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LAMBSDORFF-Interview: Von Putin-Versteherei kann überhaupt keine Rede sein

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments
Alexander Graf Lambsdorff (FotO) gab der „Welt“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sabine Menkens:

Frage: Herr Lambsdorff, wechselt die FDP jetzt ins Lager der Putin-Versteher?

Lambsdorff: Nein. Der Begriff „Provisorium“ sagt klar aus, dass gerade keine Anerkennung der Annexion stattfindet. Wir stehen voll hinter den Sanktionen in der Krim- und der Ostukraine-Frage, wir stehen zur Nato und der Stationierung von Soldaten in den östlichen Nato-Mitgliedsstaaten – alles Dinge, die westliche Politik stärken und unterstützen. Von Putin-Versteherei kann überhaupt keine Rede sein.

Frage: Dennoch will Linder Putin Angebote machen, seine Politik „ohne Gesichtsverlust“ zu korrigieren. Ist das auch Ihre Meinung?

Lambsdorff: Was es geben muss, ist das Signal an Moskau: Ein nicht auf Einschüchterung der Nachbarn und territoriale Expansion ausgerichtetes Verhalten wäre eine Politik, bei der es wieder eine Zusammenarbeit geben könnte.

Frage: Lindner schlägt vor, die Sanktionen schrittweise auch dann zu lockern, wenn Putin seinen Verpflichtungen aus dem Minsker Friedensabkommen noch nicht vollständig nachgekommen ist. Ist das schon Appeasement oder noch Realpolitik?

Lambsdorff: Das Minsk-Abkommen enthält eine ganze Reihe sehr komplizierter Vorschriften. Schon der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat deutlich gemacht, dass es überhaupt nur eine Zug-um-Zug-Verbesserung der Situation geben kann, damit das Abkommen funktioniert. In dieser Zug-um-Zug-Politik können dann gegen Verbesserungen auch einzelne Sanktionen gelockert werden. Das hat aber nichts mit den Krim-Sanktionen zu tun.

Frage: Dann haben die Kritiker, die der FDP jetzt vorwerfen, ihr liberales Erbe zu verraten und Freiheit, Menschenrechte, Völkerrechte auf dem Altar wirtschaftlicher Interessen zu opfern, nur etwas in den falschen Hals bekommen?

Lambsdorff: Die Freien Demokraten stehen ohne Wenn und Aber zu einer festen Westbindung und einem klaren Bekenntnis zu westlichen Werten. Was bisher selten ausgesprochen wurde, ist, dass die Krim-Annexion nicht jede Form von Dialog blockieren darf. Lindner hat deshalb deutlich gemacht, dass wir die Krim-Frage nicht als einzigen Aufhänger dafür nehmen wollen, ob man mit Russland redet oder in einzelnen Fragen kooperiert. Darum ging es ihm und das wurde von vielen absichtlich falsch verstanden.

Frage: Werten wir es einmal als Versuch, einen Neustart in den Beziehungen zu Russland zu erreichen. Warum ist das jetzt so wichtig?

Lambsdorff: Ich glaube, dass wir die Starrheit der Putin-Versteher auf der einen und der Russland-Hasser auf der anderen Seite überwinden müssen. Wir sind sehr nüchtern in der Analyse der teilweise aggressiven russischen Außenpolitik. Aber das langfristige Ziel muss doch sein, dass wir eine Sicherheitsordnung für die nördliche Hemisphäre von Vancouver bis Wladiwostok bekommen, in der Russland eine konstruktive Rolle spielt. Zurzeit ist das nicht der Fall. Wir wollen signalisieren, dass es im Prinzip und bei entsprechendem Verhalten die Bereitschaft gibt, mit Russland kooperativ umzugehen.