HEIDELBERG (abd) – Dauerjucken quält Menschen mit
Hauterkrankungen wie Neurodermitis oft zum „Aus-der-Haut-fahren“. Hartnäckiger
Pruritus kann aber auch Warnsignal für verschiedene innere Erkrankungen sein.
Der Hautarzt hilft, die Ursachen aufzuspüren und die richtige Therapie zu
finden. Darauf weist der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) hin.
Juckende Haut raubt den Schlaf, mindert
Konzentration und Leistungsfähigkeit und kann die gesamte Lebensqualität
beeinträchtigen. „Viele Betroffene haben zudem mit Vorurteilen zu kämpfen, weil
sie sich ständig kratzen müssen, und ziehen sich aus Scham oft von sozialen
Kontakten zurück“, berichtet Professor Dr. Elke Weisshaar, Hautärztin an der
Pruritus-Ambulanz an der Universitäts-Hautklinik Heidelberg. Vor allem wenn das
Jucken über Wochen und Monate andauert, drohen Ein- und Durchschlafstörungen,
Stigmatisierung und Einschränkungen im Sozial- und Arbeitsleben. Chronischer
Pruritus – so der medizinische Fachbegriff für Hautjucken von mindestens sechs
Wochen Dauer – zählt weltweit zu den 50 zentralen und stark belastenden
Erkrankungen.
Pruritus – besonders belastendes Symptom vieler
Hauterkrankungen
Chronischer Pruritus tritt vor allem im Rahmen
verschiedener Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Urtikaria (Nesselsucht) und
Kontaktallergien auf und ist hier das vorherrschende und oft am meisten
belastende Krankheitszeichen.
Der Forschung gelingt es zunehmend, die Mechanismen
zu entschlüsseln, die dem Hautjucken zugrunde liegen. Die umgangssprachliche
Bezeichnung „Juckreiz“ sei nicht ganz richtig, es handle sich vielmehr um eine
Juckempfindung, die durch einen Juck-Reiz ausgelöst wird, erklärt Prof.
Weisshaar. Heute weiß man, dass bei entzündlichen Hauterkrankungen wie der
Neurodermitis Botenstoffe, die von Haut- und Immunzellen abgegeben werden, die
Endigungen bestimmter Nervenfasern in der Haut stimulieren.
Ein juckreizauslösender Botenstoff ist
beispielsweise Histamin, das bei der Urtikaria oder bei Allergien aus
Mastzellen freigesetzt wird. Zudem können Signalstoffe, die in entzündeter Haut
vermehrt vorkommen, die Nervenfasern sensibilisieren, die dann schon auf geringe
Reize reagieren. Die aktivierten Nervenfasern leiten das Signal an das Gehirn
weiter und lösen dort die Sinnesempfindung Jucken sowie einen unmittelbaren
Kratzreflex aus. Kratzen lindert zwar kurzfristig das Jucken, schädigt jedoch
die Hautbarriere, verstärkt die Entzündung und kann Nervenendigungen in der
Haut verletzen. In der Folge juckt die Haut noch mehr – ein Teufelskreis kann
entstehen.
Mögliches Warnsignal innerer Erkrankungen
„Chronischer Pruritus tritt aber nicht nur im
Rahmen von Hauterkrankungen auf“, betont Prof. Weisshaar. Ansonsten gesunde
Haut kann beispielsweise bei inneren Erkrankungen wie Diabetes, Nieren- oder
Lebererkrankungen und Schilddrüsenfunktionsstörungen sowie bei chronischen
Schädigungen von Nervenfasern und in seltenen Fällen bei Tumoren nachhaltig
jucken. Eine mögliche Ursache können auch Eisenmangel oder bestimmte
Medikamente sein. Sogar Probleme an der Wirbelsäule können zu chronischem
Pruritus insbesondere an Rücken oder Armen führen. Welche Mechanismen bei
solchen Erkrankungen dem chronischen Pruritus zugrunde liegen, ist noch nicht
vollständig geklärt. „Auch wenn die Haut – außer Kratzspuren – keine weiteren
Krankheitszeichen zeigt, sollte das Jucken unbedingt als Warnsignal ernst
genommen werden“, betont Prof. Weisshaar.
Die Abklärung der Ursachen sei der erste Schritt
zur richtigen Therapie. Betroffene sollten nicht resignieren, sondern sich
vertrauensvoll an ihren Hautarzt wenden, der – falls erforderlich – andere
Fachärzte hinzuziehen oder auch an ein spezialisiertes Zentrum verweisen wird.
Wenn die zugrunde liegende Erkrankung behandelt
wird, bessert sich häufig auch das Jucken. Manchmal hat sich der Juckreiz aber
auch verselbständigt und bleibt trotz erfolgreicher Therapie der
Grunderkrankung bestehen oder es gelingt nicht, die Ursache dingfest zu machen.
„Um den Leidensdruck zu lindern, ist daher in der Regel eine direkte Behandlung
des Pruritus nötig“, erklärt Prof. Weisshaar.
Multimodales Behandlungskonzept nötig
Meist wird der Hautarzt ein multimodales, individuelles
Behandlungskonzept in die Wege leiten. Denn bei chronischem Pruritus,
insbesondere bei älteren Menschen, spielen oft mehrere Faktoren eine Rolle.
Trockene Haut sollte vermieden und die Hautbarriere durch eine
feuchtigkeitsspendende und rückfettende Pflege gestärkt werden. Günstig sind
juckreizstillende Inhaltsstoffe wie Harnstoff, Menthol, Lidocain oder
Polidocanol. Wer feststellt, dass bestimmte Trigger die Haut reizen und das
Jucken verschlimmern, sollte darauf verzichten. Das können kratzige Kleidungstücke,
beispielsweise aus Wolle, heiße Getränke oder scharf gewürzte Speisen oder auch
Besuche in der Sauna sein. Bei Allergien sollten die Auslöser möglichst
vermieden werden.
Ein weiterer Baustein im Pruritus-Management sind
Medikamente zur äußerlichen Anwendung. Bei entzündlichen Hautveränderungen
können kurzzeitig eingesetzte Kortikosteroide oder auch Calcineurininhibitoren
den Juckreiz lindern. Auch Capsaicin-haltige Zubereitungen können versucht
werden.
Bei schweren Formen des chronischen Pruritus können
eine UV-Therapie oder Medikamente zur innerlichen Anwendung erwogen werden.
Erste Wahl unter den Medikamenten sind nicht-sedierende, das heißt nicht müde
machende, Antihistaminika, die allerdings nur bei einzelnen Formen des
Pruritus, wie zum Beispiel Urtikaria, helfen. Je nach Ursache des Pruritus
werden daher verschiedene andere Medikamente eingesetzt, wie Antidepressiva,
Opioidantagonisten oder Antikonvulsiva, die auf die Erregungsweiterleitung im
Nervensystem einwirken. Diese sind allerdings nicht speziell für chronischen
Pruritus zugelassen. „Die Forschung arbeitet intensiv an Möglichkeiten einer
gezielten Therapie des chronischen Pruritus“, berichtet Prof. Weisshaar.
Text: Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V.
– (BVDD)