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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Do.., 15. April 2021

  1. Digitaler Impfpass soll Mitte des zweiten Quartals kommen
    Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss
  2. Gesundheitliche Schäden durch Schadstoffe in Plastik
    Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss
  3. Lob und Tadel für Gesetzentwurf gegen Steuerbetrug
    Finanzen/Anhörung
  4. Lob und Kritik für Bericht zur weltweiten Religionsfreiheit
    Menschenrechte/Anhörung


01. Digitaler Impfpass soll Mitte des zweiten Quartals kommen

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/LBR) Der von der Europäischen Union geplante digitale Impfpass soll Mitte des zweiten Quartals auch in Deutschland zur Verfügung stehen. Schon beim Start soll er als Modul in der Corona-Warn-App angeboten werden. Das sagte ein Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in der Sitzung des Digitalausschusses des Bundestags am Mittwochnachmittag. Die Digitalpolitiker diskutierten mit Vertretern des BMG und Vertretern verschiedener IT-Unternehmen über den digitalen Impfpass und einen Antrag der AfD-Fraktion (19/27197).

Den Zuschlag für den EU-weit standardisierten Impfnachweis hatte ein Konsortium der Firmen IBM, Ubirch, Govdigital und Bechtle erhalten. Die Kosten für das Vorhaben beliefen sich auf zirka drei Millionen Euro, laufende Kosten seien Teil dieser Summe, sagte der BMG-Vertreter. Der Pass solle vor allem die Reisefreizügigkeit stärken. Er sei eine "zusätzliche Möglichkeit, um Impfungen zu dokumentieren" und ersetze nicht den analogen Nachweis, sagte er. "Ziel ist es, dass alleine Zertifikatsschlüssel über einen sicheren Server ausgetauscht werden. Es entsteht keine Datenbank mit personenbezogenen Daten", stellte der BMG-Vertreter klar. Der digitale Nachweis sei als Ergänzung zum gelben WHO-Impfpass zu verstehen. Er müsse nicht auf einem digitalen Endgerät vorgezeigt werden, auch ein maschinenlesbarer Ausdruck könne als Nachweis dienen.

Die Dienste, die von dem Konsortium entwickelt werden, bestehen aus drei Komponenten und sollen in andere Applikationen integrierbar sein und auf einem Open-Source-Ansatz beruhen, erklärte der IBM-Vertreter. Die erste Komponente sei ein Impf-Zertifikat-Service für Impfzentren und Arztpraxen, in dem möglichst einfach Daten der geimpften Person eingegeben werden können. Als Ergebnis entstehe ein QR-Code, den Nutzer scannen oder ausdrucken können. Die zweite Komponente sei eine Impf-Nachweis-App, in der der Code verwaltet werden könne. Das dritte Modul sei eine Prüf-App, in der der Code entgegengenommen werden könne und die Gültigkeit des Impfschutzes geprüft werde. Erzeugt werde ein rotes oder grünes Ergebnis, das etwa an Flughäfen bequem vorgezeigt werden könne. Die Impfbescheinigung werde nur lokal auf dem Smartphone gespeichert, eine dauerhafte Speicherung sei nur dezentral auf den digitalen Endgeräten der Nutzer vorgesehen, betonte der IBM-Vertreter.

Unionsvertreter und Abgeordnete der SPD-Fraktion konzentrierten sich in ihren Nachfragen auf die technische Kompatibilität mit anderen Applikationen und die geplante Einbindung in die elektronische Patientenakte. Ein Vertreter der AfD-Fraktion interessierte sich dafür, was die Bundesregierung unternehme, damit keine Diskriminierung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften stattfinde. Eine Vertreterin der FDP-Fraktion fragte, ob es Pläne gebe, langfristig nur noch einen digitalen Impfpass anzubieten. Eine Vertreterin der Linksfraktion wollte Details zur Interoperabilität und zur Speicherung der Daten erfahren. Eine Grünen-Abgeordnete interessierte, ob sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für dezentrale Speicherlösungen einsetze.



02. Gesundheitliche Schäden durch Schadstoffe in Plastik

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) "Neben der Klimakrise und dem massiven Biodiversitätsverlust sind Schadstoffe die dritte große Umweltkrise unserer Zeit." Das sagte Alexandra Caterbow von der Gesundheits- und Umweltorganisation HEJSupport am Mittwochabend während eines öffentlichen Fachgespräches des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung zum Thema "Synthetische Substanzen in der Umwelt - Auswirkungen von Plastik und Chemikalien auf Mensch und Ökosysteme". Die Chemikalien- und Plastikproduktion werde sich in kürzester Zeit verdoppeln, kündigte die Expertin an. Die sich darunter befindlichen gefährlichen Chemikalien, die es auch in Plastik gebe, führten zu massiven Gesundheitsproblemen, wie verschiedenen Krebsarten, Unfruchtbarkeit, Entwicklungsstörungen und Allergien sowie zu massiven Umweltproblemen, wie etwa der Kontamination von Flüssen, Meeren, Böden und Tierpopulationen.

