Berlin.
Mehr als jeder sechste AOK-Versicherte ist wegen chronischer, unspezifischer
Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung. Laut dem aktuellen Heilmittelbericht
des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) war mehr als ein Viertel (26,7
Prozent) von den 4,4 Millionen Rückenschmerzpatienten deswegen in den letzten
fünf Jahren dauerhaft beim Arzt, Frauen häufiger als Männer. „Die Zahlen
zeigen, dass der Rückenschmerz zu Recht als Volkskrankheit bezeichnet wird.
Neben der Behandlung durch Ärzte und Physiotherapeuten können
Präventionsmaßnahmen gegen Bewegungsmangel und einseitige Belastungen, aber
auch gegen Übergewicht helfen“, so Helmut Schröder, stellvertretender
Geschäftsführer des WIdO.
Chronische,
unspezifische Rückenschmerzen betreffen mehr Frauen als Männer: 2017 waren
knapp 2,6 Millionen der 4,4 Millionen AOK-Patienten weiblich. Insgesamt leiden
somit rund 20 Prozent aller AOK-versicherten Frauen und fast 15 Prozent der
Männer unter chronischen, unspezifischen Rückenschmerzen. Die Rate steigt mit
zunehmendem Lebensalter kontinuierlich an und ist in den letzten Jahren vor dem
Renteneintritt bei beiden Geschlechtern am höchsten.
Die Behandlung
zieht sich teilweise über mehrere Jahre hinweg: Unter den AOK-versicherten
Rückenschmerzpatienten des Jahres 2017 waren 65,5 Prozent bereits 2016 in
Behandlung und 26,7 Prozent dauerhaft seit 2013.
Frauen nutzen häufiger
Physiotherapie
Während
Schmerzmittel beiden Geschlechtern in etwa gleich hohem Umfang verordnet
werden (Frauen 78,3 Prozent, Männer 76,7 Prozent), zeigen sich bei
der Inanspruchnahme von physiotherapeutischen Angeboten klare
Geschlechterunterschiede: Bei den Frauen nutzt rund ein Drittel der
Patientinnen (33,2 Prozent) eine Physiotherapie, bei den Männern nur ein
Viertel (24,6 Prozent); Frauen erhalten die meisten Verordnungen im Alter von
50 bis 54 Jahren (36,8 Prozent), Männer im Alter von 75 bis 79 Jahren (26,7 Prozent).
„Auch wenn Frauen
und Männer Physiotherapie sehr unterschiedlich nutzen, sind chronische,
unspezifische Rückenschmerzen bei beiden Geschlechtern der häufigste Grund für
Krankengymnastik, Massage und Co.“, so Helmut Schröder.
Behandlungsprogramm für Rückenschmerzpatienten
Für Patienten mit
chronischen, unspezifischen Rückenschmerzen hat der Gemeinsame Bundesausschuss
am 1. Oktober 2019 die Grundlage für sogenannte Disease-Management-Programme
(DMP) verabschiedet. Die darin enthaltenen Anforderungen für die Behandlung
basieren auf einer Recherche wissenschaftlicher Leitli- nien und Studien.
Empfohlen werden verschiedene Maßnahmen: Die Basis bildet eine Aktivierung und
Lebensstiländerung, die durch individuelle Therapiemaßnahmen wie
Krankengymnastik, Entspannungsverfahren, psychotherapeutische und
psychosomatische Behandlungen sowie Schmerztherapie mit Arzneimitteln ergänzt
werden können. Bei Erfolglosigkeit kann eine teilstationäre oder stationäre
multimodale Schmerztherapie eingeleitet werden. „Damit können betroffene
Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in Zukunft noch be- darfsgerechter
unterstützt werden“, so Schröder.
Der Heilmittelbericht 2019
Für den
Heilmittelbericht 2019 hat das WIdO die insgesamt rund 42 Millionen
Heilmittelleistungen ausgewertet, die 2018 zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung abgerechnet wurden, davon 15,4 Millionen für
AOK-Versicherte. Der Heilmittelumsatz erreichte damit insgesamt 7,25 Milliarden
Euro. Heilmittel umfassen physiotherapeutische, sprachtherapeutische,
ergotherapeutische und podologische Leistungen, die im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Für die
5 Millionen AOK-Versicherten, die 2018 eine Heilmittelbehandlung in Anspruch
genommen haben, können die Kennzahlen der Versorgung auch mit Patientenbezug
dargestellt werden.
Für die
Definition von chronischen Rückenschmerzen hat das WIdO die Behandlungen der
AOK-Versicherten von 2013 bis 2018 untersucht. Wenn ein AOK-versicherter
Patient in mindestens zwei Quartalen eines Jahres wegen unspezifischer
Rückenschmerzen bei einem Arzt war, dann arbeitsunfähig geschrieben und/oder
auch mit Arzneimitteln oder Physiotherapie versorgt wurde, gehen die
Versorgungsforscher des WIdO davon aus, dass hier ein chronischer Rückenschmerzpatient
behandelt wird. Unter unspezifischen Rückenschmerzen werden alle Probleme
zusammengefasst, die nicht auf Frakturen, Bandscheibenvorfälle,
Krebserkrankungen oder Ähnliches zurückzuführen sind.
Text / Abbildung:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)