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Mundgesund 28

Gesundheit-News: Zahnarzt Professor Dr. Falk Schwendicke - Mundgesundheit: „Länger bürsten und mit System“

1. Januar 2022

Interview mit Zahnarzt Professor Dr. Falk Schwendicke

Foto: Professor Dr. Falk Schwendicke ist Zahnarzt. Er leitet die Abteilung Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Außerdem ist er Mitglied im Expertenbeirat der Stiftung Gesundheitswissen.

Berlin. Mit dem Zähneputzen nehmen manche Deutsche es nicht so genau. Das zeigen Zahlen aus der Deutschen Mundgesundheitsstudie. Dementsprechend setzt nur jeder dritte Erwachsene die Empfehlungen zur täglichen Zahnpflege um.

Bei den Kindern erfüllt immerhin knapp die Hälfte die Anforderungen an eine gute Mundhygiene. Wir haben einen Experten gefragt, wo das Problem liegt und was zu einer guten Mundhygiene gehört.

Herr Professor Schwendicke, laut Studien haben die Deutschen Aufholbedarf in Sachen Mundhygiene. Kümmern wir uns wirklich so schlecht um unsere Zähne?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Viele Menschen putzen sich sehr regelmäßig die Zähne. Allerdings bürsten viele nicht lange genug und ohne System. Am häufigsten hapert es an der Pflege der Zahnzwischenräume: Die wenigsten benutzen regelmäßig Zahnseide oder Zwischenraum-Bürstchen. Es gibt aber auch positive Trends: So sehen wir vor allem bei Kindern immer weniger Karies. Mehr aufpassen müssen wir bei älteren Menschen. Hier nehmen Karies und Parodontitis zu, weil immer mehr Senioren und Seniorinnen die eigenen Zähne länger behalten – und dementsprechend länger gute Zahnpflege brauchen.

Was passiert eigentlich, wenn ich das Zähneputzen mal vergesse oder mitunter nicht ganz so gründlich bin?

Vermutlich nichts – wenn Sie es wirklich nur ausnahmsweise mal vergessen. Wenn wir alle perfekt putzen würden, wäre es theoretisch ausreichend, die Zähne nur einmal am Tag zu putzen. Es dauert eine Weile, bis die krankmachenden Bakterien sich im Mund ausreichend vermehrt haben, um die Zähne anzugreifen. Die Wirklichkeit sieht aber so aus, dass die meisten von uns nicht gründlich genug putzen. Deshalb ist ein Zweites Mal bürsten am Tag durchaus sinnvoll. Ein schmutziges Auto wird ja in der Regel auch sauberer, wenn Sie es zweimal durch die Waschstraße fahren.

Experten mahnen ja immer wieder, dass von vielen die Bedeutung der Mundhygiene unterschätzt wird. Mal abgesehen von der Schädigung der Zähne durch Karies, können Bakterien aus dem Mund auch in andere Bereiche des Körpers gelangen?

Ja und das ist nicht zu unterschätzen. Vor allem ältere Leuten atmen manchmal Bakterien ein, die dann in die Lunge gelangen. Dadurch verdoppelt sich das Risiko, eine Lungenentzündung zu bekommen. Außerdem sehen wir in der Praxis häufig, dass schlechte Gesundheit im Mund auch oft mit einer schlechten Allgemeingesundheit einhergeht. Bei Menschen mit Parodontitis und Diabetes zum Beispiel lässt sich der Blutzucker oft schwerer einstellen. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten oft gemeinsam mit Zahn- und Zahnfleischproblemen auf.

Wie sieht die perfekte Mundhygiene aus, die solche Folgen verhindert?

Erstens: Zweimal täglich Zähneputzen für jeweils zwei Minuten. Dabei muss man nicht unbedingt auf eine spezielle Technik achten. Wichtiger ist, dass man mit System putzt und zwar alles: oben, unten, außen, innen und auch die Kauflächen. Viele Menschen lassen einen oder mehrere dieser Bereich regelmäßig aus. Diese Stelle sind dann natürlich besonders gefährdet für Karies oder Parodontitis. Zweitens: Zahnpasta mit Fluorid verwenden. Das ist schon die halbe Miete um Karies zu verhindern. Drittens: Einmal täglich die Zahnzwischenräume mit Zwischenraum-Bürstchen oder Zahnseide reinigen, damit sich dort kein Plaque ablagern kann.

Laut dem Forschungs-Netzwerks Cochrane ist die Wirksamkeit von Zwischenraum-Bürstchen und Zahnseide schlecht belegt. Warum werden sie trotzdem empfohlen?

Menschen, die die Zahnzwischenräume nie oder nur selten reinigen, haben oft viel Plaque und Zahnstein. Diese Menschen haben auch häufiger Karies oder Paradontitis. Die Beläge zwischen den Zähnen müssen also auch regelmäßig entfernt werden, damit sie nicht krank machen. Zwischenraum-Bürstchen und Zahnseide sind gute Instrumente dafür. Das zeigen Studien, in denen die Zahnzwischenräume von Fachpersonal gereinigt wurden. Grund für die schlechte Studienlage ist vermutlich eher, dass Teilnehmende die Reinigung nicht gut oder regelmäßig genug umsetzen. Tatsächlich gibt es aber auch noch zu wenig Studien zu dieser Frage. Insgesamt scheinen Zwischenraum-Bürstchen besser zu wirken als Zahnseide – vermutlich auch, weil sie leichter zu handhaben sind.

Mein Zahnfleisch blutet, wenn ich Zahnseide oder Zwischenraum-Bürstchen verwende. Was bedeutet das und was kann ich tun?

