veröffentlicht am 10. September 2024
Wenn die Ampel von Grün auf Gelb springt, dann bleibt Autofahrern oft nur wenig Zeit für die richtige Entscheidung. Nicht zuletzt deshalb gilt beim Anfahren eines Stopplichts erhöhte Vorsicht.
Was aber, wenn sie die falsche Entscheidung getroffen und die Ampel bei Rot überfahren haben – sei es aus Unachtsamkeit oder einer Fehleinschätzung der Gelbphase?
Wie hoch sind die Bußgelder, mit denen Autofahrer rechnen müssen, die bei einem sogenannten Rotlichtverstoß geblitzt wurden? Und welche anderen Konsequenzen sieht das Gesetz für das Überfahren einer roten Ampel vor? ARAG Experte Jan Lukas Kemperdiek, Fachanwalt für Verkehrsrecht, hat anlässlich des Internationalen Tages der Verkehrsampel am 5. August die wichtigsten Informationen zusammengefasst.
Was sieht der Bußgeldkatalog bei Rotlichtverstößen vor? Wann drohen ein Fahrverbot oder Punkte?
Jan Lukas Kemperdiek: Mit Punkten in Flensburg müssen Autofahrer schon bei einem sogenannten einfachen Rotlichtverstoß rechnen. Ein Fahrverbot droht grundsätzlich erst, wenn Sie einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen haben. Eine Ausnahme von dieser Regel ergibt sich, wenn Sie durch das Überfahren der roten Ampel einen Unfall verursacht oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet haben. In diesem Fall kann auch schon ein einfacher Rotlichtverstoß zu einem Führerscheinentzug führen.
Was ist der Unterschied zwischen einfachem und qualifiziertem Rotlichtverstoß?
Jan Lukas Kemperdiek: Ein einfacher Rotlichtverstoß liegt dann vor, wenn die Ampel zum Zeitpunkt der Überquerung der Haltelinie erst weniger als eine Sekunde auf Rot stand und der Fahrer bis in den Gefahrenbereich hinter der Ampel weiterfährt. Dann gibt es ein Bußgeld von 90 Euro und einen Punkt in Flensburg. Wurde beim Überfahren der roten Ampel ein anderer Verkehrsteilnehmer unmittelbar gefährdet, erhöht sich das Bußgeld auf 200 Euro. Dazu kommen zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot. Kommt es darüber hinaus noch zu einer Sachbeschädigung, steigt das Bußgeld sogar auf 240 Euro an.
Im Vergleich zu einem einfachen Rotlichtverstoß müssen Autofahrer bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß mit höheren Bußgeldern und schärferen Sanktionen rechnen. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt dann vor, wenn die Ampel zum Zeitpunkt der Überquerung der Haltelinie bereits länger als eine Sekunde auf Rot stand und der Autofahrer bis in den Gefahrenbereich hinter der Ampel weiterfährt. Wenn nichts weiter passiert, sieht der Bußgeldkatalog eine Geldstrafe von 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot vor. Kommt es aber zu einer Gefährdung von Dritten, also etwa Fußgängern, Fahrradfahrern oder anderen Autofahrern, dann erhöht sich das Bußgeld auf 320 Euro. Ist dann noch Sachbeschädigung im Spiel, sind es sogar 360 Euro.
Was passiert, wenn man in der Probezeit über Rot fährt?
Jan Lukas Kemperdiek: Fahranfänger, die in ihrer Probezeit beim Überfahren einer roten Ampel geblitzt wurden, müssen damit rechnen, dass ihre Probezeit verlängert wird. Und zwar auch schon bei einem einfachen Rotlichtverstoß. Das nennt sich dann A-Verstoß. Und der kann zu einer Verlängerung der Probezeit von zwei auf vier Jahre und der Anordnung eines kostenpflichtigen Aufbauseminars führen. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (umgangssprachlich „Idiotentest“). Wer das Seminar ablehnt, dem droht der Führerscheinentzug .
Mit welcher Strafe müssen Radler rechnen, wenn sie bei Rot über die Ampel fahren?
Jan Lukas Kemperdiek: Auch wenn es manchmal den Anschein hat – über die rote Ampel zu radeln, ist kein Kavaliersdelikt. Es kostet mindestens 60 Euro und unter Umständen einen Punkt in Flensburg. Doch es muss nicht immer mit einem Bußgeld enden. So wurde erst kürzlich vor dem Oberlandesgericht Hamburg der Fall einer Radlerin verhandelt, die an einer roten Ampel eine gefühlte Ewigkeit wartete, bevor sie dann doch bei Rot losfuhr.
Dabei wurde sie erwischt und sollte prompt ein Bußgeld von 100 Euro zahlen, weil sie die rote Ampel vorsätzlich missachtet hatte. Die Radlerin legte jedoch Einspruch ein. Nach mehr als fünf Minuten Wartezeit war sie einfach davon ausgegangen, dass die Ampel defekt sei. Von vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln konnte also keine Rede sein. Und so sahen es auch die Richter, allerdings erst in zweiter Instanz. Bei der Urteilsfindung stellte sich dann heraus, dass die Ampel, die erst bei Bedarf auf Grün schaltet, sobald ein Fahrzeug sich nähert, tatsächlich gestört war. Die Kontaktschleife wurde durch das Rad nicht aktiviert (Oberlandesgericht Hamburg, Az.: 5 Orbs 25/23).
Text / Foto: ARAG SE / pixabay