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Lucy & Dicki, Teil 17 – Eine Geschichte von Annemarie Stern aus Haldensleben

Prinzesschen und Sabine

Haldensleben, 3. Februar 2019


Eine Geschichte von Annemarie Stern

Sabine und ihre Mutti holten Prinzesschen von der Katzenmama Anne ab. Erstaunt und beunruhigt sahen Lucy und Dicki zu, wie auch ihr kleinstes Katzenkind entführt wurde. Sabine aber war überglücklich. Sie zeigte Prinzesschen sofort ihr komfortables Schlafkörbchen, ihr Katzenklo und den Fressnapf. Prinzesschen sah sich alles sehr interessiert an. Dann stellte sie sich vor die geschlossene Tür und gab ein forderndes Miauen von sich. Schließlich wollte sie nun, nachdem sie alles angeschaut hatte, wieder nach Hause zu ihrer Mutter Lucy. Aber Sabine band ein Stückchen Zeitung an einem Band fest und zog es durch den Raum. Hey, wie das raschelte und es knisterte so lustig! Prinzesschen dachte: „Warte nur du Raschelding, dich werde ich fangen!“ Und dann ging die wilde Jagd los. Immer, wenn Prinzesschen es beinahe gefangen hatte, gab es einen Ruck an der Schnur, das Spielzeug machte einen Hopser und war in unerreichbare Ferne entwischt. Nun legte sich Prinzesschen auf die Lauer. Sie beachtete das knisternde Etwas nicht. Sie leckte sich ihre Pfoten. Aber aus den Augenwinkeln beobachtete sie es ganz genau und ihre aufgestellten Ohren lauschten aufmerksam. Endlich war das Rascheln in erreichbarer Nähe. Mit einem Satz sprang Prinzesschen zielgenau auf das knisternde Ding zu und ergriff es mit ihren spitzen Krallen. Die Antwort war ein erschrockener Quiekser von Sabine. Das freute Prinzesschen ungemein. Und das Spiel ging weiter. Die Veranda war bald mit Papierschnipseln übersät. Nach dem ausgelassenen Spiel brauchte das Prinzesschen erstmal Ruhe. Nach dem Trinken und dem Fressen schlief sie in ihrem neuen Körbchen traumlos bis zum nächsten Morgen.

Die ganze Familie liebte und verwöhnte Prinzesschen sehr. Sie kannte inzwischen jeden Winkel in dem Haus. Aber eine Tür war stets geschlossen. Es war das Arbeitszimmer von Papi oder Bernd, je nachdem, wer ihn rief. Wochenlang lauerte Prinzesschen auf eine Gelegenheit, um auch diesen Raum in Augenschein zu nehmen. Als die Tür endlich mal offen stand, schlängelte sich Prinzesschen in das Arbeitszimmer. Nun wusste sie auch, warum das so war. Sie erblickte Berge von Raschelpapier. Also spielte Bernd oder Papi genauso gern wie sie damit! Er hatte alles Raschelpapier für sich aufgehoben! Unerhört! Sofort sprang Prinzesschen auf ein Möbelstück, das mit Papier übersät war. Sie fasste mit ihren spitzen Krallen ein Papierstück nach dem anderen. Sie sah entzückt zu, wie es herunter auf den Boden segelte. Sie biss und riss an dem Papier, bis nur noch Schnipsel übrig waren. Aber so ganz allein machte auch das schönste Spiel keinen Spaß. Aber die Tür war inzwischen geschlossen. Also legte sich Prinzesschen auf einen großen Stapel des Raschelpapiers um zu zeigen: Das ist nun meins!

Sie wurde erst durch einen durchdringenden Schrei von Bernd oder Papi geweckt. Der stand mit geweiteten Augen vor ihr und sah sie zornig an. Er schrie immer noch unverständliche Sätze. Da kamen fremde Worte wie Berichte, Rechnungen und Akten, vor. Aber kein Wort darüber, dass er wie ein Dieb alles Raschelpapier gestohlen hatte. Dann schlug er mit der geballten Faust auf das unschuldige Möbelstück. Der Schlag war so kräftig, dass Prinzesschen mit dem Papierhaufen ein Stückchen in die Höhe hüpfte. Da erschrak Prinzesschen sehr. Sie fauchte Bernd oder Papi empört an, stellte ihren kleinen Schwanz auf und ging in Kampfstellung. Die übrige Familie und Sabine kamen erschrocken in das Arbeitszimmer von Papi oder Bernd gerannt. Sabine rette ihr Prinzesschen und brachte den kleinen Rowdy in die Veranda. Dort trösteten sie sich gegenseitig.