Caterbow verwies darauf, dass gefährliche Inhaltsstoffe in Produkten meist nicht deklariert würden und daher oft unreguliert blieben. Das Schutzniveau in Deutschland für Menschen und Umwelt gegenüber Chemikalienexposition bewertete sie als nicht ausreichend. "Daher brauchen wir auch auf nationaler Ebene dringend Schutzmaßnahmen, vor allem für besonders vulnerable Gruppen", forderte sie. Positiv bewertete sie das EU-Verbot von Einwegplastikprodukten. Das sei ein "guter Schritt in die richtige Richtung". Benötigt werde aber deutlich mehr Regulierung, da freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie bisher kaum Erfolg gehabt hätten.

Claus-Gerhard Bannick, Leiter im Fachgebiet "Abwassertechnikforschung, Abwasserentsorgung" beim Umweltbundesamt, begrüßte es, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Forschungsschwerpunkt "Plastik in der Umwelt" gesetzt habe, der darauf abziele, Eintrag, Verbreitung und Wirkung von Plastik in der Umwelt zu untersuchen. Dies habe zu erheblichem Wissensgewinn im Bereich Kunststoffe beigetragen, sagte Bannick.

Aktuell fehle es aber an einheitlichen Untersuchungsverfahren im Bereich Mikroplastik. Die Untersuchungsergebnisse verschiedener Studien seien deshalb so gut wie nicht miteinander vergleichbar. "Wir sind aber im Rahmen der Normung auf einem guten Weg", so der Vertreter des Umweltbundesamtes. Die Bestimmungsgrenze für die Umwelteinträge liege derzeit bei fünf Mikrometer. "Wenn wir uns Zellübergänge anschauen, wird es interessant ab drei oder vier Mikrometer" gab Bannick zu bedenken. Aktuell gebe es aber noch keine Routineverfahren, um das zu bestimmen.

Außerdem fehle es noch an Bewertungskonzepten für Belastungen von Wasser, Boden und Luft. "Insofern ist eine endgültige Einschätzung, wie schlimm es hier und da ist, aktuell noch nicht einheitlich möglich", sagte der Agrarwissenschaftler. Seiner Aussage nach gibt es vielfältige Möglichkeiten, bereits jetzt Einträge von Kunststoffen in die Umwelt vorsorglich zu reduzieren. Das Umweltbundesamt habe die Broschüre "Kunststoffe in der Umwelt" herausgegeben, wo diese Maßnahmen beschrieben werden, sagte Bannick.



03. Lob und Tadel für Gesetzentwurf gegen Steuerbetrug

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Zu sehr speziellen, aber wichtigen Aspekten des Steuerrechts haben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 14. April 2021, Stellung genommen. Es ging um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer", etwas kürzer Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz oder abgekürzt AbzStEntModG (19/27632). Zur Begutachtung standen daneben Anträge der Fraktionen von FDP (19/27632), Die Linke (19/16836) und Bündnis 90/Die Grünen (19/5762). Gemeinsames Ziel ist es, Betrügereien insbesondere um die Kapitalertragsteuer wie bei den Cum/Ex- und Cum/Cum-Skandalen zu unterbinden.

Dazu fasst der Gesetzentwurf die Vorschriften zur Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger von Abzugsteuern, also zur Rückerstattung zuvor abgezogener Steuern, neu. Der gesamte Prozess - Bescheinigung der abgeführten Steuer, Beantragung der Entlastung sowie Entscheidung der Behörde - soll digitalisiert werden. Faktoren, die zu einer unberechtigten Entlastung führen können, sollen ausgeschlossen werden. Verfahrensarten, mit denen eine Entlastung bewirkt werden kann, sollen reduziert werden. Zudem sollen bestimmte Verfahren von den Ländern auf den Bund übertragen werden. Zur Betrugsbekämpfung speziell bei der Erstattung von der Kapitalertragsteuer erhält das Bundeszentralamt für Steuern dem Gesetzentwurf zufolge künftig zusätzliche Informationen von den Finanzinstituten. Die Regelung, die missbräuchliche Steuergestaltungen durch zwischengeschaltete ausländische Gesellschaften verhindern soll, wird an die Vorgaben der europäischen Rechtsprechung angepasst.

