdeburger Amtsgerichts in dem Verfahren gegen einen 1965 geborenen Magdeburger das Urteil gesprochen, dem vorgeworfen worden war, durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht zu haben. Der Angeklagte wurde von diesem Vorwurf freigesprochen.

 

In der letzten Januarwoche 2013 soll sich der Angeklagte mit einer zweiten Person, einem Bekannten, in dessen Wohnung zum Sammeln von Kupferschrott verabredet haben. Da der Angeklagte über eine Kletterausrüstung verfügte, seien beide übereingekommen, in der Nacht vom 27. zum 28. Januar 2013 aus dem Fahrstuhlschacht eines Magdeburger Wohnhauses, in welchem sich die Wohnung des Bekannten befunden hatte, Metall zu entwenden. Dazu habe der Bekannte vereinbarungsgemäß die von dem Angeklagten zur Verfügung gestellte Kletterausrüstung angelegt und sei den Fahrstuhlschacht unterhalb des Fahrstuhlkorbes hinabgestiegen. Der Angeklagte habe die Aufgabe übernommen, die Einstiegstür in den Schacht offen zu halten. Weil sich die Tür aus nicht nachvollziehbarem Grund aber schloss, führte der Fahrstuhl eine sog. Korrekturfahrt nach unten durch, so dass der im Schacht befindliche Bekannte des Angeklagten eingeklemmt wurde und in dem Schacht verstarb.


Dass es erst jetzt zu einer strafrechtlichen Aufbereitung des Vorfalls gekommen ist, hat mehrere Ursachen.

 

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hatte zunächst beantragt, das Hauptverfahren vor dem Schwurgericht zu eröffnen, weil es dem Angeklagten einen versuchten Mord durch Unterlassen vorgeworfen hat. Mit Beschluss vom 11. April 2018 hat das Landgericht Magdeburg den hinreichenden Tatverdacht für ein vorsätzliches Tötungsdelikt aber verneint und stattdessen die Anklage wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung zugelassen und das Hauptverfahren hierzu vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Magdeburg eröffnet, das seitdem u.a. ein Sachverständigengutachten zur Rekonstruktion des Vorfalls eingeholt hat.


Anders als zunächst vorgesehen, konnte der Prozess auch nicht wie ursprünglich geplant schon im März 2020 beginnen. Der Angeklagte war nicht greifbar und wurde deshalb zunächst mit einem Haftbefehl gesucht. Die Hauptverhandlung gegen ihn hatte deshalb erst am 28. Mai 2020 begonnen. Seither hat das Gericht Zeugen vernommen und Sachverständige angehört.


Das Gericht vermochte es nicht, sich eine zweifelsfreie Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu bilden, der die Tat von Anfang an bestritten hatte. Der Angeklagte war zwar selbst als Kletterer erfahren, überließ dem Bekannten auch die eigene Kletterausrüstung. Ob jedoch eine weitere Person zugegen war, als der Bekannte in den Fahrstuhlschacht stieg, steht für das Gericht nicht sicher fest. Ebensowenig ist erwiesen, dass es der Angeklagte gewesen sein müsse, falls es eine zweite Person gegeben habe. Letztlich bleibt unaufgeklärt, was den später Getöteten dazu bewogen hatte, mit einer Kletterausrüstung in den Fahrstuhlschacht zu steigen und sich damit in erhebliche Gefahr zu bringen. Das Gericht ist damit nicht den Anträgen von Staatsanwaltschaft und  Nebenklägerin gefolgt, die sich von der Schuld des Angeklagten überzeugt hatten.  

 

Fahrlässige Tötung ist nach § 222 StGB strafbar. Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, hat mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre zu rechnen.


Das Urteil ist nicht rechtskräftig.