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Eckpunkte zur Pflegereform: Der große Wurf gelingt leider (noch) nicht

Freitag, den 13. November 2020

Statement von Klaus Müller, Vorstand des vzbv, zur Pflegereform
 
In dieser Woche sind weitere Details der geplanten Pflegereform veröffentlicht worden. Klaus Müller (Foto), Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), kommentiert:
 
„Der vzbv begrüßt die geplante Einführung eines Bundeszuschusses aus Steuermitteln zur Sozialen Pflegeversicherung zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen, etwa Leistungen für pflegende Angehörige. Damit können Beitragszahler entlastet und Beitragssteigerungen abgefedert werden. Auch die seit langem geforderte regelhafte und jährliche Dynamisierung der Leistungssätze in der Pflegeversicherung, mit der Pflegebedürftige entlastet werden sollen, greift das Papier auf. Bedauerlicherweise soll sich die Dynamisierung aber lediglich an der Inflationsrate orientieren und nicht etwa, wie vom vzbv gefordert, auch an der Entwicklung der Bruttoreallöhne. Es ist zu erwarten, dass die Personalkosten in der Pflege steigen. Eine Leistungsdynamisierung, die sich nur an der Inflationsrate orientiert und unterhalb der Lohnsteigerungsrate bleibt, wird so zu einem fortgesetzten Kaufkraftverlust führen.
 
Auch die geplante Deckelung des pflegebedingten Eigenanteils von 700 Euro für höchstens 36 Monate greift zu kurz. Sie wird zukünftige Erhöhungen infolge der Personalkostensteigerungen zwar besser abfedern können, entlastet aber nicht die heutigen Pflegebedürftigen. Heimbewohner müssen zusätzlich zu den Pflegekosten eben auch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen bezahlen. Diese belaufen sich im Bundesdurchschnitt bereits auf 1.229 Euro. Insgesamt würde der Eigenanteil mit einem 700-Euro-Deckel also weiterhin bei knapp 2.000 Euro liegen. Dies entspricht dem heutigen bundesweiten Eigenanteil. Angesichts einer Durchschnittsrente von 1.500 Euro ist das für die meisten Pflegebedürftigen bereits jetzt viel zu hoch. Der Vorschlag, die Investitionskosten zukünftig von den Bundesländern bundeseinheitlich mit 100 Euro pro Heimbewohner zu bezuschussen, wird die Verbraucher ebenso wenig spürbar entlasten. Die Investitionskosten reichen derzeit von 288 Euro in Sachsen-Anhalt bis 551 Euro in NRW, sodass ein pauschaler Zuschuss unabhängig von den regionalen Gegebenheiten keinesfalls kostendeckend ist.
 
Neben der Senkung der Eigenanteile in der stationären Pflege sind mit der Reform auch Maßnahmen zur Stärkung der häuslichen Pflege vorgesehen. Ambulant werden die meisten Pflegebedürftigen weiterhin allein durch Angehörige versorgt. Hier bedarf es mehr Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige in organisatorischer und finanzieller Hinsicht und eine unbürokratischere Leistungsgestaltung. Allerdings macht das Papier keine konkreten Vorschläge, wie pflegende Angehörige zukünftig finanziell besser abgesichert werden können. Abgesehen von der Zusammenlegung der Ansprüche auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege zu einem Entlastungsbudget werden anscheinend leider keine weiteren Punkte aus den Diskussionspapieren Entlastungsbudget und Entlastungsbudget 2.0 des Pflegebevollmächtigten Andreas Westerfellhaus übernommen, die mehr Flexibilität und Entlastung für die häusliche Pflege versprechen.
 
Auch die 24-Stunden-Betreuung bleibt ein Stiefkind der Reform. Die meisten älteren Menschen haben den Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Viele Familien sehen daher die Beschäftigung einer Betreuungskraft als einzige Alternative zu einer Vollzeitbetreuung im Heim, zumal auch kaum genügend Pflegeplätze zur Verfügung stehen. Der Vorschlag, zukünftig 40 Prozent des Pflegesachleistungsbudgets zur Finanzierung einer Betreuungsperson im eigenen Haushalt heranzuziehen, ist zwar zu begrüßen. Zusätzlich sollte es aber auch möglich sein, den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro sowie die Leistungen zur Verhinderungspflege zur Refinanzierung dieser Versorgungsform heranzuziehen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass die Betreuung im Einklang mit den zuvor definierten gesetzlichen Vorschriften stattfindet."

Foto © Gert Baumbach - vzbv