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BVD 4

Gesundheit-News: Impfung - Was bei Patienten unter immunmodulierender Therapie beachtet werden muss

4. Januar 2021

Selters. Die Impfungen gegen SARS-CoV-2 haben begonnen. Was muss bei Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis (Atopischer Dermatitis) oder Schuppenflechte (Psoriasis) beachtet werden, insbesondere wenn sie unter einer immunmodulierenden oder immunsupprimierenden Therapie stehen? BVDD-Vorstandsmitglied Dr. Ralph von Kiedrowski hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben.

Seit Beginn der weltweiten Corona-Pandemie steht das Thema „Impfung“ bei unseren Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen wie Neurodermitis (Atopischer Dermatitis) oder Schuppenflechte (Psoriasis) wieder sehr im Mittelpunkt, vor allem, wenn die Betroffenen unter einer immunmodulierenden oder immunsupprimierenden Therapie stehen. Dies bezieht sich ganz allgemein auf Impfungen gegen Influenza (Grippe-Schutzimpfung) oder Pneumokokken und aktuell natürlich auf eine Impfung gegen SARS-CoV-2, den Auslöser der COVID-19-Erkrankung.

Für die betroffenen Patientinnen und Patienten, aber auch die behandelnden hautärztlichen Kolleginnen und Kollegen, ist nachfolgende Positionierung und Empfehlung gedacht; sie soll Ängste und Sorgen nehmen und drängende Fragen beantworten sowie die allgemeine Impfbereitschaft fördern:

Unverändert gilt die Empfehlungen, dass Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, ohne und mit immunmodulierender oder immunsupprimierender Therapie, einen ausreichenden Impfschutz gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sollten. Dieser Impfschutz sollte nach Möglichkeit vor Therapiebeginn komplettiert sein, kann mit Totimpfstoffen aber auch unter Therapie vervollständigt oder eingeleitet werden.

Dies gilt im Besonderen für die Pneumokokken-Impfung sowie die jährliche Influenzaschutzimpfung (Grippeimpfung), denn die Erkrankungen können sehr schwer verlaufen und häufig kommt es zu sogeannten Sekundärinfektionen, also weiteren bakteriellen Atemwegsinfektionen, die sich auf die Influenza-Grippe obendrauf setzen können. Da sich Influenzaviren ständig verändern, gibt es jedes Jahr einen neuen (Vierfach)-Impfstoff. Neben dem Schutz vor der eigentlichen Infektion gibt es auch Hinweise dafür, dass Personen, welche gegen Influenza geimpft wurden, ein geringeres Risiko aufweisen, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren als nicht gegen Influenza-Geimpfte.

Durch die europäische Zulassung eines ersten SARS-CoV-2-Impfstoffes (Biontech/Pfizer) wurden noch im Dezember die Corona-Impfungen bundesweit gestartet. Die nächste Zulassung wird für den 06.01.2021 (Moderna) erwartet. Im Rahmen von umfangreichen Zulassungsstudien wurden zwar bereits mehrere zehntausend Personen kontrolliert geimpft (deutlich mehr als für jedweden Impfstoff bislang erforderlich gewesen war), aber natürlich können noch keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Personen mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen bzw. Patientinnen und Patienten unter immunmodulierender/immunsuppressiver Therapie vorliegen.

Es gelten also die bekannten allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisse: Totimpfstoffe sind sowohl für Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Dermatosen und unter immunmodulierender/immunsuppressiver Therapie uneingeschränkt geeignet und einsetzbar. Klassische Totimpfstoffe sind Vakzine auf der Grundlage adjuvantierter Proteine. Auch Vakzine auf der Grundlage nicht-replizierbarer Vektoren sowie Vakzine auf der Grundlage von mRNA-Technologie sind als Totimpfstoffe anzusehen und dürften daher für unsere Patientenpopulation keine Gefahr darstellen.

Ein mRNA-Impfstoff, wie z.B. der jetzt zugelassene Impfstoff von Biontech/ Pfizer, ist KEINE Lebendimpfung. Es handelt sich auch nicht um eine „Gentherapie“. Eine mRNA (messenger = Boten-RNA) beeinflusst oder verändert nicht die menschliche DNA (Genom), sondert liefert nur eine Art „Bauanleitung“ für Virusbestandteile (Oberflächenproteine, z.B. Spike-Protein). Der geimpfte Mensch kann so vorübergehend selbst Virusprotein-Teile produzieren (aber kein komplettes Virus!), gegen die das eigene Immunsystem dann schützende Antikörper bilden kann. Somit stellt ein mRNA-Impfstoff wie andere Totimpfstoffe keine Kontraindikation für Patientinnen und Patienten unter einer immunmodulierenden/immunsuppressiven Therapie dar.

Aus grundsätzlichen Erwägungen sollte die Immunsuppression für eine ausreichende Impfantwort (Bildung schützender Antikörper gegen die Krankheitserreger) so gering wie möglich sein. Immunsuppressive Wirkstoffe spielen bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen eine untergeordnete Rolle (orale Glukokortikosteroide, bedingt Ciclosporin A, langwirksame B-Zell depletierende Substanzen); immunmodulierende Wirkstoffe haben nach derzeitigem Kenntnisstand keine Beeinträchtigung der Impfantwort zur Folge, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden kann, eine bestehende immunmodulierende/immunsuppressive Therapie wegen einer (bzgl. SARS-CoV-2 derzeit auch noch nicht allgemein verfügbaren) Impfung zu verändern.

Ganz allgemein sollte beachtet werden: Unter einer laufenden Therapie gilt als Empfehlung, die Impfung in der Mitte eines Behandlungsintervalls zu verabreichen und die Therapie frühestens nach 2, besser erst nach 4 Wochen fortzusetzen. Spezielle Empfehlungen für Therapien, die wöchentlich oder gar (mehrfach) täglich appliziert werden müssen, existieren nicht. Meine persönliche Empfehlung lautet hier, je nach Krankheitsaktivität hier die Zeiträume nach Impfung auch vor der Impfung gelten zu lassen, also für 2-4 Wochen vor der Impfung die Einnahme zu pausieren.

Praxis-Beispiele: für MTX würde dies bedeuten, dass eine Patientin bzw. ein Patient 2 Wochen nach der letzten MTX-Applikation die erste Corona-Impfung und 3 Wochen später die zweite Corona-Impfung erhalten kann und nach 2 (oder 4) weiteren Wochen dann die MTX-Therapie fortgeführt wird. MTX wird also 7 (-9) mal ausgesetzt.

Biologika-Patienten mit einem 4-wöchigen Applikationsintervall können Ihre 1. Corona-Impfung 2 Wochen nach der letzten Biologikum-Gabe erhalten, 3 Wochen später dann die 2. Impfung und weitere 2-4 Wochen erfolgt dann die Fortsetzung der Therapie. Die impfbedingte Therapieunterbrechung beträgt letztlich 3-5 Wochen.

Für Biologika wie Ustekinumab, Risankizumab oder Tildrakizumab mit einem 12 Wochen-Intervall kann 6 Wochen nach der letzten Therapie-Injektion mit der Corona-Impfung begonnen werden, weitere 3 Wochen später würde dann die 2. Schutzimpfung gegeben. Am Injektionsintervall des Biologikums (12 Wochen) ändert sich dadurch nichts (2 Wochen Sicherheitsabstand) oder die Gabe wird um 1 Wochen nach hinten verschoben (4 Wochenabstand).

In Anbetracht der z.T. langanhaltenden Wirksamkeit der verschiedenen Substanzen ist nur selten mit einer Verschlechterung der Grunderkrankung zu rechnen.



Text: Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V. - BVD