Diesen Prozess nennt man
Autophagie bzw. Mitophagie, wenn es um den Abbau beschädigter Mitochondrien
geht. Die Studie, die im renommierten Magazin ‚Gastroenterology‘ veröffentlicht
ist, liefert überzeugende Belege für diesen Selbstschutz der Leberzellen bei
der Wilson-Krankheit.
Lysosom mit im Abbau befindlichen
Mitochondrien, isoliert aus ATP7B defizienter Leber © Helmholtz Zentrum München
Die sogenannte
Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson) ist eine selten auftretende erbliche
Störung des Kupferstoffwechsels. Die Leber ist hier nicht mehr in der Lage
überschüssiges Kupfer aus dem Körperkreislauf auszuscheiden. Stattdessen lagert
sich das Metall insbesondere in der Leber, aber auch in anderen Organen wie dem
Gehirn ab und kann dort schwerste Schäden verursachen. Auslöser für diese
Krankheit ist ein Defekt im sogenannten Wilson-Gen. Dieses trägt die
Information für ein Transport-Protein (ATP7B), das das Kupfer aus den
Leberzellen in die Galle transportiert. Ist das Gen defekt, verbleibt das
überschüssige Kupfer in den Zellen und beschädigt sie.
Allerdings führt diese beständig
ansteigende Kupferlast in der Zelle nicht unmittelbar zu einer Schädigung, es
können mitunter Jahre bis zum Zelltod vergehen. Dies legte nahe, dass es
möglicherweise intrazelluläre Schutzmechanismen gibt. „Aus unseren bisherigen
Arbeiten wussten wir, dass besonders die Mitochondrien durch die ansteigende
Kupferlast geschädigt werden“, erklärt Prof. Dr. Hans Zischka, der zusammen mit
Prof. Dr. Roman S. Polishchuk Letztautor der Studie und Gruppenleiter am
Institut für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie (TOXI) des Helmholtz
Zentrums München ist sowie Professor am Institut für Toxikologie und
Umwelthygiene an der Technischen Universität München (TUM). „Wir wollten
herausfinden, ob es im Morbus Wilson Mechanismen innerhalb der Zellen gibt, die
einer solchen Vergiftung der Mitochondrien entgegenwirken können“, so Zischka
weiter.
Die Studie wurde im Rahmen eines
gemeinsamen Forschungsprojekts des Helmholtz Zentrums München und dem nahe
Neapel gelegenen Telethon Institute of Genetics and Medicine (TIGEM)
durchgeführt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten
Zellkulturen von Patienten und aus Nagermodellen mit dem fehlenden
Transport-Protein ATP7B und deren Reaktion auf Kupfer. „Wir haben beobachtet,
dass die Zellen ein umfangreiches Repertoire an Werkzeugen zur Bekämpfung der
Kupfervergiftung nutzen“ so Hans Zischka. „Auf die Zugabe von Kupfer reagierten
sie mit einer Steigerung der Mechanismen, die die Autophagie* unterstützen.“
Insbesondere die kupferbelasteten Mitochondrien sind von diesem Prozess (dann
als Mitophagie bezeichnet) betroffen. Beim Einsatz von sogenannten
Autophagie-Hemmern (z.B. Spautin-1) konnten die Autorinnen und Autoren zeigen,
dass der Zelltod schneller eintrat. Die Autophagie hilft also den Leberzellen,
die Kupfervergiftung bei der Wilson-Krankheit zu bekämpfen. Im Verlauf der
Krankheit funktioniert das natürlich nur bis zu einem gewissen Grad der
Kupferbelastung.
Durch die Ergebnisse der Studie
wird nun deutlich, dass das Potenzial der Zellerneuerung durch die Autophagie
weiter untersucht werden sollte. Das könnte auch für andere Störungen des
Metallstoffwechsels interessant sein. Wirkstoffe, die diesen Weg aktivieren,
könnten die Kupfervergiftung bei Patienten mit Morbus Wilson reduzieren.
Bislang ist ein pharmakologischer Ansatz hierfür noch nicht bekannt.
Weitere Informationen
* Der Begriff Autophagie
beschreibt einen Prozess, bei dem Zellen eigene Bestandteile abbauen/verdauen.
Das können einzelne Proteine oder sogar ganze Organellen sein.
Hintergrund
Das Team um Hans Zischka befasst
sich seit Jahren mit der Kupferspeicherkrankheit: 2016 veröffentlichten die
Wissenschaftler eine Studie, in der sie den neuen Wirkstoff Methanobactin
gegenüber Chelat-Bildnern getestet hatten, die gegenwärtig in der Klinik zum
Einsatz kommen. Die Ergebnisse für Methanobactin, eine bakterielle Substanz,
waren sehr vielversprechend und werden derzeit in weiteren Studien untersucht.
Maßgeblich beteiligt an der
Studie waren von Seiten des Helmholtz Zentrums München Herr Josef
Lichtmannegger, Frau Claudia Einer, sowie die Doktorandin Sabine Borchard, die
Teilnehmerin am Doktoranden-Ausbildungsprogramm Helmholtz Graduate School
Environmental Health, kurz HELENA ist.
Foto: Lysosom mit im Abbau
befindlichen Mitochondrien, isoliert aus ATP7B defizienter Leber © Helmholtz
Zentrum München