Dem Ziel des Gesetzentwurfs stimmten alle 14 Sachverständigen zu, über die Umsetzung war das Urteil dagegen gemischt. Zweierlei wurde besonders häufig kritisiert: dass Banken für unrechtmäßige Steuererstattungen haften sollen, auch wenn sie keine Schuld tragen, und dass Banken und börsennotierten Unternehmen umfangreiche Meldepflichten zur Identifizierung von Anlegern auferlegt werden.

Der Ulmer Professor Heribert Anzinger wies darauf hin, dass die nach dem Gesetzentwurf erweiterten Informations- und Mitwirkungspflichten sowie Haftungsverschärfungen erhebliche Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung und die Berufsausübungsfreiheit bedeuteten und deshalb verhältnismäßig sein müssten. Dies sieht Anzinger allerdings als gegeben an, wenn auch mit Einschränkungen. So seien Vorschriften, die gleich mehrere Stellen zur Übermittlung persönlicher Daten derselben Anleger verpflichten, zweifelhaft. Auch hält Anzinger angesichts der umfangreichen Daten über Aktionäre, die beim Bundeszentralamt für Steuern zu speichern sind, eine Speicherfrist für zwingend geboten.

Für Volker Kaiser von der Bundessteuerberaterkammer sind dagegen die vorgesehenen umfangreichen Melde- und Bescheinigungspflichten "überbordend und mangels Verfügbarkeit der geforderten Bescheinigungs- und Meldedaten auch teilweise nicht erfüllbar". Unverhältnismäßig sei zudem die massiv verschärfte Haftung des Ausstellers einer Kapitalertragssteuerbescheinigung, wenn sich diese als unrichtig herausstellt, unabhängig von einem Verschulden.

Der Bundesverband deutscher Banken unterstützt ausdrücklich die "Initiativen der Bundesregierung, missbräuchliche Gestaltungen zu unterbinden". Die geplanten Melde- und Bescheinigungspflichten nennt er jedoch "überbordend" und teils unerfüllbar. So könne eine Bank ausländische Anleger nicht verpflichten, die erforderlichen Angaben zu machen, erklärte Joachim Dahm für den Verband. Die Haftung ohne eigenes Verschulden, wenn einem Anleger unrechtmäßig Steuern erstattet wurden, ist aus Sicht des Bankenverbandes unverhältnismäßig. Ohne Entschärfung einiger Regelungen rechnet Dahm mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz Deutschland.

Die im Verband Die Deutsche Kreditwirtschaft zusammengeschlossenen genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken weisen darauf hin, dass die Prozesse rund um die Kapitalertragsteuer bereits heute sehr komplex seien und mit den vorgesehenen zusätzlichen Meldungen noch "um ein Vielfaches" komplexer würden. In vielen Fällen werde den Banken die Ausstellung einer Steuerbescheinigung "faktisch unmöglich", weil sie zu den erforderlichen Daten keinen Zugang hätten. So könnten Aktien verliehen werden, und der Verwahrer sei der depotführenden Bank dann unbekannt, erläuterte Verbandsvertreter Christoph Hild.

In dieselbe Richtung argumentierte Markus Erb vom Verband der Auslandsbanken in Deutschland. Er nannte es "sehr bedenklich, wie in Deutschland mit Marktteilnehmern umgegangen wird" und warnte vor einer Abwanderung an andere Standorte. Schon jetzt profitierten die Niederlande wesentlich mehr als Deutschland von Verlagerungen infolge des Brexit. Von dem Gesetzentwurf befürchtet Erb zusätzlich negative Auswirkungen auf den Finanzplatz Deutschland.

Der Wiesbadener Professor Tim Florstedt erhob die Frage, ob die Verfolgung des Ziels der Missbrauchsbekämpfung durch den Gesetzgeber nicht zu "unverhältnismäßigen, überschießenden oder letztlich unpraktikablen Regelungen führt". Es sei nicht belegt, dass es in den letzten Jahren in Deutschland überhaupt noch zu missbräuchlichen Geschäften nach Art der Cum/Ex- und Cum/Cum-Transaktionen gekommen ist. Die empirische Grundlage für so schwere Eingriffe, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, sei "sehr dünn".

Alexander Heist von der Heist Legal Rechtsanwaltsgesellschaft wies darauf hin, dass der Wertpapierhandel "intransparent und nicht nachvollziehbar" sei. Er nannte als Beispiele Termingeschäfte, vielerlei Dividendensurrogate und datenbankgetriebene Systeme des Wertpapierhandels. Er geht deshalb davon aus, dass auch mit den vorgesehenen Änderungen unerwünschte Steuergestaltungen nicht zeitnah unterbunden werden können.

