veröffentlicht am 27. Oktober 2024
Chronische Rücken- oder Kopfschmerzen gehören zu den Volkskrankheiten in Deutschland. Doch oftmals werden sie unzureichend therapiert. Verbände fordern deshalb ein Umdenken in der Schmerztherapie.
Menschen mit Schmerzerkrankungen wie Fibromyalgie, chronischen Schmerzen oder Migräne fühlen sich stigmatisiert. Das gaben mehr als 90 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Arbeitskreises Patientenorganisationen der Deutschen Schmerzgesellschaft an. Als Gründe dafür nannten sie vor allem mangelndes Wissen oder Verständnis für die jeweilige Schmerzerkrankung sowie eine fehlende Sichtbarkeit.
Beim Blick auf die Versorgungsrealität in Deutschland sieht es nicht anders aus. Denn nach wie vor warten Menschen mit chronischen Schmerzen oft jahrelang auf eine Diagnose und erhalten auch im Anschluss häufig nur eine unzureichende Therapie, weil das Hauptsymptom Schmerz nicht im Fokus der Behandlung steht.
Unzureichende Versorgung der Betroffenen
Diesem Versorgungsproblem widmete sich schwerpunktmäßig der Deutsche Schmerzkongress 2024, der vom 16. bis 19. Oktober in Mannheim stattfand. Er wurde von der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) ausgerichtet. Die beiden Verbände forderten auf der Tagung von der Politik ein Umdenken im Umgang mit Schmerzen.
„Dem Leitsymptom Schmerz muss als eigenes Krankheitsbild mehr Beachtung geschenkt werden“, forderte der Kongresspräsident, Joachim Erlenwein. Denn Schmerzen seien multifaktoriell – anatomische, psychologische und soziale Aspekte spielten eine Rolle. Deshalb müsse die Schmerztherapie nach einem bio-psycho-sozialen Ansatz erfolgen, so der stellvertretende Leiter der Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Göttingen.
Jedoch werden Volkskrankheiten, wie chronische Rücken- oder Kopfschmerzen, oft immer noch nur vom jeweiligen Fachbereich therapiert. „Das kann zu einer Verschlimmerung der Schmerzen und deren Chronifizierung führen“, sagte dazu Professor Dr. med. Dagny Holle-Lee, Kongresspräsidentin und Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums am Universitätsklinikum Essen. Chronische Schmerzen seien „komplexe Krankheitsbilder, die sich (meist) nicht schnell mit einer OP, einem Gips oder einer Pille lösen oder gar heilen lassen.“
Verlässliche Finanzierung und Fortbildung nötig
Die Deutsche Schmerzgesellschaft und die DMKG fordern deshalb eine flächendeckende, qualitativ hochwertige, interdisziplinäre und multimodale Schmerztherapie. Hierfür brauche es eine angemessene Finanzierung und verlässliche politische Rahmenbedingungen. Dafür seien neben einheitlichen Qualitätsstandards auch passende Aus- und Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte nötig.
Prävention hilft
Doch nicht nur die Politik ist gefordert, den Umgang mit chronischen Schmerzen zu verbessern. Auch jede und jeder Einzelne kann etwas tun, damit diese erst gar nicht entstehen oder dauerhaft bleiben.
Ein Beispiel ist das Volksleiden „Rücken“: So hatten laut einer repräsentativen forsa-Umfrage von 2024 im Auftrag des AOK-Bundesverbandes zwar 81 Prozent der 1.501 Befragten im vergangenen Jahr mindestens einmal Rückenschmerzen – jedoch häufig nur vorübergehend: „In vielen Fällen sind die Beschwerden glücklicherweise nur von kurzer Dauer und verschwinden nach einiger Zeit von alleine wieder“, sagt dazu Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Gezieltes Training und die Vermeidung von Risikofaktoren könnten bei der Vorbeugung helfen. Der Umfrage zufolge ist die Mehrheit der Menschen in Deutschland sehr gut im Bilde, was die Risikofaktoren angeht. 93 Prozent sagen etwa, dass Übergewicht sich negativ auf die Rückengesundheit auswirken kann.
Trotz des Bewusstseins, welche Maßnahmen und Faktoren die Rückengesundheit positiv beeinflussen, gelänge es aber vielen Menschen nicht, ihr Wissen in die Tat umzusetzen, bedauert AOK-Chefin Reimann mit Blick auf die forsa-Ergebnisse. Ein niedrigschwelliges Angebot ist deshalb der „AOK Rückentrainer“ der AOK-Kampagne „Rücken? Mach ihn stärker!“. Dieser kann auch von Nicht-Versicherten kostenlos online genutzt werden.
Text / Foto: AOK-Bundesverband