Foto: Mehr dunkle Stunden, mehr Depressionen. Je
nachdem, wie viele Stunden pro Tag es draußen dunkel ist, lassen sich regional
Unterschiede in der Ausbreitung von SAD feststellen. Beim Blick auf Europa
zeigt sich, dass in südlichen Ländern am Mittelmeer diese Art von Depressionen
kaum bekannt ist. In Skandinavien gibt es deutlich mehr Fälle.
Experten der Oberberg Fachkliniken klären auf
Berlin (ots). Kälte, Nässe, Nebel, Schnee. Morgens in
der Dämmerung aus dem Haus, abends bei Dunkelheit zurück. Das wirkt sich auf
die Psyche aus, bei manchen Menschen stärker, bei anderen weniger stark.
Mediziner nennen diese saisonalen Depressionen SAD (seasonal affective
disorder), wenn sie das Ausmaß einer Krankheit annehmen. Eine abgeschwächte
Form mit ausgeprägten saisonalen Stimmungstiefs ist die subsyndromale SAD
(s-SAD). Zudem zeigen viele Menschen wetter-, licht- und saisonal abhängige
vorübergehende Stimmungsschwankungen, die nicht behandlungsbedürftig sind. Dazu
zählt der "Winterblues".
Erschöpfung und Energiemangel
Symptome sind Stimmungstief, Antriebs- und
Lustlosigkeit, Erschöpfung, Energiemangel, Mattigkeit, Mutlosigkeit. Wann aber
ist es Winterblues, wann wird es zur Winterdepression? Prof. Dr. Dr. Matthias
J. Müller, Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Oberberg
Gruppe, erklärt: "Beim Winterblues schwankt die Stimmung tageweise, es
gibt auch Zeiten ohne Stimmungstief. Wenn die verschiedenen Symptome aber über
zwei Wochen am Stück anhalten, kann es sich um eine saisonal bedingte Depression,
eine SAD, handeln."
Das Schlafhormon senkt die Stimmung
Verantwortlich für rein saisonale Stimmungstiefs ist
meist der Mangel an Lichteinstrahlung während der dunklen Jahreszeit: "Bei
andauernder geringer Lichtintensität wird nicht nur nachts, sondern auch
tagsüber das Schlafhormon Melatonin vermehrt ausgeschüttet. Fehlt die
Unterdrückung der Ausschüttung durch intensives Licht, ist Melatonin am Tag in
zu hoher Konzentration vorhanden. Dann reagiert der Mensch mit
Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit", erläutert der Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie. Gleichzeitig passiert noch mehr im Körper:
"Um Melatonin herzustellen, wird die Aminosäure Tryptophan stärker
verbraucht und steht dadurch in geringerem Umfang für die Bildung des Neurotransmitters
Serotonin zur Verfügung", so Matthias J. Müller weiter. "Serotonin,
das für psychische Ausgeglichenheit und positive Stimmung sorgen kann, fehlt
dann dem Gehirn - was zu Mutlosigkeit und Reizbarkeit führen kann."
Mit Tageslicht und Bewegung gegen das Tief
Menschen mit Winterblues neigen dazu, zuhause zu
bleiben. Genau das ist aus Sicht des Psychiaters kontraproduktiv: "Wer
sich zurückzieht, kommt nur schwer aus seinem winterlichen Tief heraus."
Der Experte der Oberberg Gruppe empfiehlt stattdessen, mit Freunden und
Familienmitgliedern etwas zu planen, auf regelmäßigen, ungestörten Schlaf zu
achten und viel Sport zu treiben. Regelmäßige körperliche Betätigung vor allem
im Freien wirkt sich positiv auf den Serotonin-Spiegel aus und hebt nachweislich
die Stimmung. "Schon ein Spaziergang an der frischen Luft versorgt uns
selbst an grauen Tagen mit Tageslicht und trägt dazu bei, die
Melatonin-Produktion zu begrenzen", führt Prof. Dr. Dr. Müller aus.
Wenn sich die Stimmung nicht aufhellt
Doch was tun, wenn die Stimmung sich nicht bessert
oder die Symptome stärker werden? "Wer nicht nur antriebslos und
niedergeschlagen ist, sondern auch unter anhaltender Lust- und
Interesselosigkeit sowie Schlaf- und Appetitstörungen leidet, hat
möglicherweise mehr als einen Winterblues", sagt Privatdozent Dr. med.
Andreas Jähne, Chefarzt der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura, eine der bundesweit
dreizehn Kliniken der Oberberg Gruppe. Bei schwereren Depressionen reichen
Licht und Sport nicht aus. "Dann ist die professionelle Hilfe eines
psychologischen oder ärztlichen Therapeuten gefragt", so Dr. Jähne weiter.
Die Behandlung einer schweren SAD erfolgt in der Regel
durch eine Kombination aus Licht-, Psycho- und Pharmakotherapie, fester
Bestandteil bei allen Schweregraden von Winterdepression ist die Lichttherapie.
Tageslicht ist mit seiner Intensität und der Art des Lichts, also seiner
Spektralverteilung, zwar prinzipiell am wirksamsten. Gleichwohl werden bei SAD
nach ärztlicher Verordnung medizinische Lichttherapiegeräte eingesetzt, in den
meisten Fällen mit einer Intensität von 10.000 Lux für eine halbe Stunde oder
2.500 Lux für zwei Stunden morgens. Etwa 60 bis 90 Prozent der Patienten mit
SAD sprechen nach rund zwei Wochen auf diese Therapie an, die Lichttherapie
sollte aber zumindest während der dunklen Jahreszeiten fortgeführt werden.
In leichten Fällen rät Prof. Dr. Dr. Müller, sich
neben Licht, Bewegung im Freien und ausreichend Schlaf bei winterlichen
Stimmungsschwankungen nicht zu sehr unter Druck zu setzen: "Ein wenig Melancholie
kann in den dunklen Jahreszeiten ganz normal sein."
Auch Kinder haben Winterverstimmungen
Wer morgens im Dunkeln nur schwer aufstehen kann, ist
laut Forschung noch dazu im Nachteil. Dr. Ewa Cionek-Szpak, Chefärztin der
Oberberg Fachklinik Wasserschlösschen, sagt: "Haben Erwachsene noch die
Möglichkeit zu Gleitzeit bei der Arbeit, müssen Kinder in der Winterzeit im
Halbschlaf in die Schule wandern." Den flexiblen Start in den Tag gibt es
bislang nur in experimentellen Schulen. Dort schafft die Anpassung des Rhythmus
an die innere Uhr einen um eine ganze Note besseren Durchschnitt, ein
beachtlicher Effekt für eine einfache Maßnahme. Die gute Nachricht, so Kinder-
und Jugendpsychiaterin Cionek-Szpak: "Wer für gebremsten Antrieb und
schlechtere Stimmung in der Winterzeit empfänglicher ist, ist ebenso
empfindlicher in der Sommerzeit, dann aber energievoller, motivierter und
kreativer."
Weitere Informationen unter:
www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/depression
Text / Bild: "obs/Oberberg Gruppe/Aziz Archarki
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