Der Wiesbadener Professor Lorenz J. Jarass vertrat die Erwartung, dass die vielen neuen Meldepflichten Cum/Ex-Betrug nicht verhindern würden. Mit wesentlich einfacheren Mitteln als im vorliegenden Gesetzentwurf sei dies dagegen zu erreichen, nämlich indem Steuerbescheinigungen ausschließlich vom Bundeszentralamt für Steuern und erst nach Eingang der Steuerzahlung ausgegeben werden. Durch den datenbankgestützten Abgleich aller Erstattungsanträge mit korrespondierenden Kapitalertragsteuerzahlungen werde dann Cum/Ex-Betrug unmöglich.

Diesen Vorschlag nannte Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft die "Taube auf dem Dach", einen, der mit dem derzeitigen Stand der Digitalisierung noch nicht erreicht werden könne. Der vorliegende Gesetzentwurf sei dagegen der "Spatz in der Hand". Dass auf die Banken damit wesentlich höhere Anforderungen zukämen, habe die Branche wegen der Verwicklung einiger Unternehmen in Steuerbetrug selbst zu verantworten.

Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bedauerte, dass eine Regelung aus dem Referentenentwurf, die konzerninterne Gewinnverschiebungen zum Zweck der Steuervermeidung verhindern sollte, im vorgelegten Gesetzentwurf nicht mehr enthalten ist. Es gehe bei diesen Gewinnverschiebungen ins Ausland um mehrere hundert Milliarden Euro im Jahr.

Vertreter mehrerer Wirtschaftsverbände kritisierten die vorgesehene Verpflichtung von Aktiengesellschaften, Informationen über die Identität ihrer Aktionäre an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Volker Landwehr vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nannte die Regelung "nicht praxistauglich". Allein die Allianz-Versicherung habe 412 Millionen Aktien im Umlauf, 85 Prozent davon im Streubesitz. Georg Geberth vom Siemens-Konzern, der den Zentralverband Elektrotechnik-und Elektrotechnikindustrie vertrat, verwies auf die 860.000 Aktionäre seines Unternehmens, die auf der ganzen Welt verstreut seien. Manche hielten nur eine Aktie. Bekannt seien Siemens aber nur die Großaktionäre.

Auf Kritik stießen auch neue Vorschriften zum Quellensteuerabzug auf Lizenzgebühren. Sylvia Heckmeier vom Verband der Chemischen Industrie verwies auf 6.000 Lizenzvereinbarungen allein bei der Firma Merck. Die Lizenzgeber säßen in aller Welt, müssten aber mit den deutschen Steuerbehörden auf deutsch kommunizieren, was erhebliche Probleme und Kosten verursache. Ralph Brügelmann vom Handelsverband Deutschland hob hervor, dass es bei Steuern auf Lizenzgebühren, anders als bei Kapitalertragsteuern, keinerlei Risiko von Missbrauch gebe. Er sprach sich deshalb für die Beibehaltung der bestehenden Regelungen aus.



04. Lob und Kritik für Bericht zur weltweiten Religionsfreiheit

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/SAS) Der zweite Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit ist bei Experten auf Zustimmung, aber auch Kritik im Detail gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe unter der Leitung von Gyde Jensen (FDP) am Mittwochnachmittag lobten die Sachverständigen die gründliche Beschäftigung mit dem Thema, regten jedoch an, in künftigen Berichten auch die Situation der Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Deutschland und anderen europäischen Staaten in den Blick zu nehmen.

In ihrem zweiten Bericht für den Zeitraum 2018 und 2019 (19/23820) hatte die Bundesregierung einen weltweiten Trend zur Einschränkung des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit verzeichnet. Neben der digitalen Kommunikation seien insbesondere Blasphemie- und Anti-Konversionsgesetze eine aktuelle Herausforderung bei der Gewährleistung dieses Menschenrechts: Diese erwiesen sich "unter dem Vorwand des Schutzes der Religions- und Weltanschauungsfreiheit oft als Einfallstor für die Einschränkung von Menschenrechten, unter anderem der Religions- und Weltanschauungsfreiheit selbst", so die Bundesregierung.

Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg, wies daraufhin, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit sei ein "vielfältig verletztes Menschenrecht". Häufiges Motiv dafür sei Korruption, betonte der frühere Berichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Wo Korruption grassiere, erodiere Vertrauen, der öffentliche Raum schrumpfe. "Dann wird es eng, stickig und giftig in einer Gesellschaft." Die Religionsfreiheit sei zudem ein oftmals "verdrehtes", von Staaten etwa für ihre Identitätspolitik missbrauchtes Recht: "Doch Religionsfreiheit ist ein Recht der Menschen, nicht der Staaten", hob Bielefeldt hervor. Es sei ein Freiheitsrecht - und dürfe zudem keinesfalls "als eine Art Gegenrecht" gegen andere Grundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit aufgebaut werden.