Wenn das Zahnfleisch bei der Reinigung blutet, dann ist es bereits entzündet. Das bedeutet aber nicht, dass Sie mit der Reinigung aufhören sollten. Im Gegenteil: Nur durch gründliches Reinigen bildet sich die Blutung zurück, meist schon nach zwei bis drei Tagen. Die wenigsten Menschen fügen sich mit Zahnseide und Co. richtige Wunden zu. Wenn Sie unsicher sind, können Sie sich in der Zahnarztpraxis zeigen lassen, wie Sie Ihre Zahnzwischenräume reinigen können.

Und wie ist das beim Zähneputzen? Gibt es eine bestimmte Zahnputz-Technik, an die ich mich halten sollte?

Es werden verschiedene Zahnputztechniken empfohlen. Je nach Mensch kann die optimale Technik auch unterschiedlich aussehen. Ob man dabei eher schrubbt oder die Bürste kreist, ist dabei vermutlich weniger wichtig. Vielmehr sollte man darauf achten, nicht zu viel Druck auszuüben und den Übergangsbereich vom Zahnfleisch zum Zahn gut mit zu putzen. Wer sich unsicher ist, kann sich in der Zahnarztpraxis eine geeignete Putztechnik zeigen lassen.

Wie oft sollte ich mindestens zum Zahnarzt gehen?

Das hängt vom Zustand Ihrer Zähne ab. Wenn Sie häufig Karies oder eine Parodontitis haben, ist es womöglich sinnvoll, alle drei bis sechs Monate zu gehen. Wenn Sie seit zehn Jahren keine Probleme mit den Zähnen hatten, reicht es auch einmal im Jahr zu gehen.

Viele Zahnärzte bieten die professionelle Zahnreinigung an. Laut dem IGeL-Monitor und dem Forschungs-Netzwerk Cochrane ist der Nutzen dieser Maßnahme nicht belegt. Bedeutet das, dass sie bei der Mundhygiene nicht hilft?

Nein, es bedeutet erstmal nur, dass wir keine Studien haben, die den Nutzen belegen können. Eine solche Studie zu erstellen, ist auch schwierig. Um herauszufinden, ob eine regelmäßige Zahnreinigung dabei hilft, Karies oder Parodontitis vorzubeugen, müssten sie Menschen über viele Jahrzehnte beobachten. Das ist in der Praxis kaum möglich. Wir sehen allerdings in den Praxen, dass Menschen, die regelmäßig zur Zahnreinigung kommen, auch meist gesündere Zähne haben. Wir können aber nicht belegen, dass die Zahnreinigung auch die Ursache für die bessere Mundgesundheit ist. Es kann auch sein, dass diese Menschen einfach grundsätzlich besser auf ihre Zähne achten und deshalb weniger Probleme haben. Ich persönlich glaube schon, dass die professionelle Zahnreinigung sinnvoll sein kann, um Beläge zu entfernen, die beim Putzen vielleicht übersehen werden. Dies kann beispielsweise auch Mundgeruch vorbeugen.

Kann ich die Gesundheit meiner Zähne auch über meine Ernährung beeinflussen?

Ja und in erster Linie natürlich, indem Sie weniger Zucker essen. Denn Zucker trägt dazu bei, dass krankmachende Bakterien sich im Mund schneller vermehren. Es gibt aber auch neuere Erkenntnisse, die noch etwas weiter gehen. So lässt sich womöglich das Verhältnis von gesunden Bakterien zu ungesunden Bakterien im Mund zum Guten verändern. Das geht vor allem über sogenannte grüne Lebensmittel, z. B. Salat oder anderes grünes Gemüse. Natürlich sind das Lebensmittel, die auch für die Allgemeingesundheit gut sind. Auch hier zeigt sich wieder, wie eng der Mund mit dem Gesamtzustand des Körpers verknüpft ist.

Ist es sinnvoll, sich gleich die Zähne zu putzen, wenn man Zucker gegessen hat?

Sinnvoller wäre es, eine halbe Stunde zu warten. Vor allem säurehaltige Lebensmittel und Getränke greifen den Zahnschmelz an. Wenn man dann gleich die Zähne putzt, wird der Zahnschmelz noch stärker beschädigt.

Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, damit mehr Menschen diese Empfehlungen zur Mundhygiene besser beherzigen?

Wie viele andere Erkrankungen auch sind Zahnprobleme in unserer Gesellschaft ungleich verteilt. Vor allem Familien mit niedrigem Bildungsgrad sind oft auch weniger über ihre Gesundheit informiert und leben schlicht ungesünder. Diese Patienten erreichen wir durch eine Aufklärung in der Praxis allerdings nicht so gut, weil sie seltener den Zahnarzt besuchen. Eine Maßnahme, hier anzusetzen sind Gruppenprophylaxen in der Kita oder Schule. So kommen Kinder schon früh mit zahnärztlichen Untersuchungen in Kontakt und können die richtige Zahnpflege lernen. Dies kann auch in Betrieben oder anderen „Lebenswelten“ erfolgen – dort, wo wir die Menschen antreffen, die uns am meisten brauchen!

Auch digitale Technologien können helfen: Sowohl für Kinder als auch Erwachsene gibt es Zahnputz-Apps: Sie können ans Zähneputzen erinnern, die richtige Putz-Dauer vorgeben oder sogar das Zahnputz-Verhalten analysieren. Im Moment werden diese Apps noch nicht in der Breite eingesetzt. Aber sie wären ein möglicher Weg, Menschen zu erreichen, die nicht von sich aus regelmäßig zum Zahnarzt gehen.


Text / Foto: Stiftung Gesundheitswissen