Foto: Junge isst süßen
Joghurt aus blauem Becher
(16.02.22) Die Ampelkoalition plant ein Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für
Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt. Ein breites Bündnis aus Verbraucherschützer:innen,
wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Gesundheitsorganisationen hat nun
einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt. Teilverbote greifen zu kurz, so das Bündnis.
Der AOK-Bundesverband, der Verbraucherzentrale Bundesverband
(vzbv) und das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) fordern zum Schutz von Kindern
und Jugendlichen umfassende Werbebeschränkungen für
ungesunde Lebensmittel. Influencer-Werbung für
Ungesundes sollte die Bundesregierung komplett untersagen, heißt es in dem nun
veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier. Für TV,
Streaming und Radio spricht sich das Bündnis für ein
Werbeverbot zwischen 6 und 23 Uhr aus. Für Plakatwerbung
sollte eine 100-Meter-Bannmeile im Umkreis von Kitas, Schulen und Spielplätzen
gelten. Gesunde Lebensmittel, die die Empfehlungen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfüllen, sollen von den Verboten nicht
betroffen sein. In Deutschland sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen
in Deutschland übergewichtig, Tendenz steigend. SPD, Grüne und
FDP hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die an Kinder gerichtete
Werbung für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- und Salzgehalt
einzuschränken.
"Wir begrüßen es, dass an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel endlich unterbunden wird. Die Zeit der wirkungslosen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie ist passé" sagt Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses DANK, dem unter anderem der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) angehören.
"Kinder sind tagtäglich den Lockrufen für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt. Das begünstigt ungesunde Ernährungsmuster im Kindesalter und kann sich ein Leben lang negativ auf die Gesundheit auswirken", erklärt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. "Im Sinne der Prävention ist es zielführend, die Werbung einzuschränken. Gerne unterstützen wir dieses Vorhaben mit konkreten Vorschlägen zum Wohle unserer Versicherten", so Reimann.
Eine Studie der Universität Hamburg im Auftrag von
AOK-Bundesverband und DANK hatte im vergangenen Jahr das Ausmaß der
Lebensmittelwerbung in Deutschland gezeigt. Demnach sieht ein mediennutzendes
Kind pro Tag 15 Werbespots oder -anzeigen für
ungesunde Lebensmittel. Der Einfluss der Werbung auf das Ernährungsverhalten
von Kindern gilt inzwischen als gut belegt.
"Um Kinder zu schützen, darf die Politik keine halben Sachen
machen. Die Werbebeschränkungen müssen für alle
Kanäle und Werbeformen wie Kino, Zeitschriften oder Social Media gelten.
Ansonsten würde die Lebensmittelwirtschaft ihre Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Salz und Fett auf die
Schlupflöcher verlagern und wenig wäre gewonnen", sagt Jutta Gurkmann,
Leiterin des Geschäftsbereich Verbraucherpolitik beim vzbv.
Untersuchungen zur Mediennutzung von 3- bis 13-Jährigen zeigen,
dass diese insbesondere zwischen 6 und 23 Uhr Bewegtbildmedien konsumieren. Je
älter die Kinder, desto weniger relevant werden allerdings klassische
Kindersendungen. Das Bündnis fordert deshalb, dass die geplante
Werberegulierung auch bei Familienformaten greifen muss.
Dr. Thomas Fischbach, Präsident des BVKJ, betont die Bedeutung
des Vorhabens für die Kindergesundheit: "Schon vor Beginn der
Corona-Pandemie war jedes siebte Kind in Deutschland übergewichtig.
Seit etwa zwei Jahren beobachten wir in den Praxen einen deutlichen Anstieg des
Körpergewichts bei Kindern. Die Adipositas-Epidemie ist geradezu eskaliert!
Werbeverbote und die Förderung einer gesunden Ernährung sind daher wichtiger
denn je."
Erste Untersuchungen belegen, dass der Anteil an übergewichtigen Kindern und Jugendlichen seit der Corona-Pandemie
zugenommen hat. So ist beispielsweise der Anteil der Kinder mit Übergewicht bei
Schuleingangsuntersuchungen in der Region Hannover in nur einem Jahr um 40
Prozent gestiegen – von vormals 9,5 auf nun 13,4 Prozent. Eine umfassende Studie
der Universität Leipzig zeigt ein ähnlich alarmierendes Bild. In den ersten
Monaten der Corona-Pandemie ist das Körpergewicht der untersuchten Kinder in
der Region Mitteldeutschland 30 Mal so schnell gestiegen wie in den Jahren zuvor.
Text / Foto: AOK-Bundesverband, Verbraucherzentrale
Bundesverband und Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)