Marianne Heimbach-Steins, Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, nahm es positiv zu Kenntnis, dass die Bundesregierung mit ihrem Bericht ein "Signal für die Bedeutung des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit" setze. Dieses sei kein Anhängsel anderer Grundrechte, sondern ein "eigenständiges, elementares Freiheitsrecht". Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit schütze das Individuum vor Beschränkungen des Rechts, seine Religion auszuüben. Es schütze aber nicht Religionen und Weltanschauungen als solche - zum Beispiel vor Kritik und Satire, stellte die Expertin klar. In kommenden Berichten müsse zudem die Situation der Religionsfreiheit in Deutschland und anderen europäischen Staaten kritisch beleuchtet werden, mahnte sie an. Dass es hier keine "nennenswerten Probleme" gebe, sei schließlich nicht realistisch.

Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, hielt die Aufnahme europäischer Staaten zwar für richtig, gab aber zu bedenken, dass dies den Missbrauch der Rede vom antirassistischen Rassismus durch Islamisten weiter befördern könne. Sinnvoller sei stattdessen, stärker zwischen innerislamischen Strömungen zu differenzieren. So werde etwa die Situation liberaler Muslime, die auch unter Repressionen litten, kaum beachtet. Der Bericht weise zwar außerdem daraufhin, dass sich die Lage der Religionsfreiheit in fast allen islamischen Ländern verschlechtert habe. Doch die dahinterstehenden politisch-strukturellen Probleme würden zu wenig benannt, monierte Khorchide. Ohne Demokratisierung lasse sich Religionsfreiheit aber nicht herstellen.

Erika Steinbach, Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, nahm in ihrer Stellungnahme ebenfalls die Verletzungen der Religionsfreiheit in muslimisch geprägten Staaten in den Fokus. Diese nannte die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen als "am beunruhigendsten" und warnte vor der Expansion des "politischen Islamismus" in Richtung Europa. Davor verschließe die Bundesregierung in ihrem Bericht die Augen, "obwohl alle Signale längst auf Alarm stehen", kritisierte Steinbach. Das berge für die Demokratie auch in Deutschland Gefahren.

Viel Anerkennung für den Bericht äußerte Thomas Schirrmacher, Direktor des International Institute for Religious Freedom: Der Bericht enthalte substanzielle Informationen, beleuchte zentrale Querschnittsthemen und nehme die Lage der Religionsfreiheit allgemein und nicht nur die Lage der Christen "vorurteilsfrei" in den Blick. Letztlich kämen alle Berichte - die sich allgemein mit Bedrohungen der Religionsfreiheit beschäftigten und die, welche nur die Christenverfolgung in den Blick nähmen, sowieso zu einem "fast identischem Ergebnis".

Sabine Schiffer, Leiterin des Instituts für Medienverantwortung, beurteilte den Bericht zwar als "wertvoll", warf jedoch dennoch in ihrer Stellungnahme die Frage auf, weshalb die Bundesregierung die Religionsfreiheit mit ihrem Bericht so herausgreife, während die Meinungsfreiheit weltweit ebenso zunehmend unter Druck stehe. Die Medienpädagogin äußerte sich "mit Blick auf die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie" zudem skeptisch, ob bei der Umsetzung von gleichen Rechten für alle die Betonung von Gruppenzugehörigkeiten wirklich ein Vorteil sei.

Der Pfarrer und Kirchenrechtler Patrick Roger Schnabel, Beauftragter für den kirchlichen Entwicklungsdienst im Berliner Missionswerk, hingegen fand es "begrüßenswert", dass die Bundesregierung religionsbezogenen Themen in der Außen- und Entwicklungspolitik sowie dem Schutz der Religionsfreiheit ein zunehmend größeres Maß an Beachtung schenke. Dies erhöhe die Qualität ihres analytischen und strategischen auswärtigen Handelns erheblich. Der Religionsfreiheit komme historisch eine Schlüsselstellung für die Entwicklung von Grund- und Menschenrechten zu - bis heute sei sie ein "Gradmesser für die Freiheitlichkeit und Rechtstaatlichkeit eines Gemeinwesens". Durch die Einbeziehung der Expertise möglichst vieler unabhängiger Akteure helfe der Bericht, die "Lücke wirklich belastbaren Materials" zu diesem Thema zu schließen.