Dann kam der Tag, da durfte Prinzesschen das erste Mal das Haus verlassen und den Garten erkunden. Ganz vorsichtig witternd erforschte Prinzesschen das unbekannte Gelände. Es dauerte mehrere Tage. Aber dann benahm sich Prinzesschen gar nicht mehr prinzessinnenhaft. Sie wälzte und kullerte sich im weichen Gras, jagte jedem Blatt nach, sie tobte ausgelassen durch Blumen- und Gemüsebeete, erhaschte fast einen Schmetterling. Danach erblickte Prinzesschen einen großen schwarzen Käfer, der geschäftig durchs Gras lief. „Na dich werde ich jetzt aber fangen!“, dachte sich Prinzesschen und sprang mit einem kühnen Satz auf den Käfer. Aber der wehrte sich und kniff Prinzesschen mit seinen gewaltigen Zangen in ihr empfindliches Näschen! „Aua, miau-au-au, ich wollte doch nur mit dir spielen!“, schrie Prinzesschen beleidigt. Aber Sabine lachte und sagte: „Aber Prinzesschen, mit einem Hirschkäfer legst du dich bestimmt nicht wieder an!“ Eingeschnappt putzte Prinzesschen ihre schmerzende, vorwitzige Nase.

Eines Tages schlich Prinzesschen wieder durch den Garten. An einer Stelle roch es verführerisch. Dort legte sich Prinzesschen zum Ausruhen hin. Mit einem Mal erklang ein leises Rascheln – und plötzlich saßen sich zwei Tierkinder mit großen Augen gegenüber. Es waren das Mausekind Mim und das Katzenkind Prinzesschen. Beiden klopfte das Herz bis zum Hals. Sie rührten sich nicht. Die Stille wurde erst durch Mutter Maus unterbrochen, die durch einen entsetzen, schrillen Piepser ihr Kind in den Bau zurückpfiff.

Eines Vormittags hielt ein Lastauto vor dem Haus. Die Gartentür wurde geöffnet und fremde Männer trugen ein neues Sofa ins Haus. Prinzesschen lugte vorsichtig auf die Straße. Das Auto interessierte sie sehr. Über die geöffnete Ladeklappe kletterte sie flink in den Bauch des Autos. Sie schnüffelte hier und dort, aber nirgendwo roch es gut. Plötzlich hörte sie ein metallisches Klicken und es wurde dunkel. Dann fuhr das Auto rumpelnd davon. Prinzesschens Herz klopfte laut vor Entsetzen. Sie kuschelte sich in aufgehäufte Decken. Als das Auto anhielt, kam den Möbelträgern das Katzenkind schon entgegen. Prinzesschen entwischte der Hand des Fahrers. Sie flitzte bis zu einem Busch und versteckte sich. Der gutmütige Fahrer des Möbelautos rief sofort bei Sabines Eltern an. Sabine machte sich sofort auf die Suche. „Prinzesschen, Prinzesschen, wo steckst du!“, rief sie. Aber sie fand ihr Prinzesschen nicht. Zwei lange Tage blieb Prinzesschen verschwunden und Sabine weinte sich jeden Abend in den Schlaf. Auch Prinzesschen fühlte sich verlassen und sie fror unter dem Busch. Plötzlich raschelte es. Ein bekannter Duft stieg Prinzesschen in die Nase. Da saßen sie vor ihr: Dicki und Lucy. Das war eine Freude! Sie wärmten ihr zitterndes Kind. Leckten ihr Fell und schmusten. Sie hatten sich unendlich viel zu berichten.

Am nächsten Tag kam die ganze Familie mit zum Suchen und Rufen. Aber erst als Prinzesschen die Stimme von Sabine erkannte, kam sie laut miauend unter dem Busch hervorgekrochen. Sie sah gar nicht mehr wie eine Prinzessin aus. Sie war arg zerzaust und struppig. Aber Sabine drückte das Kätzchen an sich und ihre Familie streichelte das wiedergefundene Prinzesschen. Es raschelte wieder. Lucy und Dicki sahen sich noch einmal Abschied nehmend um, bevor sie wieder zum Hohen Hof liefen.

Ja, das Prinzesschen musste noch viel lernen, bis sie erneut von ihrer Neugier überwältigt wurde, um ein neues Abenteuer zu wagen! Erst einmal aber waren Sabine und ihr Prinzesschen glücklich, dass sie sich wiedergefunden hatten!